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andern Staaten entschiedene Ablehnung erfahren
und gelten wohl allgemein als undurchführbar.
In neuester Zeit, die wieder eine Erhebung in
der Preisbildung für landwirtschaftliche Produkte
brachte, sind die Beschwerden auf diesem Gebiet
verstummt; dagegen wird allgemein, besonders in
Gegenden mit vorherrschendem Großgrundbesitz
und Großbauerntum, über Arbeitermangel geklagt.
Die Arbeiterfrage ist eine der schwierigsten der
Landwirtschaft. Durchgreifende Mittel zur Bes-
serung dieser Verhältnisse sind aber trotz eifriger
Bemühungen der staatlichen Organe und der
privaten Interessenten nicht ausfindig gemacht
worden. Man ist indessen allgemein in sach-
verständigen Kreisen der Überzeugung, daß eine
in erheblichem Maß vor sich gehende Aufteilung
der landwirtschaftlichen Großbetriebe, da wo diese
in ungesundem Maß vorherrschen, und ihre Ver-
wandlung in mittelbäuerliche Besitzungen indirekt
den Arbeitermangel mildern dürften. Desgleichen
erblickt man nach dem Vorgang Dänemarks und
der nordischen Staaten in der Ausstattung der
Landarbeiter mit Grundbesitz ein geeignetes Mittel,
um die ländliche Bevölkerung an die Scholle zu
fesseln. Maßnahmen in dieser Richtung und zur
Entschuldung des ländlichen Grundbesitzes dürften
im Mittelpunkt der deutschen Agrarpolitik während
des ersten Drittels des 20. Jahrh. stehen. Eine
große Bedeutung haben auch die Maßnahmen,
welche wir gewöhnlich unter dem Begriff „Wohl-
fahrts-und Heimatspflege“ zusammenfassen. Geteilt
sind die Ansichten darüber, ob die Ausgestaltung
und Wiederbelebung der „Allmenden“ auf gesetz-
licher Grundlage heute noch möglich und von durch-
greisender Bedeutung für die Lösung der länd-
lichen Arbeiterfrage sein könnte. (Vgl. d. Art.
Bauernstand, Landeskulturgesetzgebung, Landwirt-
schaft. Wohlfahrtspfleae.)
Literatur. Koch, Agrargesetze des preuß.
Staats (1843); Reichensperger, Die Agrarfrage
(1847); Stüve, Wesen u. Verfassung der Land-
gemeinden (1851); Lette u. Rönne, Preuß. Landes-
kulturgesetzgebung (/1853); Sugenheim, Gesch. der
Aufhebung der Leibeigenschaft (1861); Helfferich,
Der Erbacker (1865); O. Beta, Notwendigkeit einer
deutschen Agrarverfassung (1878); Laveleye, Ur-
eigentum (deutsch 1879); Hannsen, Agrarhistor.
Abhandl. (1880); Gierke, Agrargesetzgebung, in
Holtzendorffs Rechtslexikon (1860); Roscher, Na-
tionalökonomik des Ackerbaues (181903); Meitzen,
Agrarpolitik, in Schönbergs Handbuch (7/1896 ff).
In den Schriften des Vereins für Sozialpolitik die
Arbeiten von Miaskowski (1882/84); dann die
Gutachten über bäuerliche Zustände (1883) u. den
Wucher auf dem Lande (1887); ferner Rudolf
Meyer, Heimstätten (1883); ders., Question agraire
1 (1887); Buchenberger, Handb. des Agrarwesens
u. der Agrarpolitik (2 Bde, 1892 f); ders., Grund-
züge der deutschen Agrarpolitik (21899); Frhr.
v. d. Goltz, Vorles. über Agrarwesen u. Agrar-
politik (21904); ders., Gesch. der deutschen Land-
wirtschaft (2 Bde, 1902/03); Glatzel, Die preuß.
Agrargesetzgebung (1895); Blondel, La crise
agraire (Par. 1897); Brentano, Agrarpolitik I
Agrarsozialismus — Agypten.
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(1897); ders., Die Schrecken des überwiegenden In-
dustriestaats u. das Freihandelsargument (1901);
A. Wagner, Agrar= u. Industriestaat (21902);
L. Pohle, Deutschland am Scheideweg (1902);
E. Stumpfe, Die Seßhaftmachung der Landarbeiter
(1906); Verhandlungen des deutschen Landwirt-
schaftsrats; Verhandlungen des preuß. Landes-
ökonomiekollegiums; Herold, Die wichtigsten Agrar-
fragen (1905); Ruhland, Die Lehre von der Preis-
bildung für Getreide (1904); Faßbender, Allmende
nach sozial-eth. u. wirtsch., betriebstechn. u. sozial-
polit. Gesichtspunkten (1905); Wismüller, Gesch. d.
Teilung der Gemeindeländereien in Bayern (1904);
Christoph, Die ländl. Gemeingüter in Preußen
(1906); Eliasberg, Bedeutung des Allmendbesitzes
in der Gegenwart (1907).
Wichmann, rev. Faßbender.)
Agrarsozialismus s. Bodenreform.
Agypten. 1. Geschichte. Die ägyptische
Geschichte ist auch trotz der erst durch die letzten
Ausgrabungen festgelegten babylonischen noch die
älteste der Welt; sie beginnt etwa mit dem Jahr
3300 v. Chr. Jedoch gewähren die letzten Gra-
bungsfunde auch schon wesentliche Einblicke in die
vorhistorische Zeit. Man teilt die ganze Zeit von
3300 v. Chr. bis zur Eroberung Agyptens durch
Alexander d. Gr. in 31 Dynastien, die sich auf
das Alte, Mittlere und Neue Reich, sodann auf
die Zeit der Fremdherrschaften und die Spätzeit
(663/332 v. Chr.) verteilen. Wechsel der Herr-
schaft zwischen Ober= und Unterägypten, Knech-
tung durch Einwandrer, Ansiedlung der Is-
raeliten, Wiedergewinnung der Unabhängigkeit,
Bau gewaltiger Denkmäler, große Feldzüge usw.
füllen die Zeit der drei Reiche (etwa bis 1090
v. Chr.) aus. Dann folgten tanitische, libysche,
äthiopische und assyrische Könige. Die Empörung
der Agypter gegen die Assyrer brachte schließlich
(663) den Fürsten Psammetich von Sais mit
karischer und ionischer Hilfe auf den Thron; er
begründete die saitische Dynastie und machte
Agypten, nachdem er die kleinen einheimischen
Fürsten gestürzt hatte, wieder zu einem Einheits-
staat; auch machte er der bisherigen Abgeschlossen-
heit Agyptens nach außen ein Ende, indem er
die Ansiedlung von Griechen, seiner Helfer, ge-
stattete. Dies erweckte die Eifersucht der Krieger
und veranlaßte die Auswanderung zahlreicher
Mitglieder derselben nach Athiopien. Sein Nach-
solger Necho erneuerte die Verbindung zwischen
dem Nil und dem Roten Meer, war im Krieg gegen
Juda glücklich, unterlag jedoch von neuem den
Assyrern. Ihm folgten Psammetich II. und Apries,
während die Babylonier sich in Assyrien festsetzten.
Apries verlor durch einen Aufstand der Krieger
Thron und Leben. Der Führer des Aufstands,
Amasis, gelangte auf den Thron, hob das Reich
durch innere Kräftigung und äußere Erobe-
rungen; doch wurde bereits unter seinem Sohn
Psammetich III. Agypten eine Beute der Perser
(526) unter Kambyses. Griechische Sprache und
Bildungselemente hatten seit Psammetich I. Ein-