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sprochen wird. Die besten Schutzmittel verfassungs-
mäßiger Normen sind nun allerdings die Recht-
lichkeit, das sittliche Bewußtsein und die getreue
Pflichterfüllung der Staatsangehörigen. Indessen
verschmähen es auch die modernen Verfassungen
nicht, zur Befestigung wichtiger Rechtsverhältnisse
die sonst wenig berücksichtigten, tatsächlich aber
vorhandenen religiösen Vorstellungen und Über-
zeugungen zu Hilfe zu nehmen. So wird denn
auch unter den sog. staatsrechtlichen Garantien
(s. diesen Art.) der (promissorische) Eid angewendet,
und zwar vor allem als Eid des Staatshaupts,
das in vielen Staaten, auch Republiken, nach der
Verfassung zu herrschen gelobt, sodann als Eid
des den Herrscher Vertretenden, also des Regenten
oder Regierungsverwesers, ferner als Eid der Ab-
geordneten und Volksvertretungen, als Eid der
Staatsbeamten, in deren Diensteid regelmäßig auch
die Beobachtung der Verfassung erwähnt ist, end-
lich — wo ein solcher üblich — als allgemeiner
Staatsbürgereid.
Vielen Verfassungsurkunden zufolge schwört das
Staatshaupt meist vor der Volksvertretung oder
in bestimmter (s. unten) feierlicher Versammlung,
nach der Verfassung zu herrschen, und einige fügen
hinzu: die Gesetze zu beobachten. Die Art und
Weise der Ablegung des Versprechens seitens des
Thronfolgers ist mannigfach geordnet. Die
Bestimmungen finden sich in den Verfassungs-
urkunden, zumeist in dem Abschnitt, wo von den
sog. Garantien (s. diesen Art.) der Verfassung
die Rede ist. Die Verfassungen verlangen ent-
weder ausdrücklichen Eid (Gelöbnis), oder sie be-
gnügen sich mit der Übergabe einer Versicherungs-
urkunde oder mit einer entsprechenden Zusicherung
im Regierungsantritts= oder Besitznahmepatent.
Für ersteren sind zu vergleichen die Verfassungen
von Preußen, Bayern, Sachsen, Reuß älterer Linie;
für beide letztere Fälle: Württemberg, Hessen,
Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen,
Schwarzburg-Sondershausen, Sachsen-Coburg
und Gotha, ferner (im Besitznahmepatent) Olden-
burg, Braunschweig, Waldeck, Schwarzburg-Nu-
dolstadt. Die Verfassung von Reuß jüngerer Linie
(1852) verlangt ebenfalls die Ausstellung einer im
Landtagsarchiv zu bewahrenden Versicherungs-
urkunde, enthält jedoch keine nähere Ubergabe-
bestimmung. In der sachsen-altenburgischen Ver-
fassung von 1831 heißt es ganz allgemein: Die
Regierungsnachfolger sind an das Grundgesetz ge-
bunden und werden dies beim Regierungsantritt
jedesmal noch besonders erklären. In Bezug auf die
vorhin gebildeten drei Gruppen gibt es jedoch noch
weitere kleine Unterschiede. Die preußische Ver-
fassung verlangt den Eid in (gleichzeitiger) Gegen-
wart der beiden Kammern. Bayern, Sachsen, Reuß
älterer Linie fordern eine in den Urkunden näher
bezeichnete (gewöhnlich aus den Ministern und den
Landtagsvorsitzenden zusammengesetzte) feierliche
Versammlung, außerdem die Errichtung einer den
Ständen zu übermittelnden Urkunde über den
Eid.
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stattgehabten Vorgang. Bei der später genannten
Gruppe von Staaten geschieht die Übergabe der
Zusicherungsurkunde entweder an die Stände
(Hessen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-
Meiningen; Württemberg, wenn die Stände ver-
sammelt sind) oder an die Vorsitzenden derselben
(3. B. Schwarzburg-Sondershausen). Verwah-
rung des Originals der Zusicherungsurkunde im
ständischen Archiv ordnen an die Verfassungs-
urkunden von Sachsen, Hessen, Oldenburg, Braun-
schweig, Waldeck, Reuß älterer und jüngerer Linie,
Sachsen-Coburg und Gotha. In Bayern verwahrt
das Landtagsarchiv die Abschrift. Eine Veröffent-
lichung durch die betreffenden Gesetzsammlungen
schreiben vor Sachsen, Reuß älterer Linie, Schwarz-
burg-Sondershausen.
Was die Formulierung der Beteuerung an-
belangt, so verlangen die Verfassungen von
Preußen, Bayern, Sachsen-Coburg, Oldenburg,
Waldeck den Eid oder ein eidliches Geloben. In
andern Verfassungen heißt es, daß der Fürst bei
fürstlichem Wort (und Ehren) verspreche, ver-
sichere, sich verbindlich mache (Sachsen, Württem-
berg, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß älterer Linie;
Braunschweig, Reuß jüngerer Linie; Sachsen-
Weimar, Sachsen-Meiningen). Wieder andere
Verfassungen (Hessen, Schwarzburg-Sonders-
hausen, Sachsen= Altenburg) drücken sich noch
kürzer aus. Die badische Verfassung enthält keinen
Thronfolgereid. Auch eine Beschwörung der deut-
schen Reichsverfassung findet nicht statt; ebenso-
wenig hat die Ausübung der kaiserlichen Rechte
die Leistung des Eides auf die preußische Ver-
sassung zur Voraussetzung.
Wo in den Verfassungen für die Erfüllung
dieser Verpflichtung des Regierungsnachfolgers
eine Zeit angegeben ist, heißt es meistens: beim
Regierungsantritt (so in Preußen, Bayern, Sach-
sen, Hessen, Braunschweig, Sachsen-Altenburg,
Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sonders-
hausen, Waldeck, Reuß älterer und jüngerer Linie).
In Sachsen-Weimar-Eisenach und in Sachsen-
Meiningen soll das Gelöbnis vor der Huldigung
stattfinden. In Württemberg soll die Übergabe
der Zusicherungsurkunde an die Stände, oder
wenn dieselben nicht versammelt sind, an den stän-
dischen Ausschuß sofort nach dem Regierungs-
antritt und vor Erlaß des diesen kundgebenden
Manifestes erfolgen. Nach mehreren inzwischen
wieder beseitigten Verfassungsurkunden der Jahre
1848 und 1849 (so in der österreichischen Reichs-
verfassung von 1849, in der Verfassung von
Schwarzburg-Sondershausen), sodann nach der
noch gültigen sachsen-coburg-gothaischen und der
oldenburgischen Verfassung (ähnlich Reuß älterer
Linie, § 88) soll der Regierungsantritt erst nach
dem eidlichen Angelöbnis als verfassungsmäßig
geschehen betrachtet werden und das bei der Regie-
rungserledigung vorhandene Staatsministerium
in der Zwischenzeit die notwendigen Regierungs-
handlungen wahrnehmen.