Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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mungen in den Gesetzgebungen aller zivilisierten 
Staaten. In Bezug auf die Geistlichen ist das 
Zeugnisverweigerungsrecht noch auszudehnen; die- 
selben sind den öffentlichen Beamten gleich zu be- 
handeln. Nicht nur das Beichtgeheimnis (s. d. Art.) 
ist zu schüten auch andere dienstliche Tatsachen, 
an deren Geheimhaltung die kirchlichen Behörden 
ein Interesse haben, sind von der Zeugnispflicht 
auszunehmen, sofern nicht von der vorgesetzten 
Behörde die Genehmigung zur Zeugnisabgabe 
erteilt wird. Dabei sind für die Versagung der 
Genehmigung gesetzliche Schranken zu ziehen. 
Die Verletzung der Pflicht der Amtsver- 
schwiegenheit (s. d. Art. Amt) wird, sofern dadurch 
nicht eine nach den allgemeinen Strafgesetzen straf- 
bare Handlung begangen ist, als Dienstvergehen 
nach Vorschrift der Disziplinargesetze bestraft. 
Die Strafen können Warnung, Verweis, Geld- 
strafen, Amtsversetzung und Dienstentlassung mit 
oder ohne Pension sein. Nach dem deutschen 
Strafgesetzbuch ist der Bruch des Dienstgeheim- 
nisses zu bestrafen mit Zuchthaus nicht unter zwei 
Jahren, wenn vorsätzlich Staatsgeheimnisse oder 
solche Urkunden, Aktenstücke oder Nachrichten, von 
denen bekannt ist, daß ihre Geheimhaltung einer 
andern Regierung gegenüber für das Wohl des 
Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats erfor- 
derlich ist, dieser Regierung mitgeteilt oder öffent- 
lich bekannt gemacht werden; mit Gefängnis oder 
mit Geldstrafe bis zu 5000 A (s. d. Art. Amts- 
verbrechen) bei Beamten im Dienst des Auswär- 
tigen Amts des Deutschen Reichs, welche die 
Amtsverschwiegenheit dadurch verletzen, daß sie 
ihnen amtlich anvertraute oder zugängliche Schrift- 
stücke oder eine ihnen von ihren Vorgesetzten er- 
teilte Anweisung oder deren Inhalt andern wider- 
rechtlich mitteilen sog. Arnimparagraph, St.G.B. 
§ 353 a). Vorgesetzter im Sinn dieser Straf- 
bestimmung ist nur der Chef des Auswärtigen 
Amts. Neben der Strafe dieser Vergehen ist die 
Einleitung des Disziplinarverfahrens und die Be- 
strafung in diesem zulässig. [Spahn.) 
Dienstvertrag. 1. Römisches Recht. 
Im alten Rom wurden die gewöhnlichen Dienste 
in der Regel durch die Sklaven verrichtet. Der 
Sklave war ein Vermögensstück wie das Tier. 
Seine Arbeitsleistung wurde rechtlich als die einer 
Sache bewertet, sie wurde vom Eigentümer ver- 
mietet. Deshalb unterstand diese Dienstleistung 
den gewöhnlichen Regeln der Sachmiete, der locatio 
conductio rei. Da die Sklavenarbeit überwog, sind 
die Bestimmungen über die Dienstmiete sehr spär- 
lich. Freigelassene und arme freie römische Bürger 
mußten ihre Arbeitsfähigkeit in den Dienst der 
Reicheren stellen, um ihr Leben fristen zu können. 
Sie „vermieteten“ ihre Arbeitskraft auf Zeit oder 
Lebenszeit gegen Entrichtung einer Vergütung den 
Dienstvertrag. 
  
Reicheren, deren Anordnung und Befehl sie ge- 
horchen mußten. Ihre Arbeit ist eine handwerks- 
mäßige (operae illiberales). Das Rechtsverhält- 
nis zwischen Dienstherr und Untergebenen ist die 
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locatio conductio operarum. Ging der Vertrag 
nicht auf Arbeitsleistung, sondern auf das Erzeug- 
nis der Arbeit, die Herstellung eines Werkes, so 
beurteilte sich das Rechtsverhältnis nach der Regel 
über die locatio conductio operis. Der vor- 
nehme Römer hält bezahlte Arbeit für herabwür- 
digend. Er stellt seine Dienste unentgeltlich als 
Beamter oder Bürger in den Dienst des Gemein- 
wohls oder der Mitbürger (artes liberales). 
Seine Arbeitsleistung wird rechtlich als unent- 
geltliche auftragsmäßige Geschäftsbesorgung (man- 
datum) betrachtet. Allmählich ändern sich jedoch 
hierin die Anschauungen. Auch der vornehme Römer 
läßt sich für seine Dienstleistung bezahlen, er er- 
hält einen Ehrensold (honorarium), der sich aber 
anfänglich nicht als klagbares Recht darstellt; doch 
tritt auch hier eine Anderung ein, so daß später 
auch die geistige Arbeit als honorarberechtigt vom 
Gesetz anerkannt wird. Schutzbestimmungen für 
den Arbeiter kennt das römische Recht nicht. — 
Das Christentum riß die Schranken zwischen Herrn 
und Sklaven, zwischen frei und unfrei nieder, es 
erkennt beide nur als Menschen an und beseitigt 
durch die Gesetzgebung die Sklaverei. Hierdurch 
wird die Arbeitsleistung des Armen zu höherem 
Ansehen gebracht. 
2. Deutsches und gemeines Recht. 
Die Grundsätze des Christentums wirkten auf die 
gesellschaftlichen Anschauungen ein; wenn sie auch 
den Unterschied zwischen Dienstherrn und Arbeiter 
nicht aufhoben, so stellten sie doch den letzteren auf 
eine sozial und wirtschaftlich höhere Stufe. Haupt- 
sächlich das deutsche Recht macht das Verhältnis 
zu einem sittlich patriarchalischen, mit weitgehender 
Privilegierung des Arbeitgebers, des Meisters. 
In ländlichen Arbeitsverhältnissen sind vielfache 
Abstufungen zwischen unfreier, höriger Arbeit bis 
zur freien. Die Dienstmiete (locatio con- 
ductio operarum) des gemeinen Rechts ist ein auf 
bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangenes 
Versprechen auf Arbeitsleistung gegen Entgelt. 
Da die Dienste gemietet sind, wird persönliche 
Arbeitsleistung gefordert. Die Vertretung kann 
abgelehnt werden. Der Lohn ist im Zweifel post- 
numerando und nach Zeitabschnitten zu bezahlen. 
Der Tod des Dienstherrn (Mieters) beendigt nur 
bei höchstpersönlicher Dienstleistung das Arbeits- 
verhältnis. Bei Annahmeverzug des Dienstherrn 
bleibt die Lohnforderung bestehen, jedoch darf der 
Zwischenverdienst oder das, was hätte verdient 
werden können, in Abzug gebracht werden. Bei 
unbefristeter Dienstmiete steht beiden Teilen ein 
Kündigungsrecht zu im Gegensatz zum römischen 
Recht, das in diesem Fall ein jederzeitiges Rück- 
trittsrecht kannte. Die Kündigungsfristen sind der 
Landesgesetzgebung, der Ubung oder dem richter- 
lichen Ermessen überlassen. Der Arbeitsherr hat 
ein Rücktrittsrecht, wenn sein Vertrauen auf Wille 
und Fähigkeit des Angestellten berechtigterweise er- 
schüttert ist. — Das französische Recht schloß 
sichim allgemeinen der gemeinrechtlichen Doktrin an.
	        
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