1543
1841 wurde dann vom Staat eine Reihe von
Bahnen gebaut oder von Privatgesellschaften ge-
kauft mit dem Erfolg, daß Ende des Jahres
1854 ungefähr drei Viertel aller Bahnen in
seinem Besitz waren. Die dann eintretende traurige
Finanzlage des österreichischen Staats verhinderte
indessen nicht nur die weitere Durchführung der
Gedanken des Patents, sondern zwangen sogar
die Regierung, den vorhandenen Bahnbesitz bis
auf 16 km an private Unternehmungen zu ver-
kaufen. Darauf hat fast zwei Jahrzehnte hindurch
das Privatbahnsystem in Osterreich geherrscht.
Durch reichliche Gewährung staatlicher Zins-
garantien an zahlreiche Eisenbahngesellschaften
wurde dasselbe sehr gefördert, zugleich aber die
österreichische Staatskasse sehr geschädigt. Seit
Erlaß des sog. Sequestrationsgesetzes vom 14. Dez.
1877 hat man sich wieder dem Staatsbahnsystem
zugewandt, und zwar teils durch staatliche Neu-
bauten, teils durch den Erwerb des Eigentums
oder des Betriebs vorhandener Privatbahnen.
Ende 1905 betrug das im Betrieb des Staats
stehende Eisenbahnnetz einschließlich der im Bau
befindlichen Strecken 12 842 km, denen 8301 km
reine Privatbahnen gegenüberstanden. Seitdem
ist zunächst im Jahr 1906 das älteste, größte und
verkehrsreichste österreichische Privatunternehmen,
die (einschließlich 293 km Nebenbahnen) 1317km
lange Kaiser-Ferdinands-Nordbahn in das Eigen-
tum des Staats übergegangen. Im Juli 1908
sind sodann die Verhandlungen wegen Ubernahme
verschiedener anderer Privatbahnen durch den
Staat zum Abschluß gelangt. Finden diese, woran
kaum zu zweifeln ist, die Genehmigung der gesetz-
gebenden Faktoren, dann bleibt als bedeutendere
Privatbahn nur noch die Südbahn, deren Ver-
staatlichung bei ihrer schlechten Finanzlage aber
ebenfalls nur eine Frage der Zeit ist.
Ungarn, das 1867 rund 125 km Staats-
bahnen hatte, schreitet auch immer mehr und mehr
zum Staatsbahnsystem. Im Jahr 1906 bestand
das Eisenbahnnetz aus folgenden Hauptgruppen:
aus Staatsbahnen mit einer Betriebslänge von
7772,4 km, aus Privatbahnen im Staatsbetrieb
mit einer Betriebslänge von 7759,5 km und aus
Privatbahnen im Privatbetrieb mit einer Betriebs-
länge von 3151,5 km.
Belgien war das erste Land, in dem der
Staatsbahngedanke klar erfaßt wurde und Auf-
nahme fand; das Gesetz vom 1. Mai 1834 ent-
schied zugunsten des Staatsbahnsystems. Seit
Anfang der 1840er Jahre wurden indessen auch
Privatbahnen gebaut. Zurzeit hat der Staat
wieder sämtliche Bahnen bis auf 587,3 km er-
worben. Die Länge der vom Staat betriebenen
Bahnen betrug im Jahr 1905 4047,92 km.
In den Niederlanden gab es im Jahr
1906; 3624,2 km Eisenbahnen, die von fünf
Gesellschaften betrieben wurden, nämlich: der
Gesellschaft für den Betrieb von Staatsbahnen
(1849 km) der Holländischen Eisenbahngesellschaft
Eisenbahnen.
1544
(1484,7 km), der Niederländischen Zentraleisen-
bahngesellschaft (148,8 km), der Nordbrabant-
Deutschen Eisenbahngesellschaft, gewöhnlich Boxtel-
Weseler-Eisenbahn genannt (einschl. der 56,6 km
großen deutschen Teilstrecke 145,7 km), und der
Mecheln-Terneuzer Eisenbahngesellschaft (einschl.
der 43,9km großen belgischen Teilstrecke 67,5 km).
Stark die Hälfte der Bahnen sind Staatsbahnen.
Diese sind aber, weil man nicht den Einfluß der
Regierung durch Vermehrung der Beamten steigern
wollte, verpachtet worden. Die meisten Strecken
hat die vorhin an erster Stelle genannte Gesell-
schaft, eine Reihe kleinerer Strecken die an zweiter
Stelle genannte Gesellschaft in Pacht erhalten.
In den Balkanstaaten und ebenso in
Agypten ist das Staatsbahnsystem durchweg
zur Geltung gelangt.
Auch Rußland geht immer mehr zu diesem
System über. Es waren dort Ende 1906:
66941,.4 km Eisenbahnen in Betrieb, worunter
etwa 18 000 km Privatbahnen. In Finland
hat es von jeher nur Staatsbahnen gegeben.
Das Eisenbahnnetz Norwegens umfaßte im
Jahr 1906: 2548,4 km; davon waren 2178,8
km Staatsbahnen und 369,6 km Privatbahnen.
Weniger durchgeführt als in Norwegen ist das
Staatsbahnsystem in Schweden, wo Ende
1905 den 4199 km Staatsbahnen 8500 km
Privatbahnen gegenüberstanden.
In Dänemark hatte 1905 das Staatsbahn-
netz eine Betriebslänge von 1874 km, während
die Privatbahnen eine solche von 1350 km hatten.
In der Schweiz sind auf Grund des Gesetzes
vom 15. Okt. 1897 seit 1902 die fünf Haupt-
bahnen (einstweilen noch nicht die internationale
Gotthardbahn) von der Bundesregierung käuflich
erworben worden und werden nunmehr als Bun-
desbahnen betrieben. Die Neben= und Lokal-
bahnen bleiben gesetzlich den Kantonen und Pri-
vaten überlassen.
In Italien ist der Staat Eigentümer fast
aller Bahnen. Im Jahr 1900 betrug die Be-
triebslänge der Staatsbahnen 11 228 km. Die-
selben bilden drei Netze: das mittelländische, das
adriatische und das sizilische. Früher war auf
Grund eines Gesetzes vom 27. April 1885 der
Betrieb eines jeden dieser Retze an eine Gesellschaft
verpachtet. Durch verschiedene in den Jahren
1905/07 erlassene Gesetze ist indessen eine Reform
des Eisenbahnwesens dahin durchgeführt worden,
daß auf den Staatsbahnen auch staatlicher Betrieb
eingerichtet worden ist.
Eine Verwirklichung des Staatsbahngedankens
strebt auch Japanan. Hier betrug Anfang 1906
die Länge der in Betrieb befindlichen Eisenbahnen
7696 km, wovon 2465 km auf Staatsbahnen
und 5241 km auf Privatbahnen kamen. Im Bau
begriffen waren damals 932,4 km Staatsbahnen.
Durch Gesetz vom 30. März 1906 ist sodann die
Verstaatlichung von 17 Privatbahnen, die eine
Länge von 4527,2 km haben, beschlossen worden.