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Schwierigkeiten gemindert wurden. Man hat aller-
dings auch volkswirtschaftliche Gründe dafür gel-
tend gemacht; der Schwerpunkt aber lag in den
augenblicklichen finanziellen Bedürfnissen. Jo-
seph II. hat mit umfassenden Domänenverkäufen
begonnen. Die Staatsgüter sollen vor ihrem Ver-
kauf nicht einmal 2% des erzielten Kausschillings
eingebracht haben, also nach dem damaligen Zins-
fuß nur den dritten Teil der Zinsen des Kaufgelds.
Kaiser Franz ordnete 1810 die lizitationsweise
Veräußerung eines großen Teils der Staatsgüter
an. Der Kaufpreis konnte in Bankzetteln gezahlt
werden. Diese wurden sodann getilgt und dadurch
eine Verminderung der großen Masse dieses
Papiergeldes erzielt. Nachdem 1811 der Verkauf
geistlicher Güter zur Tilgung des Papiergeldes
verfügt worden war, erfolgte auch, unter einer
gewissen Entschädigung, die Einziehung und der
Verkauf der sog. Advokatien, d. h. der in Galizien
an Private zu lebenslänglichem Genuß übergebenen
Staatsgüter zum gleichen finanziellen Zweck. Die
Not der Zeit hatte dabei zu überstürzten Verkäufen
geführt; der Erlös war ein verhältnismäßig ge-
ringer, die gesamte finanzpolitische Wirkung hin-
sichtlich der Herabminderung des Papiergeldes
wurde durch die Kosten der nachfolgenden Kriege
wieder aufgehoben. Seit dem Jahr 1817 (Patent
vom 22. Jan.) wurde zugunsten des Staats-
schuldentilgungsfonds ein geregelter Domänen=
verkauf eingeleitet und von 1818 bis 1846 im
ganzen 37 155242 Gulden daraus erlöst. In-
folge des Gesetzes von 1868 waren (nach Kono-
päsek) bis 1880 für 15 Millionen Gulden Do-
mänen, darunter auch Staatsforsten, verkauft.
Heute besitzt Osterreich etwa 1,02 Mill. ha Staats-
besitz, der aber meist aus Forsten und Unland be-
steht, nur etwa 6 % sind landwirtschaftlich benützt
(Alpen, Weiden). Der Religionsfonds zählt
325 000 ha, darunter 54 000 ha nutzbares Land.
4. Die Verwaltung. Man trifft am frühe-
sten die Führung der Wirtschaftsverwaltung durch
Beamte des Staats, die sog. Regie. Diese war
wohl allgemein in den Zeiten, da die Natural-
wirtschaft vorherrschte. Es möge erinnert werden
an die Verhältnisse der fränkischen Königszeit, da
unmittelbar die Erträge der Krongüter zum Unter-
halt der wechselnden Hoflager abgeliefert wurden.
Seit dem 17. und 18. Jahrh. kam dagegen durch-
weg das System der Zeitpacht in Deutschland zur
Anwendung (Angaben über Einzelheiten bei Ro-
scher, Finanzwissenschaft). Ein Zwischenglied zwi-
schen Regie und Zeitpacht bildet die sog. Gewährs-=
verwaltung, bei welcher der Verwalter verpflichtet
ist, einen Mindestbetrag abzuliefern, und vom
Ülberschuß der Einnahmen sodann noch einen ver-
hältnismäßigen Anteil als Zulage zu seinem Ge-
halt bekommt. Dieses System scheint nur vorüber-
gehend zur Anwendung gekommen zussein. Zwischen
Zeitpacht und Eigentumsübertragung liegt das
System der Erbpacht, welches finanziell der Ver-
Domänen.
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vielfach in Deutschland zur Anwendung kam, um
unter Zerschlagung großer Domänen eine Ver-
mehrung des Bauernstandes herbeizuführen. In
dem neueren Verpachtungssystem wird die Frage
erörtert, ob Verpachtung unter der Hand oder
öffentliche, meistbietende Verpachtung den Vorzug
verdiene. Richtig scheint zu sein meistbietende Ver-
pachtung mit Vorbehalt des Zuschlags, wodurch
einerseits das finanzielle Interesse des Staats ge-
wahrt, die Kontrolle über die Unparteilichkeit der
ausführenden Beamten besser gesichert, anderseits
aber die Auswahl unter den Pächtern nach ihrer
Befähigung und Zuverlässigkeit, sowie die Berück-
sichtigung der früheren Pächter ermöglicht wird.
Die Grundlage für die Gebote sollte ein nach ge-
nauer Prüfung aufgestelltes Pachtminimum sein.
Es möge noch bemerkt werden, daß sowohl zu
hohe als zu niedrige Pachtschillinge zu vermeiden
sind. Erstere führen leicht zum finanziellen Ruin
des Pächters und damit zur Schädigung des
Pachtguts; letztere benachteiligen die Staatskasse
unmittelbar, außerdem verleiten sie die Pächter
leicht zu nachlässiger Wirtschaft. Die Größe der
einzelnen Pachtgüter sollte man nicht zu hoch
greisfen und namentlich Riesenverpachtungen an
sog. Generalpächter, welche dann wieder Unter-
verpachtungen eintreten lassen, nicht zur An-
wendung bringen. Alles, was vorstehend über die
Verpachtung gesagt ist, gilt nur von den zu den
Domänen gehörigen Feldgütern, während die
Staatsforsten durchweg in der eigenen Verwal-
tung des Staats verbleiben müssen. Es liegt dies
in der Natur der Forstwirtschaft mit ihren ein
Menschenalter in der Regel weit überschreitenden
Umtriebszeiten.
5. Frage der Veräußerung im allgemeinen.
Die Domänen in volkswirtschaftlicher Hinsicht.
— Nicht nur vom rein finanziellen Standpunkt
aus, sondern auch im Interesse der Volkswirtschaft
hat man gegen die Domänen Bedenken aus-
gesprochen, wenn man auch nicht irren wird, daß
diese theoretischen Auseinandersetzungen zum Teil
diktiert sind von demjenigen Verfahren, zu welchem
man aus finanziellen Notständen sich gedrängt sah.
Adam Smith sagt: „Die Einkünfte aus Kron-
ländereien scheinen zwar den einzelnen nichts zu
kosten, kosten aber in Wahrheit das Volk mehr als
vielleicht irgend eine andere Staatseinnahme von
gleichem Betrag“ (Übersetzung von Stöpel). Es
liege daher, meint Smith, im Interesse der Na-
tion, diese Einnahme durch eine andere gleichhohe
zu ersetzen und die Ländereien an Privatbesitzer zu
verkaufen. Freiherr v. Stein spricht an der oben
angeführten Stelle die Ansicht aus, daß „eine
verständige Staatswirtschaft längst darüber ent-
schieden habe, daß die Veräußerung der Domänen
in Rücksicht auf den Nationalwohlstand eine wohl-
tätige Operation“ sei, und sagt: „Die Güter-
kultur ist in den Ländern am blühendsten, in denen
es keine Domänen gibt.“ Diese Anschauung hat
äußerung fast gleichkommt, im 18. Jahrh. aber wohl die richtige Grundlage, daß in Ländern, wo