Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

1545 
Rechnet man hierzu noch die 462 km lange ko- 
reanische Bahn von Söul nach Fusan und die 
Stichbahn von Söul zu dem Seehafen Tschemulpo 
mit 42 km, deren Erwerb durch ein zweites Gesetz 
vom 30. März 1906 verfügt worden ist, so ergibt 
sich, daß die japanischen Staatsbahnen einschließ- 
lich der Neubaustrecken nach Durchführung der 
Verstaatlichung eine Ausdehnung von 8428,6 km 
haben werden (ohne die Bahnen auf der Insel 
Formosa), denen gegenüber die übrigbleibenden 
kleineren Privatbahnen kaum noch in Betracht 
kommen. 
In Frankreich ist das Eisenbahnnetz im we- 
sentlichen auf der durch das Gesetz vom 11. Juni 
1842 geschaffenen Grundlage in zielbewußter 
Weise von Privatgesellschaften ausgebaut worden. 
Nach Zusammenlegung einer Reihe dieser ver- 
einigte sich schließlich der gesamte Bahnb-sitz in 
den Händen von sechs großen Gesellschaften, die 
schon zur Zeit des zweiten Kaiserreichs eine Mo- 
nopolstellung erlangt hatten. Die langjährigen 
Anstrengungen der Regierung, derselben Herr zu 
werden, hatten nur den geringen Erfolg, daß bis 
1878 ein kleines Staatsbahnnetz geschaffen wurde. 
Im übrigen gingen die Gesellschaften aus dem 
Kampf als Sieger hervor. Im Jahr 1883 wur- 
den die mit ihnen abgeschlossenen Konventionen 
erneuert (Gesetz vom 20. Nov. 1883). In den- 
selben wurde die 99jährige Dauer der ihnen er- 
teilten Konzessionen anerkannt. Nach Ablauf der 
99 Jahre fallen die Bahnen dem Staat heim, und 
zwar zunächst, Ende 1950, die Nordbahn und 
zuletzt, Ende 1960, die Südbahn. — Ende des 
Jahrs 1905 hatte das Netz der sechs großen Pri- 
vatbahnen eine Betriebslänge von 35246 km, 
während die Staatsbahnen eine solche von nur 
2915 km hatten. Eine Verstärkung der Macht 
des Staats gegenüber den Monopolgesellschaften 
ist dann im Sommer 1908 durch die Verstaat- 
lichung der 5843 km langen Bahnen der West- 
bahn, deren Konzession bis Ende 1956 lief, er- 
folgt. Der erste, der in Frankreich die große Ge- 
fahr, die für den Staat in der Monopolstellung 
mächtiger Privatbahnen liegt, klar erkannt hat, 
war Lamartine. 
Der Hauptsache nach Privatbahnen bestehen 
in Europa ferner noch in Spanien, wo 1905 
von dem ganzen 14134 km großen Eisenbahnnetz 
11.033 km auf die 13 größten Eisenbahngesell- 
schaften entfielen, sodann in Portugal, wo von 
drei Eisenbahnnetzen zwei (889 km), und zwar 
die weniger guten, dem Staat und eines, das mitt- 
lere, das eine Betriebslänge von 1395 km hat, 
der Compagnie royale des chemins de fer 
portugais gehören, und endlich in der Türkei. 
Hier gab es Ende 1905 Staatsbahnen im Staats- 
betrieb 734 km, Staatsbahnen im Privatbetrieb 
1312 km und Privatbahnen 3629 km, zusammen 
5675 km, die allerdings zum Teil erst im Bau 
begriffen waren. Ein gemischtes System besteht 
in Brasilien, wo im Jahr 1905 für 37 Mill. 
Eisenbahnen. 
  
1546 
Milreis ein zusammenhängendes Staatsbahnnetz 
geschaffen und an eine belgische Gesellschaft ver- 
pachtet wurde. In Argentinien gabes in dem 
genannten Jahr 2546 km Staatsbahnen neben 
17248 km Privatbahnen. In Mexiko endlich 
sind die Bahnen, die 1906 eine Betriebslänge von 
21007 km hatten, zum größten Teil im Besitz 
von Privatgesellschaften unter Staatskontrolle. 
Neuerdings beabsichtigt pie mexikanische Regierung, 
die Hauptbahnen in ein großes Netz von National- 
bahnen unter dem unmittelbaren Einfluß der Na- 
tionalregierung zu vereinigen. 
Ausschließlich Privatbahnen haben die Ver- 
einigten Staatenvon Amerika, China, 
Griechenland sowie die südamerikani- 
schen Republiken (mit Ausnahme Brasiliens 
und Argentiniens). In diesen Republiken sind die 
Bahnen meist von ausländischen Unternehmern 
mit fremdem Geld gebaut worden. 
Das klassische Land der Privatbahnen endlich 
ist England. Hier sind dieselben ohne jeden 
staatlichen Zuschuß oder Zinsgarantie gebaut wor- 
den, und dies, obwohl sie die teuersten der Erde 
waren (s. Tabelle Sp. 1564). Das Kilometer 
hat in England mehr als doppelt so viel gekostet 
wie in Osterreich, dem klassischen Land der Zins- 
bürgschaften. Noch früher als in Frankreich hat 
in England die Monopolstellung der Eisenbahnen 
zu Klagen Anlaß gegeben. Um ihr entgegenzu- 
treten, verlangte bereits im Jahr 1837 das Mini- 
sterium vom Parlament Kredit für ein Netz irischer 
Eisenbahnen, er wurde aber verweigert. 1840 er- 
hob Robert Peel mit Nachdruck seine Stimme 
gegen Privatbahnen, aber ebenfalls vergeblich. 
Ein am 9. Aug. 1844 erlassenes Gesetz, das die 
Regierung zum Ankauf aller Bahnen nach Ablauf 
von 21 Jahren ermächtigte, ist nicht zur Ausfüh- 
rung gelangt. Zur Zeit (1908) herrscht in Eng- 
land noch das reine Privatbahnsystem, doch wird 
die Frage des Erwerbs der Bahnen durch den Staat 
neuerdings wieder lebhaft erörtert. Zur Anlage 
einer neuen Eisenbahn ist in England jedesmal 
ein besonderes Gesetz erforderlich. — Im Gegensatz 
zum Mutterland haben die englischen Kolonien, 
insbesondere Kanada und Ostindien, schon recht 
bedeutende Staatsbahnstrecken. In den sieben 
australischen Kolonien ist sogar das Staatsbahn- 
system fast vollständig durchgeführt; den 25 650 
km Staatsbahnen stehen dort nur noch 1402 km 
Privatbahnen gegenüber. 
IV. Jinanzielle Seiten des Betriebs. 
A. Einnahmen. Die Betriebseinnahmen der 
Eisenbahnen zerfallen in Verkehrs= und in 
„sonstige“ Einnahmen. Die Verkehrsein- 
nahmen werden wiederum unterschieden in Ein- 
nahmen aus dem Personen= und Gepäckverkehr 
und aus dem Güterverkehr. Zu den Einnahmen 
aus dem Personen= und Gepäckverkehr werden in 
Deutschland noch verschiedene Nebeneinnahmen, 
z. B. für Beförderung von Hunden, die aus dem 
Personen= und Gepäckverkehr herrührenden Straf-
	        
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