Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Ständen zu bildenden Reichsregiment vorbehal- 
ten, das alle drei Jahre mit dem Reichsoberhaupt 
zu einer Beratung zusammentreten sollte. Da- 
gegen sträubte sich Maximilian; von den Ver- 
hältnissen gezwungen, gab er aber schließlich seinen 
Widerstand auf und willigte auf dem Reichstag 
zu Augsburg 1500 in die Errichtung eines blei- 
benden Ausschusses der Stände aus 20 Mit- 
gliedern: 6 stellten die Kurfürsten, 12 die Fürsten, 
Grafen und Prälaten und 2 die Städte. Doch 
trat derselbe nie recht in Wirksamkeit, denn Maxi- 
milian nahm den neuen reichsständischen Insti- 
tutionen gegenüber eine feindselige Stellung ein. 
Schon 1502 löste sich das deutsche Reichsregiment 
wieder auf, dem Reichskammergericht trat des 
Kaisers Hofgericht in Wien, der Reichshofrat, zur 
Seite, welcher ebenfalls Reichsangelegenheiten vor 
sein Forum zog. Dagegen geschah viel für den 
Landfrieden, zu dessen besserer Handhabung schon 
im Jahr 1500 sechs Landfriedenskreise eingerichtet 
wurden, denen der Reichstag zu Köln 1512 noch 
vier hinzufügte. Diese Kreiseinteilung war ein 
glücklicher Gedanke und bedeutete eine tatsächliche 
Besserung. Sie faßte die zersplitterten Reichs- 
stände (376) in Gruppen zusammen, machte sie 
zu Reichsprovinzen und stellte sie so in den Dienst 
des Ganzen. Ihre Mängel lagen darin, daß nicht 
alle Reichsländer einbezogen waren (Böhmen mit 
seinen Nebenländern, die Schweiz und eine Menge 
kleiner, durchs ganze Reich zerstreuter Gebiete 
waren ausgeschlossen), daß die Kreise keine geo- 
graphisch abgerundeten Gebiete bildeten und daß 
endlich einzelne zu viel Stände hatten (z. B. der 
schwähische 94). Deshalb konnte sich ein Staats- 
leben leichter in den großen Landesfürstentümern 
entwickeln. 
2. Die Reformation undihre Folge- 
zeit. Nach dem Tod Maximilians, der seit 
1508 den Titel eines „erwählten deutschen 
Kaisers“ geführt hatte, bewarben sich zwei Könige 
um die deutsche Krone. Zur rechten Zeit noch 
erinnerten sich die Fürsten, daß in den Adern 
Karls von Spanien deutsches Blut fließe, und 
gaben ihm den Vorzug vor Franz I. von Frank- 
reich. Der Neugewählte aber mußte zum ersten- 
mal eine Wahlkapitulation unterzeichnen. KarlV. 
(1519/56), der letzte in Italien (1530 zu Bo- 
logna) gekrönte Kaiser, hatte den besten Willen, 
das Reich wieder aufzurichten. Unter gewöhn- 
lichen Verhältnissen hätte er es auch vermocht; 
aber seine Kraft zersplitterte sich leider zu sehr: 
im Osten drängten die Türken heran, im Westen 
lauerten die Franzosen, und im Innern spaltete 
die Reformation das deutsche Volk in zwei 
Lager. Dazu kam, daß er bei der ungeheuren 
Ausdehnung seines Weltreichs den Verhältnissen 
in Deutschland nicht ausschließlich seine Aufmerk- 
samkeit widmen konnte und die Regierung des 
Reichs seit 1521 einem Reichsregiment von 
22 Mitgliedern, seit 1531 seinem Bruder Fer- 
dinand überlassen mußte. Deshalb konnte sich die 
  
Deutsches Reich. 
  
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Reformation ungehindert ausbreiten und veran- 
laßte revolutionäre Volksbewegungen, wie den 
Bauernaufstand 1525, und führte zu einer kon- 
fessionellen Scheidung der Reichsstände. Erst seit 
1545 gewann Karl Zeit, in Deutschland einzu- 
greifen, und suchte nun energisch die Selbständig- 
keit der Fürsten zu brechen und die Einheit der 
Kirche wiederherzustellen. Beides gehörte zu- 
sammen, da eben die Fürstenmacht durch Entwick- 
lung der Landeskirche wesentlich gewachsen war 
und die Kaiserkrone ihrer Idee nach eine einheit- 
liche Kirche voraussetzte. Schon war es ihm durch 
den Sieg bei Mühlberg 1547 gelungen, den 
Schmalkaldischen Bund zu sprengen und dem Er- 
oberungsgang der Reformation Einhalt zu tun, 
da vernichtete die treulose Politik seines bisherigen 
Bundesgenossen Moriz von Sachsen und die 
Verbindung deutscher Fürsten mit Frankreich 
seine Erfolge. Er sah sich bald gänzlich verlassen, 
denn katholische wie protestantische Fürsten fürch- 
teten nichts mehr als die Wiederherstellung einer 
starken Kaisermacht. Müde des vergeblichen 
Kampfes, legte er die Krone nieder. Erheblich 
geschwächt ging das Reich auf die deutsche Linie 
der Habsburger über: die Schweiz war seit 1499 
selbständig, Metz, Toul und Verdun waren 1552 
verloren gegangen, Mailand 1540 und die bur- 
gundischen Lande 1555 an Spanien gekommen. 
Es folgte nun für Deutschland eine lange 
Periode äußerer Ruhe, und im Innern erhielt sich 
der Friede noch unter Ferdinand I. (1556/64) 
und Moaximilian II. (1564/76); als aber unter 
Rudolf II. (1576/1612) die katholische Reaktion 
begann, wurden die Gegensätze immer schärfer, 
bis endlich unter Matthias (1612/19) der lang 
verhaltene Kampf zum Ausbruch kam. Parteihaß, 
Eigennutz und Opposition der Fürsten gegen die 
noch vorhandene Kaisergewalt, emsig geschürt von 
Frankreich, brachten einen Krieg zustande, der 
Deutschlands Niedergang und Schmach besiegelte. 
Der entschlossene Ferdinand II. (1619/37) hielt 
nach der schnellen Beseitigung des Gegenkönigs 
Friedrich V. von der Pfalz und den Siegen Tillys 
und Wallensteins die Macht des Protestantismus 
für gebrochen und faßte schon den Plan ins Auge, 
Deutschland kirchlich (durch das Restitutionsedikt) 
und politisch (durch eine kaiserliche Militärherr= 
schaft) wieder zu einen; da raffte die bedrohte 
Fürstenmacht, an der Spitze der katholische Kur- 
fürst Maximilian I. von Bayern, alle Kraft zu- 
sammen und stürzte den gefürchteten Wallenstein 
in dem Augenblick, als Gustav Adolf auf Frank- 
reichs Betreiben an der Schwelle Deutschlands er- 
schien. Mit Mühe wehrte der Kaiser den Schwe- 
denkönig von seinen Erblanden ab. Als derselbe 
bei Lützen gefallen war, nahm Frankreich die 
Schweden in Sold, kaufte deutsche Fürsten zum 
Kampf wider den eigenen Kaiser und vereitelte 
den Abschluß des unheilvollen Kriegs. Erst als 
das Reich bis ins Mark hinein geschwächt war, 
bewilligten seine Feinde im Jahr 1648 den Frie-
	        
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