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lichen Marine vom 2. Nov. 1875. Über die Diszi-
plin der Mitglieder des geistlichen Standes s. Sp.
1301. Verwandter Art ist die Disziplin regieren-
der und mediatisierter Fürstenhäuser über ihre
Mitglieder, welche in den Hausgesetzen geregelt
ist. — Die Disziplin über die Mitglieder parla-
mentarischer Vertretungskörper ist geregelt
in deren Geschäftsordnungen, über die Mitglieder
gemeindlicher Vertretungskörper in den Städte-
und Gemeindeordnungen. Von wirtschaftlichen
Körperschaften kennen eine besondere Disziplin
die Börsen nach den verschiedenen Börsenordnun-
gen; die Innungen selbständiger Gewerbetreiben-
der haben nach § 83 der Reichsgewerbeordnung
in der Fassung vom 26. Juli 1900 die Disziplin
über ihre Mitglieder im Innungsstatut zu regeln.
Einer Disziplin über ihre Angestellten be-
dürfen sodann große gewerbliche Unternehmungen,
private Eisenbahngesellschaften, Bergwerke, große
Fabriken. Sie findet ihren Ausdruck für die Ar-
beiter in den Arbeitsordnungen, für die Beamten
in den Dienstverträgen. Gegen Mißbräuche schützt
das staatliche Gericht, in manchen Fällen auch schon
die Einrichtung von Arbeiterausschüssen. Neuer-
dings hat man auch einzelne Fragen der Disziplin
in den Tarifverträgen zu regeln gesucht.
Von einer besondern öffentlich-rechtlichen Be-
deutung ist die Disziplin für die Beamten,
sowohl die staatlichen als die kirchlichen. — Der
staatliche Beamte übernimmt durch den Eintritt
in ein Staatsamt die Verpflichtung zu einer
Reihe einzelner Leistungen oder zur Wahrneh-
mung eines abgegrenzten Geschäftskreises in
Treue gegen das Staatsoberhaupt, dann aber
auch die Verpflichtung zu einem besonders ehren-
haften Wandel und zu standesmäßigem Verhalten
im Privat= und Dienstleben. Sowohl über die
Beobachtung der ersteren, der eigentlichen Amts-
pflichten, welche wesentlich einen juristischen In-
halt haben, als auch der letzteren, der Standes-
pflichten, welche gesellschaftlicher Natur sind, soll
die Disziplin wachen. Als Amtszucht erzwingt sie
die Amtspflicht sowie den Gehorsam gegenüber
den gesetzlichen Vorschriften und den dienstlichen
Befehlen der vorgesetzten Behörden; als Standes-
zucht verlangt sie die Wahrung der Ehre und des
Ansehens des Standes. Sie darf als solche Rück-
sicht nehmen auf die Eigenart und die Bedürfnisse
des Standes, sofern diese sich nicht geltend machen
im Gegensatz zur allgemeinen Rechtsordnung. Sie
soll aber auch Rücksicht nehmen auf die erhöhten
Anforderungen, welche das Verhältnis zu andern
Ständen an jeden rechtlich und gesellschaftlich aus-
gezeichneten Stand stellt. Daher zieht sie nicht
nur Handlungen und Unterlassungen vor ihre
Schranke, welche die kriminelle Strafgerichtsbar-
keit bereits abgeurteilt hat, sondern auch solche,
welche diese als nicht zu ihrer Zuständigkeit ge-
hörig unbeanstandet läßt.
Eine Frage von besonderer Wichtigkeit für die
heutige Zeit ist die: wieweit das politische Ver-
Disziplin usw.
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halten der Beamten unter die Disziplin fällt. Daß
jeder Beamte auch im politischen Leben eine seiner
amtlichen Stellung angemessene Haltung beobachten
muß, und daß ersich bei Geltendmachung seiner poli-
tischen Anschauungen mit Rücksicht auf sein Amt
eine gewisse Zurückhaltung auferlegen muß, deren
Grenze der eigene Takt zu finden hat, folgt an
und für sich aus dem Beamtenverhältnis und ist
auch nicht streitig. Dasselbe gilt ebensogut, wenn
ein Beamter seine Anschauungen im Sinn der
Regierung vertritt, als wenn er sich im Gegensatz
zu dieser befindet. Fürst Bismarck meinte sogar
am 5. März 1881 im Reichstag in Bezug auf
eine regierungsfreundliche Tätigkeit von Beamten:
„Ich teile die Meinung, daß es der Würde der
Beamten nicht entspricht, sich in Wahlkämpfe zu
mischen, namentlich in öffentlichen Reden“, was
wohl zu weit geht. Vielmehr hat sich die Frage
dahin zugespitzt, ob es für einen Beamten unzu-
lässig sei, bei den Wahlen seine Stimme gegen die
Regierung abzugeben, und ob der Beamte ver-
pflichtet sei, im politischen Leben die Anschauungen
und Bestrebungen der jeweiligen Regierung selbst-
tätig zu vertreten. Das Staatsrecht muß hier
einen Unterschied anbahnen zwischen den Regie-
rungsbeamten und den Wirtschaftsbeamten des
Staats. Die alte Theorie, welche aus der Pflicht
zur besondern Treue gegen den Landesherrn die
Pflicht herleitete, die Ansichten und Absichten der
obersten Diener desselben auch dann zu vertreten,
wenn sie mit der eigenen Überzeugung nicht über-
einstimmten, galt ursprünglich nur für diejenigen
Beamten, welche die obrigkeitlichen Funktionen
des Staats wahrnahmen, die also wegen der Ein-
heit der Staatsgewalt und im Interesse der Festig-
keit der Verwaltung notwendig an eine und die-
selbe Regel sich binden mußten. Die Regel konnte
nur von der allerhöchsten Stelle ausgehen, als
deren unmittelbare Beauftragte die Minister er-
schienen. Bei der theoretisch stets anzunehmenden
und auch praktisch meist zutreffenden Gleich-
mäßigkeit des absoluten landesherrlichen Willens
hatte diese Theorie weder etwas materiell noch
sittlich Herabwürdigendes, insofern ja jedem Be-
amten der Ausweg der Amtsniederlegung offen
blieb, wenn er im einzelnen Fall die Anforde-
rungen seiner vorgesetzten Behörde mit seinen
höheren Pflichten nicht in Einklang bringen konnte.
In diesem Sinn führte die preußische Verordnung
vom 11. Juli 1849 als Disziplinarvergehen die
„feindselige Parteinahme gegen die Staatsregie-
rung“ auf; in demselben Sinn ergingen noch 1858
und 1863 Erlasse der preußischen Minister des
Innern v. Flottwell und v. Eulenburg.
Seit der Trennung von Justiz und Verwal-
tung hat sich für die richterlichen Beamten
von selbst eine freiere Bewegung in ihrer poli-
tischen Stellungnahme herausgebildet, und zwar
im Anschluß an die allgemein gesichertere Lage
der Richter. Danach sind in zwei weiteren Be-
ziehungen wesentliche Anderungen eingetreten. Die