Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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ehemals reichsständischer Familien, auf welche 
Artikel 14 der Bundesalte Anwendung findet“ 
(Hermann Schulze, Lehrb. des deutschen Staats- 
rechts I [1881] 218, der in seinem historischen 
Exkurs über die Entstehung der Ebenbürtigkeit 
ebenfalls das Kriterium des hohen Adels in 
Landeshoheit und Reichsstandschaft sieht. Eine 
gesetzliche Reglung der Ebenbürtigkeitsverhält- 
nisse hat nie stattgefunden. Alles beruht auf 
dem Herkommen der reichsständischen Häuser. 
Durch die Auflösung des Reichs im Jahr 1806 
wurde der hohe Adel Deutschlands in zwei 
Gruppen geteilt, in die regierenden Dynastien 
der deutschen Einzelstaaten, welche die Landes- 
hoheit bis heute bewahrt haben, und in die große 
Zahl der sog. mediatisierten Häuser, die ehemals 
reichsständischen und landesherrlichen, „im Jahr 
1806 und seitdem mittelbar gewordenen“ (Bun- 
desakte Art. 14), d. h. ihrer Landeshoheit be- 
raubten fürstlichen und gräflichen Häuser. Und 
dieser Art. 14 der Bundesakte vom 10. Juni 
1815 bestimmte, daß „diese fürstlichen und gräf- 
lichen Häuser fortan nichtsdestoweniger zu dem 
hohen Adel in Deutschland gerechnet werden und 
ihnen das Recht der Ebenbürtigkeit in dem bisher 
damit verbundenen Begriff verbleibt“. In Ge- 
mäßheit dieser Bestimmung sind gemeinrechtlich 
folgende Ehen der Glieder regierender Fürsten- 
häuser als unzweifelhaft ebenbürtige zu betrachten: 
1) in Deutschland selbst a) alle Ehen, welche 
die regierenden Häuser untereinander schließen, 
ohne Rücksicht auf den höheren oder niederen Titel 
und Rang des Hauses, b) alle Ehen mit den 
mediatisierten Häusern; 2) außerhalb Deutsch- 
lands alle Ehen mit Gliedern auswärtiger christ- 
licher regierender Familien, soweit dieselben im 
gleichberechtigten völkerrechtlichen Verkehr mit- 
einander stehen. 
„Das so festgestellte Ebenbürtigkeitsprinzip 
des gemeinen deutschen Fürstenrechts hat aber 
nicht den Charakter eines absoluten Rechts; viel- 
mehr kann jedes Fürstenhaus ein anderes Eben- 
bürtigkeitsprinzip durch Observanz oder Haus- 
gesetz feststellen.“ Die alten strengen Grundsätze 
über Ebenbürtigkeit hielten stets fest das Haus 
Osterreich, Preußen (kraft ausdrücklicher Er- 
klärung wie nach bestimmter Familienobservanz 
(Hermann Schulze, Preußisches Staatsrecht 1 
11872) 186 f; Lehrb. des deutschen Staats- 
rechts I 218 ff), ebenso Bayern (val. hierüber 
M. v. Seydel, Bayr. Staatsrecht 1 (21895) 
192), Sachsen in allen Linien, Braunschweig, 
Württemberg (eine genauere Feststellung des Be- 
griffs Ebenbürtigkeit ist durch das kurfürstliche 
Hausgesetz vom 13.Dez. 1803 erfolgt (vgl. v. Sar- 
wey, Das Staatsrecht des Königr. Württem- 
berg 1 (1883] 43 ff., der die von einigen be- 
strittene Geltung dieses Gesetzes verteidigt). Nach 
Sarwey sind als ebenbürtig „diejenigen Ehen zu 
betrachten, welche Mitglieder des königl. Hauses 
Württemberg entweder unter sich abschließen oder 
Ebenbürtigkeit. 
  
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mit Mitgliedern eines andern regierenden Hauses 
oder eines Hauses, welches ein Recht zur Regie- 
rung früher besessen und nur durch gewaltsame 
Besitzentsetzung verloren hat, oder mit vollberech- 
tigten (ebenbürtigen) Mitgliedern solcher Häuser, 
welchen laut Art. 14 der Deutschen Bundesakte 
das Recht der Ebenbürtigkeit in dem bisher damit 
verbundenen Begriff zugestanden ist. Dies sind 
die im Jahr 1806 und seitdem mittelbar gewor- 
denen reichsständischen, fürstlichen und reichsgräf- 
lichen Häuser, welche zu dem hohen Adel Deutsch- 
lands gezählt werden.“ Demnach sind Familien, 
welche nicht zu den Regentenfamilien gehören und 
denen nicht im Sinn des Art. 14 der Bundesakte 
die Ebenbürtigkeit garantiert wurde, welchen Titel 
sie auch führen mögen, unebenbürtig. 
„Jede an sich nicht ebenbürtige Ehe kann durch 
den hinzutretenden Konsens der sukzessionsberech- 
tigten Agnaten in eine ebenbürtige verwandelt 
werden. Der Konsens des regierenden Herrn 
allein reicht nicht aus, weil es sich um wohl- 
erworbene agnatische Rechte handelt.“ „Die Eben- 
bürtigkeit eines fürstlichen Kindes kann immer nur 
nach den Grundsätzen beurteilt werden, welche in 
dem Fürstenhaus gelten, welchem das Kind nach 
seiner Geburt angehört.“ Somit ist „die Eben- 
bürtigkeitsfrage eine Hausangelegenheit jedes 
Fürstenhauses, dessen Agnaten jetzt das einzige 
Forum für ihre Entscheidung bilden“ (Hermann 
Schulze, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts 1 
224). Für das bayrische Staatsrecht lehnt jedoch 
M. v. Seydel (Bayr. Staatsrecht 1 192) diesen 
gemeinrechtlich geltenden Satz ab; er vertritt die 
Ansicht, daß es sich bei Anerkennung der an sich 
unebenbürtigen Ehe eines Mitglieds des könig- 
lichen Hauses als ebenbürtige nicht um ein Ab- 
kommen über persönliche gegenseitige Rechtsver- 
hältnisse, sondern um einen Akt der Gesetzgebung 
handelt, da an die Stelle der geltenden allge- 
meinen Rechtsvorschrift eine besondere Rechtsvor- 
schrift für einen einzelnen Fall gesetzt werde; so- 
mit werde also diese letztere nur in der Form zu- 
stande kommen können, welche für Abänderung 
der ersteren notwendig sei, d. h. in der Form des 
verfassungsändernden Gesetzes. Anders liegt der 
Fall, wenn es sich nicht „um die Erhebung einer 
unebenbürtigen Ehe zur ebenbürtigen, sondern um 
eine Entscheidung auf Grund des geltenden 
Rechts darüber handelt, ob eine Ehe eben- 
bürtig sei. Hierfür ist allein der König zuständig, 
aber nicht als Gesetzgeber, sondern als Richter 
auf Grund des Titels X, § 2 des Familien- 
statuts, wonach er über persönliche gerichtliche An- 
gelegenheiten der Mitglieder des königlichen Hauses 
urteilt“ (v. Seydel a. a. O. 192). · 
Der Satz, daß der Konsens der Agnaten die 
Unebenbürtigkeit beheben kann, ist in Baden prak- 
tisch geworden. Durch Akte vom 10. Sept. 1806 
hat Großherzog Karl Friedrich mit Zustimmung 
der sukzessionsberechtigten Agnaten seinen aus der 
Ehe mit Freifräulein Luise Geyer von Geyers-
	        
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