1289
(Par. 1681 u. 1704), im Sinne der Kunst sach-
und stilgemäßer Anfertigung von Urkunden der
Kaiser und Könige, die im Unterschied von den
Bullen der Päpste und den Bestallungsbriefen von
Personen geringeren Rangs als Diplome bezeich-
net wurden. Rechtsverständige, welche mit der
Ausfertigung von derlei Urkunden befaßt waren,
hießen gleichfalls Diplomaten.
2. Diplomatische Schulung. Im Grund
genommen wäre unter der Kunst der Diplomatie
nichts anderes zu verstehen als die Art und Weise,
wie diplomatische Verhandlungen eingeleitet, ge-
führt und zum erwünschten Abschluß gebracht
werden, wobei jeder Teil für sich das Beste und
Gewinnreichste zu erhalten und für die Zukunft
zu sichern sucht. Allein der diplomatische Beruf
war von jeher vom Zwielicht einer Geheimkunst
umgeben. Diplomatisch galt als Eigenschafts-
wort, das, wofern es nicht amtlich gebraucht wurde,
den Inbegriff von Schlauheit, Glätte und Kunst-
fertigkeit bezeichnete, die eigenen Gedanken zu ver-
bergen und die fremden zu erraten, Wahres aber
nur dann zu sagen, wenn man sicher war, daß das
Gegenteil davon geglaubt werde. Noch auf dem
Wiener Kongreß 1814/15 und bis zum Jahr
1848 war diese Diplomatenschule die tonangebende.
Herzog Karl August von Weimar, der dieses
Treiben während des Kongresses in nächster Nähe
beobachtete, hat damals den Ausspruch getan, die
Diplomatie sei nicht viel mehr als eine Zunft von
Exzellenzen mit „Kanzleigehilfen im halbbrüchigen
Konzept“. Die Maxime der Geheimtuerei, des
Verschleierns und Vertuschens der Absichten und
Vorgänge, die sog. Hintertreppenpolitik, gehört
einer vergangenen Zeit an, wie auch die Meinung,
daß sich ein richtiger Diplomat durch galante
Abenteuer, geräuschvolles Auftreten und luxuriöse
Haushaltung bemerkbar machen müsse. Die Siege
der Diplomatie werden gegenwärtig zumeist in der
Stille gewonnen, und als zuverlässiges Kennzeichen
eines vorzüglichen Diplomaten gilt es, daß er von
sich und seiner Tätigkeit so wenig als möglich
reden macht.
3. Die Amtsführung der Diplomatie ist
einfach zu kennzeichnen. Sie hat nicht selbst Politik
zu machen, vielmehr die ihr von den Lenkern der
auswärtigen Politik erteilten Aufträge genau und
scharf aufzufassen, alle Momente, Verhältnisse und
Interessen im Staat ihrer Wirksamkeit aufzusuchen
und auszunutzen, entgegenstehende Einwände zu
entkräften oder durch Ermittlung von Gegenkon-
zessionen auszugleichen, die Ehre und Würde des
eigenen Staates überall zu wahren, tunlichste
Zurückhaltung zu beobachten, um nicht zu früh
gebunden zu sein und allfällige neue Chancen zur
Erzielung größerer und weiterer Vorteile benutzen
zu können. Nachsschließlicher Erreichung des Zieles
hat sie in der getroffenen Vereinbarung alle Punkte
unzweideutig, unanfechtbar, mit klarer Präzisierung
der vollen Tragweite festzulegen. Dabei darf
durchaus kein unredliches Mittel, keine Verschleie-
Diplomatie, Diplomatisches Korps.
1290
rung des wahren Tatbestandes und der wahren
Absicht, nicht Hinterlist, Trug, Bestechung oder
eine andere schlimme Kunst angewendet werden,
soll nicht das Werk auf unmoralischem Grund be-
ruhen und daher auch ohne Anspruch auf Bestand
und Anerkennung bleiben. In entlegenen Erd-
teilen, wohin Weisungen und Antworten auf An-
fragen selten gelangen können, müssen wohl Politik
und Diplomatie, besondens wenn Gefahr im Ver-
zug liegt, von derselben Hand geübt und geleitet
werden, weshalb auch im fernen Osten nur solche
diplomatische Agenten am Platze sind, deren
Kennerschaft von Land und Leuten durch vieljährige
Erfahrung erprobt ist. Die Kunst der Diplomatie
ist nicht etwas, zu dessen Erlernung bloß guter
Wille und helle Geistesgaben ausreichen. Un-
zweifelhaft gehört hierzu eine genaue Kenntnis des
Völker= und Staatsrechts, der Geschichte und
Statistik sowie die volle Beherrschung der fremd-
ländischen Sprachen, auch der orientalischen, die,
wie z. B. die chinesische, selbst den besten Kennern
große Schwierigkeiten bereiten. Aber damit ist nur
der Fonds gegeben, der nirgends fehlen darf. Um
denselben richtigund rechtzeitig verwenden zu können,
sind noch andere sehr wichtige Eigenschaften erfor-
derlich. Der Diplomat muß Menschenkenner sein,
Personen und Verhältnisse rasch und zutreffend zu
würdigen verstehen. Natürlich erkennt man schnell
die hervorstechendsten Eigenschaften einer Persön=
lichkeit; aber jene genaue Kenntnis eines Charak-
ters, welche alle Vorzüge und Schwächen heraus-
findet, ihre jeweilige Stärke und Relation abwägt
und zu beurteilen vermag, wie die betreffende
Persönlichkeit in dieser oder jener noch nicht da-
gewesenen Lage handeln würde, eine solche Fähig-
keit ist nicht leicht anzutreffen, aber von größtem
Wert, wenn ein diplomatischer Agent sie besitzt.
Der Diplomat soll unter allen Umständen eine
unerschütterliche Ruhe bewahren, gewinnende Um-
gangsformen besitzen, mit Leichtigkeit und ohne
Ermüdung seinen repräsentativen Obliegenheiten
nachkommen und, wie Flassan sagt, ein schönes
Talent mit einem guten Charakter verbinden.
Damit ist hinlänglich gesagt, daß zu Diplomaten
von Distinktion nicht allzu viele Personen sich eignen
und aus dem sich darbietenden Personal mit großem
Vorbedacht ausgesucht werden müssen. Man wird
nur solche Aspiranten zu dieser Karriere zulassen,
welche die entsprechenden Erwartungenrechtfertigen,
und später zusehen müssen, was sich als wirklich
brauchbar für den höheren Dienst herausstellt.
Man wird überdies den UÜbertritt der effektiven
Konsularfunktionäre zum diplomatischen Dienst
nicht grundsätzlich ausschließen, wenn sich im Kon-
sularkorps vollwertige Elemente für solche Stel-
lungen, besonders in Ostasien, vorfinden. Man
darf auch nicht etwa glauben, daß jeder Diplomat
zu jedem Posten und jeder Art von Verhandlung
geeignet ist. Es ist nicht dasselbe, ob ein Diplomat
in Washington, in Paris, in St Petersburg oder in
Jokohama, Peking usw. zu wirken hat; denn Ver-