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Sansibar gegen diese Erwerbungen, welche die
Küste noch nirgends berührten, protestierte, wurde
er durch eine Flottendemonstration (13. Aug.
1885) zum Nachgeben gezwungen. In dem Ver-
trag vom 30. Dez. 1886 behielt der Sultan nur
einen 10 Seemeilen breiten Küstenstreifen, den er
der Gesellschaft im April 1888 aber verpachten
mußte. Mit Portugal und England fanden Grenz-
regulierungen durch die Verträge vom 29. Okt.
bzw. 1. Nov. 1886 statt. Schon 1888 brach
unter der Küstenbevölkerung, die mit Recht für
ihren einträglichen Sklavenhandel fürchtete, ein
gefährlicher Aufstand aus. Von 18 Stationen
konnten sich nur Bagamojo und Dar es-Saläm
halten. Erst dem 1889 ernannten Reichskommissar
Wissmann gelang es, der Empörung Herr zu
werden; der Halbaraber Buschiri, der nicht un-
begabte Führer der feindlichen Bewegung, wurde
gefangen genommen und gehenkt (14. Dez. 1889).
In dem vielfach bekämpften, für die koloniale
Machtstellung des Reichs äußerst nachteiligen
Vertrag mit England vom 1. Juli 1890 wurde
die Nord-, Süd= und Westgrenze der Kolonie fest-
gelegt; dabei trat das Reich das seit 1885 unter
deutscher Schutzherrschaft stehende Witu und alle
nördlichen Besitzungen gegen die Insel Helgoland
an England ab und erkannte das englische Pro-
tektorat über Sansibar an. Am 1. Jan. 1891
übernahm das Reich selbst die Verwaltung des
für 4 Mill. M vom Sultan von Sansibar läuflich
erworbenen Küstenstreifens und des Hinterlandes.
Die 1890er Jahrebrachten dannverschiedene Straf-
expeditionen gegen mit der deutschen Verwaltung
unzufriedene Stämme, so seit 1891 gegen die
Wahehe, deren endgültige Unterwerfung erst 1898
gelang, ferner gegen die Mahenge, Mgunda usfw.
Ein größerer Aufstand brach im Süden der Ko-
lonie im Jahr 1905 aus, ihm fiel unter andern
auch der Bischof Spies zum Opfer. Der aus der
Heimat wesentlich verstärkten Schutztruppe gelang
es jedoch, die Bewegung auf ihre lokalen Grenzen
zu beschränken. Im März 1906 waren wieder
allerorts friedliche Zustände vorhanden.— Deutsch-
Ostafrika ist das größte deutsche Schutzgebiet, es
spielt schon heute im Handelsverkehr eine nicht un-
wesentliche Rolle. Auf die Zukunft setzt man die
größte Hoffnung (sowohl wegen seiner günstigen
Lage für den Handelsverkehr zwischen dem Meer
und den großen innerafrikanischen Seen als auch
ganz besonders wegen der günstigen Voraus-
setzungen für die Bodenkultur seiner Bergland-
schaften. Ausgeführt werden namentlich Kautschuk,
Sisalhanf, Kokospalmenprodukte, Wachs, Kaffee,
Elfenbein, Häute, Baumwolle, verschiedene Ge-
treidearten u. dgl., eingeführt Textil= und Filz-
waren, Reis, Metallwaren u. dgl. An Eisenbahnen
bestehen 1) die Usambarabahn, die parallel zur eng-
lischen Ugandabahn von Tanga bis Mombo
(129 km) im Betrieb und weiterhin in der Rich-
tung auf den Kilimandscharo bis Tanganiga
(weitere 95 km) im Bau und deren Fort-
Deutsches Reich.
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führung bis an den Viktoriasee geplant ist; 2) die
Zentralbahn, die von Dar es-Saläm nach Mrogoro
geht (225 km), weiterhin bis Tabora (weitere
700 km) im Bau ist; von Tabora ist eine Ver-
längerung an den Tanganikasee (nach Udschidschi)
und nach dem Viktoriasee (nach Muansa) in Aus-
sicht genommen. Eine Südbahn, von Kilwa-
Kissiwani nach dem Njassasee (Wiedhafen), dürfte
vorläufig wohl Projekt hleiben, da sie vorwiegend
den jenseits des Njassa gelegenen nichtdeutschen
Gebieten zugut käme. Wichtige Küstenplätze sind
der Regierungssitz Dar es-Saläm (24000 Einw.),
Bagamojo, Saadani, Pangani, Kilwa und Lindi;
im Innern sind wichtige Punkte Tabora und
Mpapua; Stationen an den Seen sind: Karema
am Tanganika, Langenburg am Njassa und
Bukoba und Muansa am Viktoriasee.
4. Deutsch-Südwestafrika. Die Bucht
Angra-Pequena, heute die Lüderitzbucht, wurde von
dem Bremer Kaufmann Lüderitz im Mai 1883 durch
Verträge mit den Eingebornen erworben und im
April 1884 unter den Schutz des Deutschen Reichs
gestellt. Im Herbst 1884 wurde der Schutz auf
auf das gesamte Gebiet zwischen Oranjefluß und der
portugiesischen Besitzung Angola ausgedehnt mit
Ausnahme der von den Engländern schon besetzten
Walfischbai und der ihr vorgelagerten kleinen In-
seln. Durch den Vertrag mit Portugal vom
30. Dez. 1886 und den Vertrag mit England
vom 1. Juli 1890 wurden die Grenzen festgestellt.
Die Entwicklung des Gebiets wurde zuerst durch
den Engländer Lewis gestört, der 1888 im Inter-
esse der englisch-südafrikanischen Minengesellschaft
die Häuptlinge zum Bruch ihrer mit der deutschen
Regierung eingegangenen Verträge und zur Ver-
treibung der Deutschen aufhetzte. Lewis wurde
von dem Hauptmann von Frangois aus der Ko-
lonie vertrieben (1889); ein anderer noch gefähr-
licherer Gegner erstand der jungen Kolonie aber
in Hendrik Witboi, dem Häuptling der Nama-
hoitentotten. In einem zweijährigen Kampf
(1893/94) gelang es Frangois (Erstürmung der
Feste Hornkranz, 12. April 1893) und nament-
lich dem Major Leutwein (Kampf in der Naukluft,
9. Sept. 1894), Witboi und seine Leute zu
unterwerfen. Kleinere Aufstände waren dann die
der Khauas= und der Zwartbooihottentotten
(1897/98). Nach einigen Jahren der Ruhe brach
1903 ein Kampf aus, der sich zu einem großen
Kolonialkrieg entwickelte. Unter den Bondelzwarts,
einem kleinen Hottentottenstamm im Gebiet von
Keetmanshoop, ausgebrochene Unruhen wurden
vom Gouverneur Oberst Leutwein schnell unter-
drückt. Da hierzu aber die militärische Besatzung
des Nordens der Kolonie stark vermindert wor-
den war, versuchten die Herero, ein Bantuneger-
stamm von etwa 100 000 Köpfen, das deutsche
Joch abzuschütteln. Die Farmen und ein großer
Teil ihrer Bevölkerung fiel den Ausständischen
zum Opfer. Die bedrohten größeren Siedlungen
wurden durch Hauptmann Franke bald entsetzt.