Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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sind fehlgeschlagen; diese Wagen erwiesen sich 
im Betrieb als zu schwerfällig und paßten nicht 
zu den Einrichtungen der angeschlossenen Werke. 
Gegen eine allgemeine Einführung solcher Wagen 
spricht auch das Interesse der Landwirtschaft und 
vieler gewerblichen Kleinbetriebe, die nicht in der 
Lage sind, Sendungen von 30—40 t auf ein- 
mal zu beziehen. Regelmäßig erfolgt in Preußen 
die Neuanschaffung der Betriebsmittel aus dem 
Ertrag des Betriebs; doch sind in den Jahren 
1906 und 1908 durch besonderes Gesetz zur Ver- 
größerung des Fuhrparks 100 bzw. 170 Mill. M 
bewilligt worden. — Neben den gewöhnlichen 
Güterwagen gibt es mehrere Arten von Spezial- 
wagen, z. B. zur Beförderung von frischgeschlach- 
tetem Fleisch, Butter, Bier, Petroleum, Ol, gas- 
förmigen Stoffen u. dgl. Vielfach sind die Spe- 
zialwagen Privateigentum der Verfrachter. Wagen 
von größerer Ladefähigkeit bis zu 50 t gibt es 
namentlich in Amerika, wo auch die Systeme der 
Selbstentladung u. dgl. am meisten entwickelt sind. 
3. Die Fahrgeschwindigkeit der Züge 
richtet sich nach der Leistungsfähigkeit der Loko- 
motive, dem Gewicht des Zugs, der Festigkeit des 
Oberbaues und der Gestaltung des Terrains. In 
einzelnen Ländern, z. B. in England und Amerika, 
ist dieselbe nicht gesetzlich beschränkt. Meist ist 
dies aber der Fall. In Holland und in Osterreich 
beträgt die höchste zulässige Fahrgeschwindigkeit 
80, in Frankreich 120 km in der Stunde. Für 
Deutschland beträgt sie (nach § 66 der Eisenbahn- 
bau= und Sbetriebsordnung vom 4. Nov. 1904): 
  
  
  
  
  
km km 
bei Hauptbahnen bei Nebenbahnen *#2 
0 
1. für Personenzüge 1. im allgemeinen 30 
a) mit durchgehen- 2. auf vollspurigen 
der Bremse. 100 dBahnen für Perso- 
b) ohne durchge- nenzüge mit durch- 
hende Bremse. 60 gehender Bremse 40 
mit Genehmigung der mit Genehmigung der 
Aussichtsbehördemehr Aufsichtsbehörde 50 
2. für Güterzüge 45 « 
mit Genehmigung der : 
Aufsichtsbehörde 60 T. 
In Gefällen und Krümmungen richtet sich die 
höchste zulässige Fahrgeschwindigkeit nach der Nei- 
gung und dem Radius; unter Umständen beträgt 
sie bis zu 120 km. 
In Deutschland fahren die Schnellzüge ge- 
wöhnlich mit einer Grund geschwindigkeit von 
75 bis 90 km in der Stunde. Die Reisege- 
schwindigkeit d. i. die durchschnittliche Reisedauer 
einschließlich der Aufenthalte auf den Stationen, 
auf die Stunde berechnet, ist natürlich geringer; 
ein festes Verhältnis zur Grundgeschwindigkeit 
besteht nicht. Am nächsten kommt die Reise- 
geschwindigkeit der Grundgeschwindigkeit in Eng- 
land und in Amerika; hier namentlich deshalb, 
weil weniger Zwischenstationen vorhanden sind. 
In diesen Ländern gibt es Züge, die mit einer 
Reisegeschwindigkeit bis zu 108 km in der Stunde 
Eisenbahnen. 
  
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fahren. Den höchsten Geschwindigkeitsrekord hat 
noch immer die berühmte Lokomotive Nr 999 der 
Baldwinwerke zu verzeichnen, die am 1. Mai 
1898 in Amerika mit einer Geschwindigkeit von 
180 km in der Stunde gefahren ist. — Re- 
gistrierapparate verschiedenen Systems bestimmen 
die Schnelligkeit, die ein Zug zwischen zwei 
Stationen oder in jedem Augenblick der Fahrt 
gehabt hat. — Nach der größten, der Berechnung 
der regelmäßigen Fahrzeit zugrunde gelegten Ge- 
schwindigkeit richtet sich auch die Stärke der 
Züge. Für Deutschland sind die näheren Vor- 
schriften hierüber enthalten in § 54 der erwähnten 
Bau= und Betriebsordnung. Hiernach dürfen 
z. B. auf Hauptbahnen Personenzüge bei einer 
Geschwindigkeit bis zu 50 km in der Stunde 
regelmäßig nicht über 80 Wagenachsen haben usw. 
Um die Fahrgeschwindigkeit des Zugs zu regulieren 
und den Zug rechtzeitig zum Stehen zu bringen, 
ist der letztere mit Bremsen versehen. Diese waren 
ursprünglich Handbremsen, die auf ein vom Lo- 
komotivführer gegebenes Signal von den Bremsern 
bedient wurden. Wegen der vielen dieser Brems- 
art anhaftenden Mängel sind heute die Personen- 
züge durchweg mit selbsttätigen durchgehenden 
Bremsen versehen, die vom Lokomotivführer ge- 
handhabt werden; am meisten verbreitet sind die 
Luftsaugebremse und die Luftdruckbremse. 
4. Sicherung des Betriebs. Da zu 
gleicher Zeit auf demselben Gleis verschiedene 
Züge in derselben Richtung fahren müssen, ist es 
nötig, Vorkehrungen zu treffen, die verhindern, 
daß der nachfolgende Zug auf den vorhergehenden 
aufläuft. In der ersten Zeit begnügte man sich mit 
der Bestimmung, daß zwischen dem Abgang zweier 
Züge eine feste, für ausreichend erachtete Zeit 
liegen müsse. Diese Maßregel erwies sich aber als 
unzulänglich. Infolgedessen ist man dazu überge- 
gangen, vorzuschreiben, daß zwischen den einzelnen 
Zügen immer ein bestimmter freier Raumabschnitt 
liegen muß. In dieser Beziehung ist für die deut- 
schen Bahnen durch § 65 (8) der Betriebsordnung 
vorgeschrieben, daß „kein Zug von einer Zugfolge- 
stelle ab= oder durchgelassen werden darf, bevor 
(durch Meldung von der nächsten Stelle) festgestellt 
ist, daß der vorausgegangene Zug sich unter der 
Deckung der nächsten Zugfolgestelle befindet“. Mit 
Rücksicht darauf nun, daß manche Stationen zu 
weit auseinanderliegen, hat man zwischen solchen 
besondere Block stationen eingerichtet. Das Ver- 
fahren ist im einzelnen so sinnreich ausgebildet, 
daß bei seiner prompten Innehaltung ein Auf- 
einandergeraten zweier Züge innerhalb eines Block- 
abschnitts unmöglich ist. Zur weiteren Sicherung 
des Betriebs dienen die Signale auf der Strecke 
und an den Zügen. Das Signalwesen hat heute 
einenbewunderungswürdigen Grad der Vollendung 
erreicht. Der Sicherung des Betriebs dienen end- 
lich noch eine ganze Reihe anderer Maßnahmen, 
wie Absperrung des Bahnkörpers, Bewachung 
durch Bahnwärter u. a. 
 
	        
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