Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

1549 
Fälle einheitlicher. Je nach den verschiedenen 
Beziehungen, um welche es sich handelt, unterliegt 
er Modifikationen. Im weitesten Sinn bezeichnet 
„Reinertrag“ den nach Abzug der wirklich ver- 
ausgabten Verwaltungs-, Unterhaltungs= und 
Transportkosten verbleibenden Überschuß der Be- 
triebseinnahmen für einen bestimmten Zeitabschnitt. 
Bei den Privatbahnen kann man die Beiträge zu 
dem Reserve= und Erneuerungsfonds den Unter- 
haltungskosten hinzurechnen. Hierdurch erhält 
man einen etwas modifizierten Begriff des „Rein- 
ertrags“. Der an die Aktionäre einer Eisenbahn- 
gesellschaft verteilbare Reinertrag (vgl. auch § 215 
des H.G.B.) ist wiederum kleiner; es kommen 
nämlich von demselben noch die auf ihm ruhenden, 
nach seiner Höhe sich bestimmenden Ausgaben in 
Abzug, z. B. Eisenbahnabgaben, Tantièmen der 
Gesellschaftsbeamten usw. Die Zahl der Modifi- 
kationen des Begriffs „Reinertrag“ ist hierdurch 
noch keineswegs erschöpft. 
Die Ermittlung des Reinertrags der Eisen- 
bahnen ist nur durch die Aufstellung eigentlicher 
„Betriebsbilanzen“, nicht durch die Ausstellung 
sog. „Vermögensbilanzen“ möglich (vgl. v. Strom- 
beck in Buschs Archiv für Handelsrecht XXXVII 
1 ff; XXXVIII 15 ff und in Goldschmidts Zeit- 
schrift für Handelsrecht XXVIII 459 ff). In die 
Betriebsbilanz gehören außer den eigentlichen Be- 
triebseinnahmen und -ausgaben die a conto des 
Betriebs zu unterhaltenden Fonds, wie z. B. Er- 
neuerungsfonds usw. Bei größeren Eisenbahn- 
unternehmungen, insbesondere bei den Staats- 
bahnen, werden häufig gewisse Erweiterungen des 
Unternehmens, z. B. der Bahnhöfe, welche theore- 
tisch genommen dem Baukonto (Anlagekapital) zur 
Last fallen müßten, auf das Betriebskonto über- 
nommen. Die Folge ist, daß der sich ergebende 
Reinertrag etwas niedriger erscheint, als er in 
Wirklichkeit ist. Bei manchen Ausgaben und auch 
bei einzelnen Einnahmeposten ist es in der Praxis 
schwer zu bestimmen, wieweit sie auf das Betriebs- 
und wieweit sie auf das Baukonto zu übernehmen 
sind. Im Interesse der Solidität liegt es, daß in 
Zweifelsfällen das Betriebskonto belastet wird, und 
daß sogar eigentliche Erweiterungen des Unter- 
nehmens in gewissem Umfang aus den Betriebs- 
einnahmen beschafft werden. Dies ist auch der 
Standpunkt des für die Eisenbahnen Deutschlands 
erlassenen „Normalbuchungsformulars“, „All- 
gemeine Vorschriften“ unter V. 
Der Reingewinn im Verhältnis zum Anlage- 
kapital ergibt die Rente. 
D. Tarifwesen (Tarif sarab.) = Preisver- 
zeichnis). 1. Vorbegriffe. Überläßt eine Bahn- 
verwaltung einem andern ihre Bahn zur Mit- 
benutzung mit seinen eigenen Fahrzeugen, so erhält 
sie dafür „Bahngeld“. Besorgt sie den Transport 
fremder Güter oder Personen mit ihren oder mit 
gestellten Fahrzeugen, so erhält sie dafür „Fracht“. 
Im Normalfall, d. i. wenn die Bahn den Trans- 
port mit ihren eigenen Fahrzeugen ausführt, ist 
Eisenbahnen. 
  
1550 
der Frachtbetrag bei genauer Betrachtung die 
Summe dreier Komponenten: der Vergütung für 
die Benutzung der Strecke, der Wagenmiete und 
der Vergütung für die Besorgung des Transports. 
Sich dies zu vergegenwärtigen, ist z. B. wichtig bei 
der Frage, ob es im Interesse der Aufrechterhal- 
tung der Parität zwischen Eisenbahn= und Wasser- 
straßenverkehr angezeigt ist, daß der Staat für die 
Gestattung der Benutzung von ihm für die Schiff- 
fahrt brauchbar gemachter Wasserstraßen eine dem 
Bahngeld entsprechende Abgabe erhebt. Die Fracht 
pflegt nicht für den einzelnen Fall verabredet zu 
werden, sondern wird allgemein nach Taxen fest- 
gesetzt. Diese verschiedenen Taxen werden zu- 
sammengestellt in einem Eisenbahntarif. Die Zu- 
sammenfassung der Grundsätze, wonach ein solcher 
Tarif aufgestellt wird, nennt man ein Tarifsystem, 
und die gesamte äußere Anordnung eines Tarifs 
und seine Einteilung in Klassen Tarifschema. Ver- 
bandstarife sind die von den Verbänden verschie- 
dener Eisenbahnen oder Eisenbahnen und Schiff- 
fahrtsunternehmungen zur Erledigung des Verkehrs 
verabredeten Tarife. (Hand in Hand mit der Ver- 
abredung der Tarife gehen Abmachungen über die 
Instradierung der Güter, d. i. Bestimmung der 
Route u. dgl.) 
Differentialtarife, über deren Berech- 
tigung früher lebhaft gestritten worden ist, sind 
Tarife, welche für die Beförderung derselben Per- 
sonen in derselben Wagenklasse und einer gleichen 
Menge Gutes auf gleiche Entfernung die Fracht 
ungleichmäßig (differential) bestimmen. Man 
rechnet dazu z. B. 1) diejenigen Frachtunterschiede, 
welche auf der Einrechnung eines festen Zuschlags 
neben dem Streckensatz im Tarif beruhen; 2) die- 
jenigen, welche dadurch entstehen, daß ohne Rück- 
sicht auf Entfernungen ein Gesamtfrachtsatz auf- 
gestellt wird; 3) diejenigen, welche entstehen durch 
die verschiedenen Tarifklassifikationen der Eisen- 
bahnen (elative Differentialtarife); namentlichaber 
4) diejenigen, welche dadurch entstehen, daß man 
mit der zunehmenden Entfernung niedrigere oder 
höhere Streckensätze anwendet: das sind die sog. 
Staffeltarife, auch Tarife mit fallender (oder 
steigender) Skala genannt. Irrtümlich wird der 
Staffeltarif oft Zonentarif genannt. Das 
Wesen des letzteren besteht darin, daß die Trans- 
portgebühr nicht nach einzelnen Kilometern, son- 
dern einheitlich für eine größere Anzahl von Kilo- 
metern (Zone) berechnet wird, z. B. für 1—25, 
26—50, 51—75 km usw. Ein solcher Zonentarif 
kann gleichzeitig auch ein Staffeltarif sein, braucht 
es aber nicht. 4 ç 
Disparitätentarif ist ein Differential- 
tarif, der zwischen zwei entfernteren Orten absolut 
niedrigere Frachten ergibt als nach einer Zwischen- 
station derselben Route. (Diese werden von der 
preußischen Regierung nur hinsichtlich des Transit- 
verkehrs für zulässig erachtet.) · » 
Tarifbegünstigungen kommen im Güter- 
verkehr vor: 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.