Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Meiningen und Altenburg) herbeizuführen, waren 
nach Lage der Dinge verspätet. Osterreich, das sich 
der Mittelstaaten sicher glaubte, beschloß Preußen 
zuvorzukommen und berief einen Fürstenkongreß 
nach Frankfurt auf den 17. Aug. 1863 zur Ab- 
ä#nderung der Bundesverfassung. Sämtliche deutsche 
Fürsten mit Ausnahme Preußens und Anhalt- 
Dessaus erschienen. Kaiser Franz Joseph legte 
einen vollständig ausgearbeiteten Bundesreform- 
entwurf vor, der auf folgenden Grundlagen be- 
ruhte: Die Fürstenversammlung überträgt die 
regelmäßige Ausübung der Exekutive einem aus 
sterreich, Preußen und drei gewählten Staaten 
bestehenden Direktorium. Neben diesem arbeitet 
als Kontrolle der aus den Bevollmächtigten der 
17 Stimmen des engeren Rats bestehende Bundes- 
rat. In beiden Körperschaften führt Osterreich den 
Vorsitz. Neben dem Bundesrat war eine Ver- 
sammlung von Bundesabgeordneten vorgesehen, 
der das Recht der beschließenden Mitwirkung bei 
Ausübung der gesetzgebenden Gewalt des Bundes 
beigelegt war. Sie sollte durch Delegation der 
Vertretungskörper der einzelnen Bundesstaaten 
gebildet werden. Ein Bundesgericht war ebenfalls 
vorgeschlagen, im allgemeinen jedoch die föderative 
Grundlage des Bundes nicht aus dem Auge ver- 
loren. Die Vorlage fand bei den Fürsten und dem 
deutschen Volk ziemlich ungeteilten Beifall, mußte 
aber naturgemäß an dem Widerstand Preußens 
scheitern, dessen unbestimmte Einwände nur zwei 
klare Forderungen erkennen lassen: völlige Gleich- 
stellung Preußens mit Osterreich und Einführung 
einer auf direkter Wahl beruhenden Nationalver- 
tretung. Durch letztere Forderung wollte man die 
damals sehr gegen die preußische Regierung ein- 
genommene öffentliche Meinung gewinnen. Sie 
wurde daher so stark betont, daß man 1866 bei 
Gründung des Norddeutschen Bundes nicht mehr 
wagte, diesen Standpunkt zu verlassen. 
Schon vorher, mittels Depesche vom 11. Dez. 
1861, hatte der sächsische Minister v. Beust eine 
Reform des Bundes vorgeschlagen, die auf der Er- 
richtung einer Bundes= und Abgeordnetenversamm- 
lung und einer aus Osterreich, Preußen und einem 
dritten Bundesstaat bestehenden Exekutive beruhte. 
Das Präsidium sollte zwischen Osterreich und 
Preußen wechseln, ein Bundesgericht eingeführt 
werden. Der Vorschlag fand auf keiner Seite Bei- 
fall, ebensowenig wie die Vorschläge Preußens zur 
Verbesserung des Bundeskriegswesens. 
Nachdem im Jahr 1863 die schleswig--holstei- 
nische Frage wieder in Fluß gekommen war, be- 
schloß der Bundestag die Exekution gegen Däne- 
mark. Als aber die Mittelstaaten zugleich für die 
Anerkennung der Ansprüche des Prinzen von 
Augustenburg eintraten, einigten sich Osterreich 
und Preußen dahin, vorläufig am Londoner Proto- 
koll vom 8. Mai 1852 festzuhalten und Schleswig 
als Pfand für die Zurücknahme der dänischen 
Verfassung zu besetzen. Nach kurzem Krieg trat 
Christian IX. im Frieden zu Wien (30.Okt. 1864) 
  
Deutsches Reich. 
  
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Schleswig-Holstein und Lauenburg an die Ver- 
bündeten ab. 
Der Zwist über das Schicksal der Elbherzog- 
tümer führte auch zur Lösung der deutschen Frage. 
Als nach der Gasteiner Konvention (14. Aug. 
1865) Osterreich die Ansprüche des Augusten- 
burgers in Holstein wie beim Bundestag weiter be- 
günstigte, wurde der Bruch unvermeidlich. Preußen 
forderte am 9. April 1866 die Berufung einer 
aus direkten Wahlen und allgemeinem Stimmrecht 
hervorgehenden Nationalversammlung zur Be- 
ratung einer Bundesreform. Die öffentliche Mei- 
nung in Deutschland hielt diesen Antrag nicht für 
ernst gemeint und blieb antipreußisch. Da über- 
trug Osterreich am 1. Juni dem Bund die Lösung 
der schleswig-holsteinischen Frage. Preußen be- 
zeichnete dies als Bruch des Gasteiner Vertrags, 
besetzte am 7. Juni Holstein und erklärte am 
9. Juni im Bundestag, daß es die Frage als 
eine nationale ansehe und nur in Verbindung mit 
der bereits vorgelegten Bundesreform sie zu lösen 
bereit sei. Dagegen stellte Osterreich am 11. Juni 
den Antrag auf Mobilmachung des Bundesheeres 
gegen Preußen wegen gewaltsamer Selbsthilfe. 
Am 14. Juni wurde dieser Antrag mit 9 gegen 
6 Stimmen (Preußen, Oldenburg, Mecklenburg, 
die thüringischen Staaten, Luxemburg und die 
freien Städte außer Frankfurt) zum Beschluß er- 
hoben. Sofort nach der Verkündigung desselben 
verlas der preußische Gesandte v. Savigny eine 
Erklärung seiner Regierung, daß sie den bisherigen 
Bundesvertrag damit für gebrochen und erloschen 
ansehe, daß sie aber einen neuen Bund ohne Oster- 
reich mit den deutschen Regierungen abzuschließen 
bereit sei. Infolge der nun folgenden Kriegs- 
ereignisse beschloß die zu Osterreich haltende 
Majorität des Bundestags, den Sitz desselben 
nach Augsburg zu verlegen, siedelte am 14. Juli 
dahin über und hielt am 24. Aug. ihre letzte 
Sitzung ab. 
Im Art. 4 des Prager Friedens vom 23. Aug. 
1866 erkannte OÖsterreich die Auflösung des 
Deutschen Bundes an und stimmte der Neu- 
gestaltung Deutschlands ohne seine Beteiligung 
im voraus zu. Es gab die Zustimmung zur Ein- 
ziehung von Hannover, Kurhessen, Frankfurt, 
Nassau, Hessen-Homburg und Schleswig-Holstein 
durch Preußen und versprach, das engere Bundes- 
verhältnis anzuerkennen, welches dieser Staat nörd- 
lich der Mainlinie begründen würde. Ferner er- 
klärte es sich damit einverstanden, daß die südlich 
von dieser Linie gelegenen deutschen Staaten in 
einen Verein zusammenträten, dessen staatsrecht- 
liche Verbindung mit dem Norddeutschen Bund 
der näheren Verständigung zwischen beiden vor- 
behalten bleiben sollte. Schon am 16. Juni 1866 
hatte Preußen die norddeutschen Staaten des ehe- 
maligen Deutschen Bundes mit Ausnahme von 
Hannover, Kurhessen, Sachsen und Luxemburg zu 
einem Bündnis eingeladen, das von der Mehr- 
zahl angenommen, von Sachsen-Meiningen und
	        
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