Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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und Forsten bildeten einen Bestandteil der ordi- 
nary revenue; bieselben waren indessen so wenig 
umfangreich geworden, daß sie nur noch einen 
kleinen Teil des Gesamtbedarfs deckten, behielten 
aber die Bedeutung, daß sie unabhängig waren 
von der jährlichen Bewilligung. Es wurde so- 
dann zu einem Arrangement geschritten, durch 
welches bei dem Regierungsantritt eine Zivilliste 
festgesetzt wird an Stelle der „erblichen Einkünfte 
der Krone“, während die Verwaltung der Do- 
mänen nach und nach, seit 1760 immer vollstän- 
diger, in das Verwaltungssystem der Parlaments- 
regierung übergegangen ist. In Frankreich hat 
bereits eine ordonnance von 1566 die Unver- 
äußerlichkeit der Domänen ausgesprochen; ihr 
Charakter war der des dominium principis. Im 
Jahr 1790 wurde den neuen Verhältnissen ent- 
sprechend das Domänenwesen geregelt; der Cha- 
rakter wurde nun der der domaine de la nation. 
Unter den Gesamtbegriff fallen sowohl diejenigen 
Staatsgüter und fiskalischen Rechte, welche als 
Einnahmequellen anzusehen sind, domaine prive 
de I’Etat, als auch alle sonstigen öffentlichen 
Güter (Staatsgebäulichkeiten, Wege, Häfen usw.), 
welche als Untergruppe domaine public de lEtat 
genannt werden (Leroy-Beaulieu). 
In Deutschland hat sich das Domänen- 
wesen nicht sowohl im ganzen Reich als in den 
einzelnen Territorien entwickelt, daher trotz ge- 
wisser gleichartiger Grundsätze doch im einzelnen 
verschieden. Schon die fränkischen Könige haben 
ihren großen Grundbesitz durch Beleihungen und 
Schenkungen vermindert, so daß man schließlich 
kaum mehr von Reichsdomänen sprechen kann. 
Dieses Verhältnis trat aber nur nach und nach 
ein; manche Kaiser hatten das Bestreben, jede 
Gelegenheit zu neuem Erwerb zu benutzen; auch 
trat die Unterscheidung von Königsgut und Haus- 
gut hervor (Waitz VIII 289). Die späteren 
Landesherrin vereinigten mit ihrem ursprüng- 
lichen Familienbesitz den als Reichslehen mit den 
Reichsämtern ihnen übertragenen Grundbesitz und 
fanden dadurch in den einzelnen Territorien die 
Stütze für die Entwicklung ihrer Macht, welche sie 
zu immer größerer Selbständigkeit herausbildeten. 
Die deutschen Kaiser hatten allerdings schon früh 
das Bestreben, die Fürstentümer und Grafschaften 
ungeteilt zu erhalten und auch den Veräußerungen 
von Teilen derselben entgegenzutreten (darauf be- 
zügliche Konstitutionen Kaiser Friedrichs I. von 
1158, Friedrichs II. und Rudolfs I. zitiert bei 
Walter 1 263). Die Landesherren erscheinen in- 
dessen mit der Ausbildung der Landeshoheit 
immer mehr als vom Reich unabhängige Eigen- 
tümer und wußten durch Erwerbungen mannig- 
facher Art sowie durch Ausnutzung der Regalien 
ihre Einnahmen zu erhöhen. Es lag ihnen ob, 
aus den Einkünften die landesherrliche Familie 
zu unterhalten, die Kosten der Landesregierung 
und ihre Abgaben an das Reich zu bestreiten. Wo 
die Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht 
Domänen. 
  
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ausreichten, mußten die Landesherren in der Zeit 
der ständischen Verfassung von den Landständen 
die Bewilligung weiterer Mittel zu erlangen 
suchen. Aus diesem Verhältnis folgte, nicht ohne 
Kampf, in allen deutschen Staaten, allerdings 
weder gleichzeitig noch gleichartig, der Begriff der 
Domänen als Staatsgut und damit eine Einwir- 
kung der Stände auf die Verwaltung derselben 
sowie das Verbot eigenmächtiger Veräußerung. 
Die absolutistische Zeit identifizierte die Person 
des Fürsten mit dem Staat, eine Anschauung, 
welche auch hinsichtlich des Staatsbesitzes die ent- 
sprechenden Folgen haben mußte, während die 
neuere Zeit wiederum die Trennung sowohl in 
staatsrechtlicher als auch in vermögensrechtlicher 
Hinsicht mit sich brachte. Die Auseinandersetzung 
zwischen dem Staatsbesitz als solchem und dem- 
jenigen Anteil, welcher als Privatbesitz der fürst- 
lichen Häuser angesehen wurde, hat eine ganze 
Literatur von Streitschriften hervorgerufen. 
In Preußen sind die Domänen schon früh 
als eigentliche Staatsgüter angesehen worden. 
Auch die wirklichen Patrimonialgüter sind Staats- 
güter geworden, teils durch Wechsel der Dynastien 
teils dadurch, daß die Landstände die verpfändet 
oder verkauft gewesenen derartigen Güter ein- 
gelöst, zurückgekauft oder das Geld dazu bewilligt 
hatten (Beispiele aus dem 16. Jahrh. bei Rönne, 
Staatsrecht). Die Herrscher selbst unterstützten 
die Auffassung der Domänen als Staatsgüter. 
Schon unter dem Großen Kurfürsten wurden die 
Einkünfte aus Kammergütern und den Privat- 
gütern des Regenten gemeinschaftlich vereinnahmt. 
Zur „Schatullkasse“, d. h. für die persönlichen 
Ausgaben des Herrschers, wurden nicht die Ein- 
künfte bestimmter Güter abgeführt, sondern ein 
bestimmter Teil der gesamten Einnahmen; 1713 
wurde der Unterschied zwischen Schatull= und son- 
stigen Domänengütern gänzlich aufgehoben und 
die Unveräußerlichkeit derselben festgesetzt. Das 
Allgemeine Landrecht beruht in seinen Bestim- 
mungen auf derselben Anschauung. Im Jahr 
1810 wurden die bei Gelegenheit der Säkulari- 
sation eingezogenen Güter von da ab als „Staats- 
güter“ erklärt, und auch die Bezeichnung „landes- 
herrliche Domänen“ wird ausdrücklich gleichzeitig 
von den als „Staatseigentum“ hingestellten 
Gütern gebraucht. Die Verwendung der Ein- 
künfte aus den Domänen soll lediglich im Inter- 
esse des Staats stattfinden, insbesondere auch teils 
für das Staatsoberhaupt (7 500 000 A0 teils für 
allgemeine Staatszwecke. Daneben haben der 
Landesherr und seine Familie Güter, welche unter 
Verwaltung der Hofkammer stehen und den Cha- 
rakter von Privatbesitz haben. Durch eine Ver- 
ordnung vom 17. Jan. 1820, das Staats- 
schuldenwesen betreffend, wurde bestimmt, daß für 
die sämtlichen Staatsschulden mit dem gesamten 
damaligen Vermögen oder Eigentum des Staats 
und insbesondere mit den sämtlichen Domänen 
und Forsten usw. garantiert werde; diese Ver-
	        
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