Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Fall seiner Nichtzuständigkeit an die römische Be- 
hörde weitergibt. Die römischen Dispens- 
reskripte gewähren die Dispens meist nicht 
als vollzogenen Gnadenakt (in korma gration 
sondern in forma commissoria, d. h. so, daß 
der Ordinarius beauftragt wird, die Dispens zu 
vollziehen (kulminatio), nachdem er die Erfüllung 
der in dem Resfkript enthaltenen Dispens- 
klauseln geprüft hat. 
Auch nach dem deutschen bürgerlichen Recht 
kann von einigen Ehehindernissen dispensiert 
werden. Die Bewilligung dieser Befreiung steht 
dem Bundesstaat zu, dem der Ehegatte an- 
gehört, dessen Person das Ehehindernis anhaftet. 
Die zuständige Behörde wird von der Landes- 
regierung bestimmt. Für Deutsche, die keinem 
Bundesstaat augehören, 9 der Reichskanzler zu- 
ständig (B. G. B. 81 
2. Die ehrne n einzelnen. 
A. Die trennenden Ehehindernisse: 
a) Die Eheunmündigkeit (impedimentum 
aetatis impuberis). Zur Eingehung der Ehe 
ist nicht nur die entsprechende geistige Reife, son- 
dern nach positivem Kirchenrecht auch die Ge- 
schlechtsreife der Eheschließenden erforderlich. Diese 
wird aber für die römisch-rechtliche Altersstufe der 
Pubertät, d. h. das vollendete 14. Lebensjahr beim 
männlichen und das vollendete 12. Jahr beim 
weiblichen Geschlecht unwiderleglich vermutet, so 
daß also die wirkliche Geschlechtsreife noch fehlen 
kann, wofern nur jenes Alter erreicht ist und nicht 
das Hindernis der Impotenz vorliegt. Anderseits 
genügt aber zur Gültigkeit auch die tatsächlich 
früher eingetretene Mannbarkeit (malitia supplet 
aetatem). Das Hindernis erlischt naturgemäß 
mit der Zeit von selbst. Auch kann der Papst 
von ihm dispensieren, wenn wenigstens die 
nötige geistige Reife vorhanden ist. — Das 
B.G.B. (8 1303) verlangt zur Ehemündigkeit 
ein höheres Alter, nämlich beim Mann Voll- 
jährigkeit (§8 2, 3), also regelmäßig Vollendung 
des 21. Lebensjahrs, bei der Frau Vollendung 
des 16. Lebensjahrs. Doch ist die Eheunmündig- 
keit nur ein aufschiebendes Hindernis. Einer 
Frau kann Dispens bewilligt werden. 
b) Geschlechtliches Unvermögen, das 
Ehenichtigkeit zur Folge hat (impedimentum im- 
potentiae), besteht in der bei der Eheschließung 
vorhandenen dauernden unheilbaren Unfähigkeit 
zu der zum Zeugungsakt erforderlichen geschlecht- 
lichen Vereinigung. Bloße Unfruchtbarkeit sällt 
also nicht darunter. Absolute Impotenz bildet ein 
Hindernis für jede Ehe, relative nur für die mit 
der betreffenden Person. Kenntnis der Impotenz 
bei Eingehung der Ehe hebt ihre irritierende Wir- 
kung nicht auf. Eine nach Eingehung der Ehe 
eintretende Impotenz hat auf deren Bestand keinen 
Einfluß. Die ohne Lebensgefahr heilbare ist der 
unvermögende Gatte zu beseitigen verpflichtet. Das 
Hindernis ist ein naturrechtliches und deshalb in- 
dispensabel. Das manchmal gestattete, in der alten 
Ehe und Eherecht. 
  
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Kirche sogar verlangte weitere Zusammenleben 
Impotenter, aber wie Bruder und Schwester, 
lroct nicht gihen, sondern für die Nichtigkeit der 
Ehe. — Im B.G.B fehlt das Hindernis der Im- 
potenz; sie kann aber unter Umständen mittels 
der Anfechtungsklage wegen wesentlichen Eigen- 
schaftsirrtums (§ 1333) geltend gemacht werden. 
c) Einebestehende Ehemacht eine von dem 
Ehegatten versuchte andere Eheschließung nichtig 
(impedimentum ligaminis), auch wenn beide 
oder einer der Kontrahenten bona fide handeln. 
Anderseits hindert mala fides die Gültigkeit der 
neuen Ehe nicht, wenn die erste Ehe tatsächlich 
ungültig oder gelöst ist. Ist die bestehende Ehe 
nichtig, so müssen die Gatten mit einer neuen 
Eheschließung warten, bis sie auch für nichtig er- 
klärt ist. Das Hindernis, das auf dem mono- 
gamischen Charakter der Ehe beruht, ist indispen- 
sabel und wird nur durch die Lösung des bestehen- 
den Ehebandes, also regelmäßig nur durch den 
Tod eines der Ehegatten, gehoben. Eine vom 
Ehegericht ausgesprochene Todeserklärung allein 
genügt nicht; ist sie irrig, so ist die neue Ehe un- 
gültig und muß zugunsten der ersten wieder auf- 
gegeben werden. Ebenso ist es im Fall einer 
irrigen Richtigkeitserklärung. — Auch nach dem 
B.G.B. (8 1326) ist eine Ehe nichtig, wenn 
einer der Ehegatten zur Zeit der Eheschließung 
mit einem Dritten in einer gültigen Ehe 
lebte. Ebenso ist eine nichtige Ehe so lange 
ein aufschiebendes Hindernis, bis sie aufgelöst 
oder für nichtig erklärt ist. Auch dann ist die Ein- 
gehung einer neuen Ehe unerlaubt, wenn gegen 
die Scheidung oder Nichtigkeitserklärung der 
früheren Ehe fristgerecht die Nichtigkeits= oder die 
Restitutionsklage erhoben, der Rechtsstreit aber 
noch nicht erledigt ist (§ 1309). Der Irrtum in 
der Todeserklärung des ersten Ehegatten macht die 
neue Ehe nur dann nichtig, wenn beide Ehe- 
schließenden den Irrtum kannten; sonst ist die 
Ehe nur anfechtbar (8§ 1348, 1350). Ist die 
Todeserklärung fristgerecht durch Klage angefoch- 
ten, so muß eine neue Ehe bis zur Erledigung des 
Rechtsstreits aufgeschoben werden (§ 1349). 
4) Das trennende Hindernis des feierlichen 
Gelübdes oder des Ordensstands (impecdi- 
mentum voti sollemnis oder professionis re- 
ligiosae) beruht auf der Ablegung der drei feier- 
lichen Gelübde in einem eigentlichen kirchlichen 
Orden. Dieselbe Wirkung haben auf Grund 
päpstlichen Privilegs die einfachen Gelübde der 
Jesuiten, solange sie Mitglieder der Gesellschaft 
sind. Da die irritierende Kraft des Hindernisses 
nur aus kirchlichem Recht entspringt, so kann der 
Papst von ihm dispensieren. Die Gelübde der 
Jesuiten erlöschen auch durch rechtmäßige Ent- 
lassung aus dem Orden. — Die deutsche Reichs- 
gesetzgebung hat das Ehehindernis für das bürger- 
liche Recht abgeschafft. 
e) Die höhere Weihe, d. h. die Weihe des 
Subdiakonats, des Diakonats, des Presbyterats
	        
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