Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

1381 
tus und Unterricht; 4) Finanzen; 5) Heer und 
Marine. 
Behufs der innern Verwaltung zerfällt das 
Land in 16 Provinzen mit je einem Gouverneur 
und das Territorium der Galapagos-Inseln. Die 
richterliche Gewalt übt der höchste Gerichtshof, 
dessen Richter durch den Kongreß auf sechs Jahre 
gewählt werden; unter ihm stehen 6 Ober-, 33 
Provinzial= und Städte- und zahlreiche Parochial- 
gerichte für Landgemeinden. 
4. Staats religion ist die römisch-katholische; 
doch herrscht im Volk große Toleranz gegen Anders- 
gläubige. Bald nach seiner Entdeckung wurde das 
Land christianisiert und schon 1545 das Erzbistum 
Quito begründet. Schwierig war das Bekehrungs- 
werk unter den Indianern an den Zuflüssen des 
Amazonenstroms, wo die Dominikaner zahlreiche 
Niederlassungen anlegten, welche die wilden Jiva- 
ros schon 1599 wieder vollständig vernichteten. 
Die Dominikaner nahmen jedoch ihr Werk später 
wieder auf. Ihnen leisteten seit 1631 die Jesuiten 
Hilfe, welche seit 1596 in Quito ansässig waren. 
Gegen Ende des 17. Jahrh. waren im größten 
Teil von Ost-Ecuador Missionen errichtet; allein 
nach der Vertreibung der Jesuiten (1767), die 
allein am Napo 33 Niederlassungen mit 100000 
Seelen besaßen, waren die Dominikaner nicht 
mehr imstande, sie zu unterhalten; die Indianer 
fielen wieder in den alten Zustand des Heidentums 
und der Barbarei zurück, und die Revolution 
fegte beinahe jede Spur einer fast 200jährigen 
mühevollen Arbeit weg. — Ecuador bildet seit 
1848 eine eigene Kirchenprovinz mit dem Erz- 
bistum Quito und den 6 Suffraganbistümern 
Cunenca, Loja, Guayaquil, Riobamba, Ibarra und 
Porto Viejo. Die Bevölkerung ist durchgehends 
katholisch mit Ausnahme weniger Fremden und 
der heidnischen Indianer im Osten. Kennzeichnend 
für die religiös-sittlichen Zustände des Landes 
sind die Verhältnisse, die der neue Bischof von 
Porto Viejo, Msgr. Schumacher, dort 1885 vor- 
fand. Die meisten einheimischen Priester, die er 
antraf, mußte er suspendieren oder durch euro- 
päische ersetzen, so gut es ging, und dem Land 
mußte ein neuer Priesterstand erst herangebildet 
werden. Dementsprechend war die religiös-sitt- 
liche Erziehung des Volkes. Die Revolution Al- 
faros im Jahr 1895 setzte die kirchlichen Verhält- 
nisse einer schweren Erschütterung aus. 
Dem Unterricht, der früher ganz vernach- 
lässigt war, widmete Garcia Moreno seine beson- 
dere Aufmerksamkeit; er berief Jesuiten, Lazaristen, 
Schulbrüder und Schulschwestern und erneuerte 
mit Hilfe der geistlichen Behörden die schon im 
Land befindlichen Ordensgemeinden für diesen 
Zweck. In QOunito schuf er eine Mädchenschule 
mit Waisenhaus (Schwestern von der göttlichen 
Vorsehung), ein Mädchenpensionat für höhere 
Stände (Schwestern vom heiligsten Herzen), eine 
Bildungsanstalt für junge Handwerker und ein 
musikalisches und artistisches Konservatorium. Das 
Ecuador. 
  
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Priesterseminar kam unter die Leitung deutscher 
Lazaristen, und eine besonders segensreiche Tätig- 
keit entfalteten die Jesuiten. 1869 hob Moreno 
die heruntergekommene Universität (1586 von den 
Jesuiten begründet) zeitweilig auf, um sie bald 
darauf mit veränderten Institutionen wieder ins 
Leben zu rufen; die medizinische Fakultät und be- 
sonders die neu geschaffene polytechnische Schule, 
die er fast ausschließlich mit deutschen Jesuiten 
(9, darunter die PP. Dressel und Kolberg) be- 
setzte, wurden mit vorzüglichen wissenschaftlichen 
Sammlungen aufs reichste ausgestattet. Morenos 
besondere Fürsorge galt der geistigen und sittlichen 
Hebung der seit Jahrhunderten herzlos unterdrück- 
ten Indianer, wobei er allerdings wenig Verständ- 
nis und noch weniger Unterstützung bei der übrigen 
Bevölkerung fand. Sein Tod hemmte den Ent- 
wicklungsgang des mühsam Geschaffenen: die 
polytechnische Schule löste sich nach sechsjährigem 
Bestehen auf; die Jesuiten gaben teils gezwungen 
teils freiwillig ihre Unterrichtstätigkeit an den 
höheren Schulen auf, und die Universität geriet 
bald wieder in Verfall. Gegenwärtig zählt man 
in Ecuador eine Universität (Quito) nebst deren 
Anhängseln in Cuenca und Guayaquil, 9 höhere 
und gegen 1100 Elementarschulen. 
5. Der wichtigste Erwerbszweig ist der Acker- 
bau. Im Tiefland an der Küste und in den 
Flußtälern des Ostens gedeihen alle Gewächse 
der heißen Zone (Kakao, Zuckerrohr, Reis, Kaffee, 
Bananen usw.), weiter hinauf Getreide und die 
meisten Gewächse des gemäßigten Klimas; doch 
kommt für die Ausfuhr nur Kakao in Betracht, 
daneben etwas Kaffee und in geringer Menge 
Tabak. Auf den Hochebenen, wo der Boden nur 
als Weide benutzt werden kann, wird Rindvieh 
in großen Herden gezüchtet und viel Käse bereitet. 
Die Urwälder liefern Kautschuk, Sarsaparille, 
Honig, Wachs, Kanel und für die Ausfuhr 
Tagua-(Elfenbein-)Nüsse und besonders China- 
rinde. Die Flüsse sind reich an Fischen, und an 
den Küsten finden sich Austern, Krebse, Hummern 
und Schildkröten in großen Mengen. 
Trotz dieser Fülle von Rohprodukten steht die 
Industrie auf niedriger Stufe, und bei dem 
Mangel an Unternehmungsgeist in der Bevölke- 
rung müssen beinahe alle Gegenstände für die 
Haushaltung und Begquemlichkeit zu stark ge- 
steigerten Preisen aus Europa bezogen werden. 
Erwähnenswert ist die Herstellung von groben 
wollenen und baumwollenen Geweben, Sattel- 
decken, Geflechten aus Palmstroh (Panamahüte 
für die Ausfuhr), Hängematten und Seilerwaren 
aus Agabefasern. 
Trotz der günstigen Lage des Landes zwischen 
dem Ozean und dem Amazonenstrom ist der 
Handel unbedeutend. Die Einfuhr, welche 
hauptsächlich in Woll-, Baumwoll= und allerlei 
Manufakturwaren, in Wein und Mehl besteht, 
betrug 1905: 15733891 Sucres (zu 2 M), die 
Ausfuhr 18565668 Sucres. Die vorzüglichsten 
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