Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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ist angesammelter Erwerb: ein guter Teil desselben 
(der ganze Grund und Boden) ist nicht von dem 
Menschen hervorgebracht (vgl. Costa-Rossetti S. J., 
Allgemeine Grundlagen der Nationalökonomie 
(18887 111 ff). Um zu einem für die Besteue- 
rung brauchbaren Begriff des Einkommens zu 
gelangen, wird man das einfache Beispiel von dem 
Eigentümer der Sachgüter und dem Arbeiter und 
die dabei entwickelten Begriffe von Einnahme und 
Einkommen dahin zu erweitern haben, daß man 
von der Einnahme alle diejenigen Aufwendungen 
abziehen muß, welche erforderlich sind, um die 
Einnahme zu erzielen, insbesondere also auch 
Schuldzinsen; man wird ferner die Berechnung 
anzustellen haben für einen bestimmten Zeitraum; 
gewöhnlich geschieht dies für ein Jahr, um da- 
durch das Jahreseinkommen zu ermitteln. Am 
Schluß des Jahres wird man aber auch fest- 
zustellen haben, ob das Vermögen etwa einen un- 
mittelbaren Zuwachs an seinem wirtschaftlichen 
Wert erhalten hat, und zu den Einnahmen auch 
erworbene Rechte u. dgl. rechnen, so daß die 
Schlußfrage dahin lautet: wieviel bleibt an Ein- 
kommen zur Verwendung der Person übrig, ohne 
daß das Vermögen geschmälert wird? « 
Es ist nicht nötig, den Begriff „reines Ein- 
kommen“ herbeizuziehen. Für das, was nicht 
reines Einkommen ist, besteht der Begriff Ein- 
nahme. Die Bildung des Begriffs „freies 
Einkommen“ im Hinblick auf die Besteuerung 
hatte zum Zweck, dasjenige Einkommen zu finden, 
welches übrigbleibt, nachdem der Steuerzahler 
seines Lebens Notbedarf befriedigt hat. Es ist 
aber nicht möglich, einen auch nur annähernd rich- 
tigen Maßstab für den zu machenden Abzug zu 
finden, und man wird daher guttun, nicht von 
freiem Einkommen zu sprechen. — Etwas anderes 
ist für die Besteuerung die Rücksichtnahme auf die 
minderen Einkommen durch Freilassung oder durch 
verhältnismäßig geringere Belastung des Ein- 
kommens; nur unter Erwägung der besondern 
Verhältnisse in dem betreffenden Steuergebiet läßt 
sich in diesem Punkt das Richtige finden. — Es 
gibt eine Art des Einkommens, welches ohne Ar- 
beit und ohne Benutzung von Sachgütern seitens 
des Einnehmenden erlangt wird: Geschenke, Al- 
mosen. Man hat dies als abgeleitetes Ein- 
kommen bezeichnet. Ob man dasselbe zur 
Steuer heranzieht, hängt von den tatsächlichen 
Verhältnissen ab: Almosen bleiben wegen ihrer 
Geringfügigkeit frei, Geschenke bzw. geschenkartige 
Leistungen, namentlich wenn dieselben periodisch 
wiederkehren, können recht wohl getroffen werden. 
Bei der ganzen bisherigen Betrachtung ist das 
Einkommen in seiner unmittelbaren Beziehung zu 
den Personen gedacht. Nur dieses ist auch Gegen- 
stand der Einkommensteuer. Wohl zu unterscheiden 
vom Einkommen ist der Ertrag, z. B. aus dem 
Gewerbe, welches eine Person treibt, um Ein- 
kommen für sich zu erzielen. Was wir bei der 
Person Einnahmen nannten, kann man bei dem 
Einkommensteuer. 
  
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von ihr betriebenen Gewerbe Rohertrag nennen; 
was beim Gewerbe als Gewinn im ganzen heraus- 
kommt, nachdem man abgezogen hat, was an Sach- 
gütern und Arbeitslöhnen hat verwendet werden 
müssen, kann man Reinertrag nennen. Je 
nachdem nun der Ertrag oder das Einkommen 
zum Ausgangspunkt der Steuerveranlagung ge- 
nommen wird, spricht man von Ertragssteuern 
oder von der Einkommensteuer. Die Ertrags- 
steuern suchen den Gegenstand der Besteuerung 
gewissermaßen loszulösen von der Person, welche 
die Steuer entrichtet. Man geht dabei von der 
Vorstellung aus, daß die Grundlagen der Steuer 
nicht in den persönlichen Verhältnissen des Steuer- 
zahlers zu suchen sind, sondern in sachlichen Ver- 
hältnissen, zu welchen die betreffende Person in 
Beziehung steht. Die Grund-, Gebäude-, Ge- 
werbe= und Kapitalrentensteuer bilden im allge- 
meinen ein Ertragssteuersystem, das hinsichtlich 
des Arbeitseinkommens dann noch durch die be- 
sondere Einkommensteuer ergänzt wird. 
II. Einkommenstener. 1. Man spricht von 
einer allgemeinen und einer besondern Einkommen- 
steuer. Die allgemeine Einkommensteuer will das 
gesamte aus jeder Einkommensquelle stammende 
Einkommen treffen; die besondere Einkommen- 
steuer will nur ein Einkommen ganz bestimmter 
Herkunft, die Erträge aus der persönlichen Arbeits- 
betätigung, treffen (sie heißt deshalb auch Arbeits- 
ertrags-, Besoldungssteuer) und zur Ergänzung 
des Ertragssteuersystems dienen. Sie tritt bei 
unsern Ausführungen in den Hintergrund, weil 
sie infolge der fast allgemeinen Zurückdrängung 
des Ertragssteuersystems durch die allgemeine Ein- 
kommensteuer an Bedeutung verloren hat. Nur in 
Bayern und Elsaß-Lothringen wird die besondere 
Einkommensteuer zur Zeit (1908) noch erhoben, 
soll aber auch hier einer allgemeinen Einkommen- 
steuer den Platz räumen. 
Die allgemeine Einkommensteuer erscheint der 
Theorie nach als die gerechteste aller Steuern, 
wenn es darauf ankommt, die Last nach Maßgabe 
der Leistungsfähigkeit der Steuerzahler (Steuer- 
subjekte) zu verteilen. Schwieriger stellt sich die 
Erfüllung der Ausgabe im praktischen Leben. Es 
ist zunächst zu fordern, daß die Steuergesetzgebung 
von dem richtigen Begriff des Einkommens aus- 
gehe. Damit ist nicht gesagt, daß die Gesetze Be- 
griffsbestimmungen über „das Einkommen“ auf- 
stellen sollen, wohl aber, daß die Einzelbestim- 
mungen darüber, in welchem Umfang die Heran- 
ziehung der Gesamteinnahme des Steuersubjekts 
stattzufinden habe, also über die Herausschälung 
dessen, was man Einkommen nennen kann, richtigen 
und billigen Grundsätzen entsprechen. Fast alle 
Einkommensteuergesetze beschränken sich daher dar- 
aus, durch solche Einzelbestimmungen das Steuer- 
objekt klarzustellen. Vorausgesetzt, daß diese Be- 
stimmungen in ihrem Erfolg richtige Anwendung 
des Einkommensbegriffs herbeiführen können, ist 
doch damit noch nicht die Sicherheit geboten, daß in
	        
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