Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

111 Advokatur. 112 
mit schwerer Strafe geahndet (fr. 1 pr. de praev. und Beisitzer taxiert, während alle weitergehenden 
47, 15; fr. 4 § 4 de his aui not. inf. 3, 2; Verträge für die Parteien unverbindlich sein soll- 
Carolina art. 115; Strafgesetzbuch § 356). ten. Die für die deutschen Rechtsanwälte erlassene 
Der Rechtsanwalt haftet seinem Klienten für Gebührenordnung hat das System der Bausch- 
omnis culpa. Die bestrittene Frage, „ob gebühren adoptiert, welche entweder in vollem Um- 
eine Partei wegen Schuld oder Nachlässigkeit ihres fang oder in Teilbeträgen nach dem Wert des 
Sachwalters in integrum zu restituieren sei“, Streitgegenstands und nach der Verschiedenheit der 
wurde in einem Dubium camerale vom 19. Mai Prozeßhandlung oder der Instanz berechnet wer- 
1786 in bejahendem Sinn beantwortet. Außer= den. Außerdem kann der Rechtsanwalt seine Aus- 
dem hatte der Richter die Pflicht, Irrtümer des lagen für Schreibgebühren, Geschäftsreisen usw. 
Advokaten, soweit sie juristischer Art waren, zu Derselbe ist im allgemeinen einerseits 
verbessern; tatsächliche Irrtümer desselben konnte bei Übernahme einer Sache einen an- 
die Partei entweder sofort berichtigen oder wenig- Vorschuß zu fordern, anderseits nicht 
stens innerhalb der nächsten drei Tage widerrufen. vo Empfang seiner Auslagen und 
Nach dem Recht der Spiegel hatte die Partei das dem Auftraggeber die Handakten her- 
Recht, das Vorbringen des Fürsprechers zu miß= auszugeben. Zu bemerken ist, daß ein beim Prozeß- 
billigen oder zu verbessern; wenn sie dies nicht ge= gericht zugelassener Anwalt nicht nur sich selbst ver- 
tan oder gar die Erklärungen des Fürsprechers treten, sondern auch bei dem Betrieb eigner An- 
ausdrücklich bestätigt hatte, mußte sie dieselben gegen gelegenheiten von dem zur Erstattung der Kosten 
sich gelten lassen. Die deutsche Zivilprozeßordnung 1 des Verfahrens verpflichteten Gegner Gebühren 
bestimmt, daß die von dem Bevollmächtigten vor= und Auslagen erstattet verlangen kann. Über die 
genommenen Prozeßhandlungen bzw. das von dem von dem Prozeßgegner zu erstattenden Kosten, 
Beistand Vorgetragene für die Partei verbindlich sofern dieselben nicht bei Amtsgerichtssachen schon 
sind, insofern nicht tatsächliche Erklärungen des # im Urteil festgesetzt sind, wird auf desfallsiges Ge- 
Bevollmächtigten oder Beistands von derselben so= such durch Feststellungsbeschluß des Gerichts erster 
fort widerrufen werden. Eine Restitution der Instanz entschieden; die Festsetzung der Kosten des 
Partei wegen Versehen ihres Vertreters findet nicht Prozeßbevollmächtigten gegenüber dem Auftrag- 
statt; vielmehr wird eine Versäumnis, welche in geber erfolgt auf dem Klageweg. Der Betrag der 
der Verschuldung eines Vertreters ihren Grund Vergütung des Anwalts kann durch Vertrag ab- 
hat, als eine unverschuldete nicht angesehen. Der weichend von den Vorschriften der Gebührenord- 
Advokat hat das Recht, außer dem Ersatz der nung festgesetzt, dann aber, wenn der Rechtsanwalt 
Auslagen für seine Mühewaltung ein Honorar die Grenzen der Mäßigung überschritten hat, im 
zu verlangen. Solange bei den Römern die Advo= Prozeßweg nach eingeholtem Gutachten der An- 
katur ein Ehrendienst war, erhielten die Advokaten waltskammer bis auf den im Gesetz bestimmten Be- 
keine Belohnung; ja die lex Cincia vom Jahr 6 trag herabgesetzt werden. Eine Erhebung von Ge- 
550 d. St. verbot ausdrücklich die Annahme einer bühren usw., von denen der Anwalt weiß, daß der 
solchen (ne quis ob Causam orandam donum mu- Zahlende sie überhaupt icht oder nur in geringerem 
nusve capiat). Ein unter Claudius ergangenes Betrag schuldet, wird nach § 352 des Strafgesetz- 
und durch die späteren Kaiser aufrecht erhaltenes buchs kriminell bestraft. Durch § 196 Ziffer 15 
  
Senatskonsult gestattete ein Honorar von höchstens 
10 000 Sesterzien = 100 Aurei, welcher Anspruch 
— vorbehaltlich des richterlichen Moderations- 
rechts usque ad probabilem quantitatem — 
und zwar selbst ohne besondere desfallsige Zusage 
mittels einer extraordinaria cognitio geltend 
gemacht werden konnte. Dagegen waren den Ad- 
vokaten die in betreff des Honorars malo more 
mit den Klienten geschlossenen Verträge, nament- 
lich die societas futuri emolumenti, worauf das 
Pactum de quota litis und de palmario, db. h. 
das Versprechen eines bestimmten Teils des Streit- 
objekts und einer besondern Vergütung für den 
des B.G.B. wird für die Ansprüche der Rechts- 
anwälte wegen ihrer Gebühren und Auslagen eine 
Verjährung von zwei Jahren festgesetzt. 
X. Hier seien noch die Anwaltsvereine er- 
wähnt, welche 1860 und 1861 für einige deutsche 
Staaten, namentlich Preußen und Bayern, ge- 
gründet wurden (s. Weißler, Gesch. d. Rechtsanwalt- 
schaft Kap. 45 ff). Seit 1871 besteht ein Deutscher 
Anwaltsverein, welchem 1907 über 6000 (aus einer 
Gesamtzahl von über 8000) deutsche Anwälte als 
„Mitglieder angehörten. Als Zweck verfolgt derselbe: 
1. die Förderung des Gemeinsinns der Standes- 
genossen und die Pflege des wissenschaftlichen 
  
Fall des Obsiegs, beruht, sowie die reeemptio Geistes; 2. die Förderung der Rechtspflege und der 
litis, d. h. die bezahlte übernahme der Gefahr Gesetzgebung des Deutschen Reichs; 3. die Ver- 
eines Prozesses, bei strenger Strafe verboten. tretung der Berufsinteressen. Zur Verfolgungdieses 
Nach älterem deutschem Recht war es den Fürspre= Zweckes erscheint in Berlin eine Zeitschrift: „Ju- 
chern gestattet, sich ein Honorar zahlen zu lassen, ristische Wochenschrift“, als Organ des Vereins. 
welches für jede einzelne Rechtshandlung genau Außerdem ist 1885 eine Hilfskasse für deutsche 
festgesetzt war. Ebenso wurden nach der Reichs- Rechtsanwälte als Genossenschaft mit beschränkter 
kammergerichtsordnung die Honoraransätze der Haftpflicht und juristischer Persönlichkeit in Leipzig 
Advokaten und Prokuratoren durch Kammerrichter gegründet worden, um die Gründung einer all-
	        
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