Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

1501 
für Anzeigen von Steuerhinterziehung, was man 
allerdings auf die Angaben durch Beamte be- 
schränken sollte. In unangenehmer Lage befindet 
sich der Steuerpflichtige dann, wenn er früher be- 
reits der Behörde gegenüber ein zu geringes Ein- 
kommen angegeben hat, und nun, um sich von 
einem Gewissensdruck zu befreien, den besten Willen 
zeigt, sein wirkliches Einkommen zu offenbaren, 
bei Ausführung seines Entschlusses aber gewaltige 
Nachholungen der Steuer und Strafen für Hinter- 
ziehung zu gewärtigen hat. Um solchen Personen 
eine Rektifizierung ihrer ursprünglichen Deklara- 
tion gefahrlos zu ermöglichen, ist — wie dies z. B. 
in Bayern bei der Kapitalrentensteuer bereits 
wiederholt mit gutem Erfolg geschehen ist — die 
Erteilung eines sog. Generalpardons in größeren 
Zwischenräumen zu empfehlen, darin bestehend, 
daß jeder innerhalb einer bestimmten Frist dekla- 
rieren darf, ohne über augenfällige Widersprüche 
mit einer früheren Deklaration Rechenschaft geben 
zu müssen. 
Man ersieht aus diesen Andeutungen, daß mit 
der Durchführung der Selbsteinschätzung mancher- 
lei Mißstände verknüpft sind. Man begegnet der 
Ansicht, daß dieselbe eine Prämie für die Unred- 
lichkeit und einen Druck für die Gewissenhaften 
zur Folge habe. Trotzdem wird man eine gleich- 
mäßige Einschätzung immer noch eher unter 
Zuhilfenahme der Selbsteinschätzung als auf den 
andern Wegen erreichen können, welche außer ihr 
zur Einkommenzsfeststellung beschritten werden kön- 
nen. Es erhellt dies insbesondere, wenn man die 
einzelnen Quellen des Einkommens in Betracht 
zieht und die Möglichkeiten erwägt, das Ein- 
kommen aus einzelnen dieser Quellen anders als 
durch Selbstangabe des Pflichtigen zu erkennen. 
Einfach gestaltet sich die Sache nur bei festen Ge- 
halten, annähernd so bequem bei Berechnung auf 
Grund von bekannten Lohnsätzen. Bei dem Grund- 
besitz hat man gewisse Anhaltspunkte durch die 
Höhe der Pachterträge, durch Vergleichung mit 
den Grundsteuerreinerträgen, durch Berücksich- 
tigung von Grundstückspreisen, durch Schätzung 
der Einnahmen auf Grund besonderer Ermitt- 
lungen im einzelnen Fall, und kann so gewisse 
Normalsätze für gleichartige Verhältnisse heraus- 
finden, deren Anwendung, unter gleichzeitiger Be- 
rücksichtigung der Besonderheiten im einzelnen, zu 
einer billigen Abschätzung führen kann. Man kann 
beinahe sagen, daß ein Landwirt, welcher nicht 
genau Buch führt, kaum richtiger sich selbst ein- 
zuschätzen vermag, als dies auf sachverständige 
Weise von Dritten erfolgt. Weit schwieriger schon 
gestaltet sich die Einschätzung des Einkommens aus 
Gewerbe und Handel. Es fehlt die Kenntnis des 
Anlagekapitals. Vielleicht bietet der Umfang des 
in der Geschäftswelt zutage tretenden Geschäfts- 
verkehrs, die Zahl der im Betrieb angestellten bzw. 
verwendeten Personen Anhaltspunkte; aber mit 
Sicherheit läßt sich schwer schätzen. Bei allen Ein- 
schätzungen aus Betrieben, sei es aus landwirt- 
Einkommensteuer. 
  
1502 
schaftlichen oder gewerblichen, bieten ganz beson- 
dere Schwierigkeiten die Schulden dar, das fremde, 
mit Zinsen beschwerte Geld, wobei man auch meist 
nicht einen gleichmäßigen Zinsfuß annehmen kann, 
da dieser mit dem Risiko des Darleihers zu steigen 
pflegt. Am allerwenigsten äußerlich erkennbar ist 
das Einkommen aus Kapitalbesitz. Soweit es sich 
um eingetragene Kapitalien handelt, geben freilich 
die amtlichen Hypotheken= oder Grundbücher Aus- 
kunft. Alles nicht eingetraßene Kapital und somit 
auch das Einkommen aus demselben, insbesondere 
aus Wertpapieren, entzieht sich der Abschätzung. 
Bei allem Einkommen bietet allerdings der Auf- 
wand, welchen der Steuerpflichtige macht, voraus- 
gesetzt, daß er nicht leichtsinnig mit vom Kapital 
lebt, einen Anhalt für dasjenige, was derselbe 
mindestens an Einkommen besitzen muß. Wieviel 
aber der Kapitalbesitzer an Ersparnissen jährlich 
zurücklegt, entzieht sich der Beurteilung. Der 
Lumpensammler, welcher in scheinbarer Not sein 
Leben auf dem Strohsack endet, in welchem er ein 
Vermögen verborgen hat, ist der am meisten 
ausgeprägte Typus für Verschleierung des Ein- 
kommens. 
Zu einer gerechten Einschätzung gehört aber 
nicht nur die Ermittlung der Einnahmen aus den 
verschiedenen Quellen, sondern auch die richtige 
Würdigung von Tatsachen, welche eine solche Be- 
lastung der Einnahmen verursachen, daß man den 
Geldwert der Belastung von den Einnahmen in 
Abzug bringen muß, um dasjenige Einkommen 
zu ermitteln, welches man billigerweise als steuer- 
pflichtigen Teil in Anrechnung zu bringen hat. 
Der Schuldzinsen ist schon gedacht. Große An- 
zahl von Kindern, Verpflichtungen zur Erhaltung 
unbemittelter Angehöriger, andauernde Krank- 
heiten und sonstige Unglücksfälle mögen genannt 
sein als solche Verhältnisse, deren Berücksichtigung 
um so mehr geboten erscheint, je geringer die in 
Betracht kommenden Einnahmen sind, einen je 
größeren Bestandteil der letzteren sie also aus- 
machen. Auch diese Momente alle können in ihrem 
wirklichen Umfang durch Schätzung kaum richtig 
zur Geltung gebracht werden. Und selbst wenn 
der der Besteuerung zugrunde zu legende Ein- 
kommensbetrag vollständig korrekt festgestellt ist, 
steht die wirkliche Leistungsfähigkeit des Pflich- 
tigen noch nicht immer im Verhältnis zu diesem 
Einkommensbetrag, sondern wird vielmehr wieder 
durch eine Reihe besonderer Umstände beeinflußt. 
Es ist aber nicht zu bestreiten, daß eine gewissen- 
hafte Angabe des Steuerpflichtigen selbst, sei es 
über das nach den vorstehenden Rücksichten sich 
ergebende steuerpflichtige Einkommen im ganzen, 
sei es durch Mitteilung der einzelnen Tatsachen, 
aus welchen sich dann das steuerpflichtige Ein- 
kommen berechnen läßt, allein zu einer möglichst 
gerechten Belastung führen kann und zu einer 
befriedigenden Gleichmäßigkeit der Besteuerung 
führen müßte, wenn alle Steuerpflichtigen ge- 
wissenhaft ihre Angaben machten. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.