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festes Verfahren und bestimmte Bedingungen band.
In der preußischen Gesetzgebung ist das in
folgender Weise geschehen: Gewisse Dienstver-
gehen der Beamten sind als kriminelle Amts-
vergehen (s. d. Art.) den gewöhnlichen Straf-
gerichten überwiesen, und die Regierung muß die
Verfolgung derselben dem Staatsanwalt über-
lassen (s. R.St. G. B., 28. Abschnitt: Verbrechen
und Vergehen im Amte, 8§8 331/359). Im
übrigen werden die Beamten unterschieden in
richterliche und nicht richterliche. — Das Gesetz
vom 7. Mai 1851, betreffend die Dienstvergehen
der Richter usw., in Verbindung mit dem Gesetz
vom 9. April 1879, betreffend die Abänderung
von Bestimmungen der Disziplinargesetze, kennt
als Disziplinarstrafen Warnung, Verweis, Ver-
setzung in ein anderes Richteramt von gleichem
Rang, jedoch mit Verminderung des Dienst-
einkommens und Verlust des Anspruchs auf Um-
zugskosten, Geldbuße, endlich Dienstentlassung
mit Verlust des Titels und des ganzen oder teil-
weisen Pensionsanspruchs. — Der Anwendung
einer Disziplinarstrafe muß in allen Fällen eine
mündliche, jedoch nicht öffentliche Verhandlung
vorangehen. Disziplinargerichte sind in erster In-
stanz die Disziplinarsenate bei den Oberlandes-
gerichten mit sieben Richtern, und in zweiter
Instanz der große Disziplinarsenat beim Ober-
landesgericht in Berlin mit 15 Richtern. Sie
urteilen über einen Richter, welcher „1) die Pflich-
ten verletzt hat, die ihm sein Amt auferlegt;
2) sich durch sein Verhalten in oder außer dem
Amte der Achtung, des Ansehens und des Ver-
trauens, die sein Beruf erfordert, unwürdig zeigt“.
Die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung
kann nur durch einen Beschluß des Disziplinar-
gerichts erfolgen. Das Verfahren bei der Unter-
suchung und dem Urteil ist genau geregelt. Die
Versetzung eines Richters von einer Stelle auf
eine andere wider dessen Willen kann im all-
gemeinen nur geschehen, „wenn sie durch das Inter-
esse der Rechtspflege dringend geboten ist“, und
wenn ein Beschluß des großen Disziplinarsenats
erklärt, daß dieser Fall vorliege; sie findet stets
nur statt in ein anderes Richteramt von gleichem
Rang und Gehalt. Die Garantien für die Unab-
hängigkeit des Richterstands liegen nach diesem
Gesetz in der richterlichen Eigenschaft und lebens-
länglichen Anstellung der Mitglieder der Diszi-
plinarbehörden und in der genauen Bestimmung
der Disziplinargrundsätze und des Verfahrens.
Nach dem Gesetz vom 21. Juli 1852, betreffend
Disziplin ufw.
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Umzugskosten; 2) Dienstentlassung mit Verlust
des Titels und des ganzen oder teilweisen Pen-
sionsanspruchs. Gegen die Verfügung von Ord-
nungsstrafen, welche durch die Dienstvorgesetzten
geschieht, findet nur Beschwerde im vorgeschriebenen
Instamzenzug statt. Ein besonderes Beschwerde-
verfahren ist neuerdings für Selbstverwaltungs-
beamte gesetzlich eingeführt worden. Der Arrest
als Ordnungsstrafe gegen Unterbeamte ist überlebt
und sollte bei der in Aussicht genommenen Neu-
gestaltung des ganzen Disziplinarverfahrens besei-
tigt werden. Der Entfernung aus dem Amt muß
ein förmliches Disziplinarverfahren vorhergehen.
Disziplinarbehörden erster Instanz sind für die
höheren Beamten der Disziplinarhof zu Berlin,
für die übrigen die Provinzialbehörden, also
Regierungen, Provinzialschulkollegien, Provinzial-
steuerdirektionen, Oberbergämter usw. Der Disezi-
plinarhof in Berlin besteht aus elf Mitgliedern,
die auf drei Jahre ernannt werden und von denen
vier zu den Mitgliedern des Oberlandesgerichts
in Berlin gehören müssen. Gegen die Entscheidung
dieser erstinstanzlichen Gerichte steht die Berufung
an das Staatsministerium offen. Das Verfahren
ist genau geregelt. Außer den genannten, an feste
Regeln geknüpften Disziplinarstrafen hat die vor-
gesetzte Behörde noch Disziplinarmittel, die an
keine Voraussetzung geknüpft, auch keiner Berufung
oder Beschwerde unterworfen sind, unter Umstän-
1 den jedoch ebenso kräftig und dabei rascher wirken
als die eigentlichen Disziplinarstrafen. Es sind
folgende Verfügungen, „welche nicht Gegenstand
des Disziplinarverfahrens sind“ und „im Interesse
des Dienstes“ getroffen werden können: 1) Ver-
setzung wider Willen in ein anderes Amt von nicht
geringerem Rang und „etatsmäßigem“ Dienst-
einkommen mit Vergütung der reglementsmäßi-
gen Umzugskosten; 2) einstweilige Versetzung in
den Ruhestand mit Gewährung von Wartegeld
nach Maßgabe der Verordnungen vom 14. Juni
und 24. Okt. 1848; 3) gänzliche Versetzung in
den Ruhestand mit Gewährung der vorschrifts-
mäßigen Pension wegen Blindheit, Taubheit
oder sonstiger körperlichen Gebrechen oder wegen
Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte.
Für die Beamten des Reichs stellt das Reichs-
gesetz vom 31. März 1873 die einschlagenden
Grundsätze auf; dieselben sind den preußischen
im Grundriß analog, im einzelnen jedoch vielfach
abweichend, und zwar zugunsten einer größeren
Sicherung der Beamten. Am wichtigsten ist die
Zusammensetzung der Disziplinarbehörden. Diese
die Dienstvergehen der nicht richterlichen sind in erster Instanz die Disziplinarkammern,
Beamten bestehen die Disziplinarstrafen in Ord= bestehend aus sieben Mitgliedern, von denen der
nungsstrasen und Entfernung aus dem Amt. Die # Präsident und wenigstens drei andere Mitglieder
Ordnungsstrafen sind Warnung, Verweis, Geld= eine richterliche Stellung in einem Bundesstaat
buße, gegen Unterbeamte auch Arrest bis zu acht innehaben müssen; in zweiter Instanz der Diszi-
Tagen. Die Entfernung aus dem Amt kann plinarhof in Leipzig, bestehend aus elf Mitglie-
bestehen in: 1) Versetzung in ein anderes Amt dern, von denen wenigstens vier aus den Bevoll-
von gleichem Rang, jedoch mit Verminderung des mächtigten zum Bundesrat, der Präsident und
Diensteinkommens und Verlust des Anspruchs auf wenigstens fünf aus den Mitgliedern des Reichs-