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jedem einzelnen Fall die Anwendung eine richtige
sein wird, und selbst dann noch wird die Wirkung
der Steuer auf die Gesamtverhältnisse von Steuer-
zahlern, für welche gleiches Einkommen festgestellt
ist, eine recht verschiedene sein können. Nehmen
wir zwei Steuerzahler von gleich hohem steuer-
pflichtigem Einkommen; der eine ist Junggeselle,
der andere Vater von zehn Kindern. Es ist klar,
daß trotz richtiger Einschätzung der Druck der
Steuer auf den letzteren viel schwerer sein wird als
auf den ersteren. Auch die Quelle des Einkom-
mens, ob Arbeitsverdienst oder Kapitalzins usw.,
verändert die Bedeutung der Steuer für den Steuer-
zahler. Um nach den angedeuteten Richtungen hin
die tatsächlich entstehenden Ungleichheiten möglichst
herabzumindern, sind mancherlei Vorschläge ge-
macht und von der Gesetzgebung rücksichtnehmende
Bestimmungen und Versuche zur gerechten Ein-
schätzung aufgenommen worden. Bevor hierauf
näher eingegangen wird, sei noch bemerkt, daß alle
diese Bestrebungen die in der Theorie vielleicht nach-
zuweisende Gerechtigkeit der Einkommensteuer in der
Praxis nur in mehr oder weniger unvollkommener
Weise verwirklichen können, daß es sich daher nicht
empfiehlt, die Einkommensteuer als ein zige Steuer
durchzuführen, selbst da nicht, wo man die Lei-
stungsfähigkeit als einzigen Maßstab für die Be-
steuerung anerkennen möchte. Neben der Ein-
kommensteuer werden noch andere Steuern zur
gerechten Verteilung beitragen müssen.
2. Veranlagungsproblem. Steuer fub-
jekte bei der Einkommensteuer sind die Personen,
welche zum Empfang eines steuerpflichtigen Ein-
kommens berechtigt sind und im Bereich der Ge-
setzgebung des betreffenden Staats sich befinden:
alle Staatsangehörigen, aber auch Ausländer,
insoweit ihre Einkommensquellen von dem Staat
erreicht werden, wenn sie also Einwohner des die
Steuer erhebenden Staats sind. Verschieden ist die
Auffassung, ob nur physische oder auch juristische
Personen der Steuerpflicht aus Einkommen unter-
zogen werden sollen. Es wird dabei unterschieden
zwischen den eigentlichen juristischen Personen des
öffentlichen Rechts (Schulen, Kirchen, Gemeinden
usw.) und den Aktiengesellschaften, Erwerbs= und
Wirtschaftsgenossenschaften usw., also denjenigen
privatrechtlichen Charakters. Die Gesetzgebungen
machen auch Unterschiede zwischen den Steuer-
subjekten hinsichtlich des Lebensalters, indem der
Beginn der Steuerpflicht an ein bestimmtes Lebens-
alter geknüpft ist.
Allgemeinere Schwierigkeiten entstehen mit Rück-
sicht auf die Steuerobjekte. Besonders die Ein-
kommensteuer stellt als wesentliche Aufgabe die ge-
rechte Einschätzung der Steuerpflichtigen, also An-
wendung der im Steuergesetz — wie angenommen
werden soll — enthaltenen richtigen Grundsätze
auf das einzelne Steuersubjekt und -objekt.
Man kann die Prüfung über die Höhe des
Einkommens ohne Befragen des Einkommensteuer-
pflichtigen nach gewissen äußern Merkmalen, nach
Einkommensteuer.
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tatsächlichen, aus verschiedenartigen Veranlassungen
zur Kenntnis gelangten Verhältnissen vornehmen;
oder es wird eine gewisse Mitwirkung des Einzu-
schätzenden herbeigeführt; oder endlich das Haupt-
gewicht der Einkommensfeststellung liegt in den
Selbstangaben der Steuerpflichtigen, wobei dann
die Vertretung des Staats nur eine kontrollierende
Aufgabe hat. Es liegt auf der Hand, daß die
Selbsteinschätzung, wenn dieselbe in vollster
Aufrichtigkeit und auf Grund vollkommener Kennt-
nis des eigenen Einkommens stattfinden würde,
die gerechteste Verteilung der Einkommensteuer zur
Folge haben müßte. Nun ist aber aus dem täg-
lichen Leben hinreichend bekannt, wie wenige
Steuerpflichtige sich selbst über ihre Einkommens-
verhältnisse so genau Rechenschaft geben, daß sie
bei der Selbsteinschätzung in der Lage wären, ge-
naue und zuverlässige Angaben zu machen. Es
wird bei Neueinführung dieser Art der Einkom-
mensermittlung die Aufgabe des Gesetzgebers und
der ausführenden Organe des Staats sein, durch
zweckmäßige Aufstellung der von dem Steuer-
zahler zu beantwortenden Fragen (der Formulare)
dahin zu streben, daß jeder gewissenhafte Einkom-
mensteuerpflichtige darüber belehrt wird, wie er
die Selbsteinschätzung vornehmen kann, ohne einer-
seits sein Gewissen zu belasten und ohne ander-
seits sich selbst über die Verpflichtung hinaus die
Steuerlast aufzuerlegen. (Nebenbei bemerkt, kann
die zweckmäßige Durchführung der Selbstein-
schätzung hierdurch von großem wirtschaftlichem
Wert für weitere Kreise der Bevölkerung werden,
indem diese dadurch genötigt werden, Buch zu
führen und Klarheit über ihre eigene Lage sich zu
verschaffen.) Daß aber die gestellte Aufgabe eine
schwierige ist, ersieht man, sobald man nur irgend
eines der Einkommensteuergesetze in die Hand
nimmt und dort liest, was alles zu dem Ein-
kommen zu rechnen ist, wie namentlich nicht nur
Geld, sondern auch der Geldwert von Natural-
bezügen und der Selbstbenutzung von Gütern,
sowie der Geldwert von am Schluß der Ein-
schätzungsperiode vorrätig gebliebenen Erzeugnissen
nach den zeitigen Preisen in Anschlag zu bringen
ist, was ferner alles von Leistungen in Abzug ge-
bracht werden darf, und was nicht.
Hierbei ist immer noch vorausgesetzt, daß der
Steuerpflichtige des allerbesten Willens ist, wäh-
rend doch in der Wirklichkeit die Fälle nicht selten
sind, wo man glaubt, nur insoweit seinen Ver-
pflichtungen hinsichtlich der Steuer nachkommen
zu sollen, als man dazu zur Vermeidung größerer
Nachteile sich genötigt sieht. Diese Stimmung
des Pflichtigen zwingt dazu, empfindliche Strafen
für wissentlich unrichtige Angaben anzudrohen;
sie führt aber auch noch zu andern Mitteln: zum
Erfordern einer eidesstattlichen Versicherung oder
auch gar eidlicher Erhärtung hinsichtlich der Rich-
tigkeit der gemachten Angaben; sie führt ferner
zur Verstärkung der Kontrolle durch Veröffent-
lichung der Selbsteinschätzung und zur Belohnung