Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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bloß mündlich eröffnet, auf Wunsch auch abschrift- 
lich mitgeteilt dépè#ches communiquses). Beson- 
dere Arten von Noten sind die Zirkularnoten (Zir- 
kulartelegramme), d. i. gleichlautende Noten der- 
selben Regierung an mehrere fremde Regierungen 
und die gleichlautenden identischen oder Kollek- 
tivnoten mehrerer Regierungen an dieselbe fremde 
Regierung, um auf diese entschiedener zu wirken. 
Vertrauliche Noten enthalten mehr den Ausdruck 
der persönlichen Anschauung; unterzeichnete Noten 
(notes signées) haben einen streng amtlichen 
Charakter, während Verbalnoten (notes verbales) 
mehr zur Weiterführung einer Angelegenheit in 
Anwendung kommen. 
Man pflegt auch viel von diplomatischem Stil 
zu reden. Indessen gibt es einen solchen in dem 
Sinn, daß er von andern Schreibarten bedeutend 
unterschieden würde, doch nur bei den Chinesen, 
deren Schriftsprache in vier Arten zerfällt, nämlich 
in den verhältnismäßig leichten Gesprächs= oder 
Novellenstil, den gezierten Briefstil, den Depeschen- 
stil und den klassischen Stil. Da die Unterhand- 
lungen von Organen des Staats geführt werden, 
und der Würde desselben dem Ausland gegenüber 
nichts vergeben werden darf, versteht es sich von 
selbst, daß ein vornehm ruhiger Ton, gemessen, 
ernst, streng sachlich, ohne rhetorischen Aufputz die 
diplomatische Schreibweise kennzeichnen soll. Tat- 
sächlich zeigen viele der diplomatischen Schrift- 
stücke, daß ihren Verfassern vollendeter Formsinn, 
Gedrungenheit der Diktion und Klarheit der 
Sprache in hohem Maß eigen sind. Kommen 
Verstöße vor, sog. Kanzleifehler, so übersieht man 
sie entweder oder rügt sie bei guter Gelegenheit. 
Sind die Fehler von größerer Bedeutung oder 
wohl gar verletzend, so nimmt man die Mitteilung 
entweder gar nicht an oder verlangt Genugtuung. 
Literatur. Abr. de Wicquefort, L'Ambassa- 
deur et ses fonctions (1680, zuletzt 2 Bde, La 
Haye 1746); Ch. de Martens, Guide diplomatique 
(51866, bearbeitet von Geffcken); E. C. Grenville- 
Murray, Droits et devoirs des envoyés diplo- 
matiques (Lond. 1853); Pradier-Foderé, Cours 
de droit diplomatique (1881); Krauske, Die Ent- 
wicklung der ständigen D. vom 15. Jahrh. bis zu 
den Beschlüssen von 1815/18 (1885); H. Coulon, 
Des agents diplomatiques (Par. 1883); Odier, 
Des privilèges et immunités des agents diplom. 
(ebd. 1890); Szende, Handb. für D. (1899); Nys, 
Les origines de la diplomatie et le droit d'am- 
bassade (1884); Archives diplomatiques (seit 
1861); Annuaire diplomatique (seit 1858, neue 
Folge seit 1874); Staatsarchiv, begr. von Aegidi 
u. Klauhold (seit 1861). Dazu die Literaturangaben 
bei den Art. Exterritorialität, Gesandtschaftsrecht, 
Konsulnu. Lentner.) 
Diskont s. Wechsel. 
Dismembration s. Grundbesitz. 
Disziplin, Disziplinarstrafen und 
Disziplinarstrafverfahren. Disziplin in 
dem hier zu erörternden Sinn ist Zucht, in einem 
besondern Sinn Amts= und Standeszucht. Wäh- 
rend das Strafrecht auf Grund des staatlichen 
Diskont — Disziplin usw. 
  
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Hoheitsrechts Verstöße gegen die allgemeine Rechts- 
ordnung und die aus derselben sich ergebenden 
Staatsbürgerpflichten ahndet, sichert die Diszi- 
plin die Beobachtung der besondern Pflichten 
eines Amts oder Standes oder eines sonstigen 
Verhältnisses, welches besondere Anforderungen 
an Leistungen und Verhalten stellt. — Einer der- 
artigen Disziplin untersteht zunächst die Jugend 
im Verhältnis zu ihren Eltern und Lehrern. 
Über die Disziplin der Eltern vgl. B.G.B. 
§ 1631. In den Elementar= und Mittelschulen 
beruht sie in Preußen einstweilen noch auf mini- 
steriellen Verordnungen. Die gesetzliche Reglung 
wird Aufgabe eines Unterrichtsgesetzes sein. Auch 
in andern deutschen Bundesstaaten fehlt sie noch. 
Fur die Hochschulen ist sie mehrfach gesetzlich aus- 
gebildet. So weist das preußische Gesetz vom 
29. Mai 1879, betreffend die Rechtsverhältnisse 
der Studierenden und die Disziplin auf den Lan- 
desuniversitäten, in 8 2 der akademischen Disziplin 
die Aufgabe zu, „Ordnung, Sitte und Ehren- 
haftigkeit unter den Studierenden zu wahren“; es 
überträgt dieselbe dem Rektor, dem Universitäts- 
richter und dem Senat, für die schwersten Fälle 
in letzter Instanz dem Kultusminister, und be- 
stimmt die einzelnen Disziplinarvergehen, die Stra- 
en und die Grundsätze des Verfahrens. — Ebenso 
steht dem Dienstherrn über den Dienstboten, dem 
Lehrherrn über den Lehrling eine Disziplin zu, 
welche regelmäßig gesetzlich bestimmt ist. — Dieser 
Disziplin verwandt ist diejenige, welche der Kirche 
als Mutter und Lehrmeisterin über ihre Mit- 
glieder zusteht (s. Sp. 1301). — Hierhin gehört 
auch die militärische Disziplin, insoweit 
ihr die auf Grund ihrer Dienstpflicht bei den 
Fahnen befindlichen Militärpersonen unterworfen 
sind. Wegen letzterer s. d. Art. Militärgesetze. 
— Einer derartigen Disziplin unterliegen ferner 
alle Stände, welche durch besondere Rechte 
ausgezeichnet sind. Für die Rechtsanwälte ist 
sie geordnet in der Deutschen Rechtsanwaltsord- 
nung vom 1. Juli 1878. Durch das Gesetz, 
betreffend die Patentanwälte, vom 21. Mai 
1900, in welchem die Verhältnisse dieses für den 
gewerblichen Rechtsschutz so wichtigen Vertreter- 
standes zum erstenmal eine reichsgesetzliche Reg- 
lung gefunden haben, ist auch eine besondere Diszi- 
plinargerichtsbarkeit vorgesehen. Für die Notare 
ist sie nicht einheitlich für ganz Deutschland ge- 
ordnet, ebensowenig wie das Institut der Notare 
selbst; für Preußen s. die Gesetze vom 30. April 
1847 und 9. April 1879, sowie die Verordnung 
vom 25. April 1822. Auch die Standesdisziplin 
der Arzte hat neuerdings in Preußen eine gesetz- 
liche Reglung erfahren: Gesetz betreffend die ärzt- 
lichen Ehrengerichte usw. vom 25. Nov. 1899. 
Für die Offiziere als Stand kommen in Betracht 
die Verordnungen über die Ehrengerichte der Offi- 
ziere im preußischen Heer vom 2. Mai 1874, 
welche auf die Offiziere der übrigen Kontingente 
ausgedehnt ist, und der Offiziere in der kaiser- 
 
	        
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