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des Einkommens, lasten. Während die Einkom-
mensteuer ausschließlich das allerdings wichtigste
Kennzeichen der Steuerkraft, das Einkommen, zum
Maßstab nimmt, will die Vermögenssteuer in der
Form der Ergänzungssteuer auch solche Ver-
mögensteile erfassen, welche z. B. als Mittel zum
höheren Lebensgenuß verwendet werden, ohne Ein-
kommen zu liefern, jedenfalls ein Zeichen beson-
derer Leistungsfähigkeit des Besitzers. Es gehören
ferner hierher spekulative Vermögensanlagen, bei
welchen man auf zeitweiliges Einkommen verzichtet,
um einen zukünftigen Gewinn zu haben. Auch
das gewerbliche Anlage= und Betriebskapital wird
durch Einkommensteuer nicht belastet, wenn kein
Gewinn aus dem Betrieb erzielt wird, stellt aber
doch ein steuerkräftiges Vermögen dar.
Die Einkommenfkeuergesetzgebung.
Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Gerech-
tigkeit der Einkommensteuergesetze und ihrer Be-
stimmungen kann nicht abschließend stattfinden
ohne gleichzeitige Berücksichtigung des gesamten
Steuersystems des betreffenden Staats, sowohl der
sonstigen direkten Steuern als auch des Verhält-
nisses der Kommunalbesteuerung. Insbesondere
fällt auch der Umfang des Staats ins Gewicht:
bei kleineren Staaten handelt es sich der Sache
nach meist im Verhältnis zu den größeren Staaten
um eine Art kommunaler Steuergesetzgebung,
während diese in großen Staaten ihre eigene, oft
die Staatssteuer ergänzende Entwicklung nimmt.
Von der Stellung im Steuersystem hängt es auch
ab, ob durch die Einkommensteuer eine Doppel-
besteuerung herbeigeführt wird. Wo eine durch-
gängige und einigermaßen gleichmäßige Ertrags-
steuer aus allen Erwerbszweigen erhoben wird,
wird man von einer Ungerechtigkeit nicht sprechen
können. Durch den Hinzutritt der Einkommen-
steuer wird auch alles Einkommen noch herange-
zogen, welches durch die Ertragssteuern noch gar
nicht betroffen ist (Gehälter, Arbeitslohn); die fun-
dierten Einkommen sind aber schon einmal durch
die Ertragssteuer getroffen; diese Doppelbesteue- E
rung hat daher die Bedeutung einer stärkeren
Heranziehung des fundierten im Vergleich mit dem
nichtfundierten Einkommen.
In Preußen war 1810 eine allgemeine Ver-
brauchssteuer eingeführt, aber wegen der Schwierig-
keit der Erhebung für das platte Land und die
kleineren Städte im Jahr 1811 durch eine Kopf-
steuer ersetzt worden. Für jede Person über zwölf
Jahre war ein halber Taler zu zahlen; in den
größeren Städten blieb statt dessen die Verbrauchs-
abgabe, insbesondere die Mahlsteuer. Im Jahr
1820 wurde ein allgemeines Abgabengesetz erlassen,
welches für die größeren Städte die Mahl= und
Schlachtsteuer durchführte; im übrigen wurde die
alte Kopfsteuer nun zu einer Klassensteuer heraus-
gebildet, welche der Verbrauchsabgabe der größeren
Städte das Gleichgewicht in der Belastung halten
sollte. Die Klassen wurden alsbald vermehrt (vier
Hauptklassen mit je drei Stufen). Die Einreihung
in die Klassen geschah nach gewissen äußeren Le-
bensverhältnissen, nach Stand, ungefährer Wohl-
Einkommensteuer.
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habenheit und sonstigen Anzeichen. Für jede Person
wurde mindestens ein halber Taler erhoben, mehr
wie drei Personen der Haushaltung nicht angerech-
net. Die Veranlagung geschah nach Haushaltungen;
der höchste Satz für eine Familie betrug 144 Taler.
Es ist klar, daß die Folge eine Minderbelastung
der wohlhabenderen Bevölkerung gegenüber den
weniger Bemittelten sein mußte. Im Jahr 1851
wurde ein neues Gesetz über die Einführung einer
Klassensteuer und klassifizierten Einkommensteuer
erlassen, welches immer noch an dem Unterschied
zwischen mahl-- und schlachtsteuerpflichtigen Orten
und denen, wo diese Steuer nicht vorhanden war,
festhielt.
Diese Beziehung zwischen indirekten und direkten
Steuern ist erst durch das Gesetz vom 25. Mai
1875 betreffend die Aufhebung der Mahl= und
Schlachtsteuer (als Staatssteuer), gelöst und die
Klassensteuer allgemein eingeführt worden. Klassen-
steuer wie klassifizierte Einkommensteuer wurden
verlangt nach dem Einkommen und erschienen tat-
sächlich nur als eine untere und eine obere Abtei-
lung einer Einkommensteuer. Alle Einkommen unter
3000 M gehörten zur sog. Klassensteuer, die höheren
zur Einkommensteuer; beide Gruppen waren in
Klassen eingeteilt. Die unterste Klasse der ersteren
(420—600 M) begann mit 3 M/ Steuer; die oberste,
zwölfte (2700—3000 KM), schloß mit 72 M. Die
unterste Stufe der Einkommensteuer (3000 bis
3600 M) begann mit 90 , also 3 % der untern
Grenze, und so wurden weiter hinauf immer 3%
nach dem Einkommen berechnet, welches die untere
Grenze der betreffenden Klasse bildete. Innerhalb
der einzelnen Klassen waren demgemäß die höheren
Einkommen prozentual niedriger getroffen als die
geringeren. Bei der untersten Stufe der Klassen-
steuer begann der Steuerbetrag mit 0,70% und
chloß ab mit 0,50, bei der obersten mit 2,66 %
für 2700 M) und schloß ab mit 2,40% (für
3000 M). #
Das Bestreben, die unteren Klassen zu erleichtern,
namentlich auch im Hinblick auf die Vermehrung
der indirekten Steuern, führte 1883 zur Aufhebung
der beiden untersten Stufen der Klassensteuer; die-
selbe begann seitdem erst mit einem Einkommen
von 900 KM. Die Klassensteuer war bis 1883 kon-
d. h. ihr Sollbetrag war auf 42,5 Mill.
und erforderte eine Herabsetzung bzw.
des aus der Veranlagung sich ergebenden
Seitdem war die Klassensteuer wie die
Einkommensteuer lediglich abhängig von dem Er-
gebnis der Einschätzung und der darauf begründeten
Einziehung.
Die bestehende preußische Steuergesetzgebung be-
ruht auf dem Gesetz vom 24. Juni 1891, das durch
die Novelle vom 19. Juni 1906 in einzelnen Punk-
ten umgestaltet wurde. Preußen erhielt durch dieses
Gesetz eine allgemeine Einkommensteuer, welche die
Hauptträgerin der direkten Staatsbesteuerung ist.
Die Ertragssteuern (Grund-, Gebäude= und Ge-
werbesteuer) wurden den Gemeinden überlassen. Für
die Erträge aus dem Kapitalbesitz wurde durch Ge-
setz vom 14. Juli 1893 eine Vermögenssteuer unter
dem Namen „Ergänzungssteuer“ geschaffen.
Der Steuerpflicht unterliegen physische Personen,
auch die vormalig unmittelbaren Reichsstände (deren
Steuerfreiheit wurde durch Gesetz vom 18. Juli.
1892 abgelöst), und juristische Personen (Aktien-
gesellschaften, Konsumvereine mit offenem Laden,