153
jedoch erhielt er die Verwaltung Agyptens und
gleichzeitig deren Erblichkeit in seiner Familie zu-
gesichert (1841). Im folgenden Jahr mußte er
im Zusammenhang mit seinen letzten kriegerischen
Mißerfolgen auf Verlangen der Pforte auch das
von ihm befolgte Monopolsystem opfern. In
diesen Jahren begann sein Geist sich zu umnachten,
so daß er schon 1844 seine Söhne zu Mitregenten
machte. 1848 mußte Ibrahim die Regierung völlig
übernehmen und wurde von der Pforte als sein
Nachfolger bestätigt. Mehemed Ali starb am 2. Aug.
1849. Er hinterließ eine gegen früher bedeutend
nach Süden erweiterte Herrschaft; dank seinen ge-
schickten militärischen und finanziellen Vorberei-
tungen erwarb er, allerdings erst nach Wechsel-
fällen ernsterer Art, das Gebiet nilaufwärts bis
einschließlich Kordofan. Mehemed Ali, der zu
seinen politischen Zwecken vor der blutigsten Grau-
samkeit nicht zurückschreckte, unternahm doch auf
die Nachricht harter Bedrückung der Bevölkerung
am oberen Nil hin selbst 1838 eine Reise nach
Chartum, bestrafte die schuldigen Beamten schwer
umd ließ feierlich die Abschaffung der Sklaverei
verkündigen. Die Mittel zu seinen großen Unter-
nehmungen erwarb Mehemed Ali durch Belebung
des ägyptischen Außenhandels. Letztere erreichte
er auf dem gewaltsamen Weg des Monopol-
systems, durch den den Fellahs auferlegten Zwang,
ihre gesamte Ernte zu einem von der Regierung
vorher bestimmten Preis an die Staatslager ab-
zuliefern. Die gewerbliche Tätigkeit lenkte er
großenteils aus der Hausindustrie in neue, von
ihm angelegte Staatsfabriken über. Doch war
der europäische Wettbewerb damit nicht aus dem
Feld zu schlagen; Agypten als von der Natur zum
Ackerbau bestimmtes Land bildet für die Entwick-
lung der Industrie keine Grundlage und bietet
für dieselbe keine Hilfsmittel; vor allem mußten
die Anläufe zur Industrie unter dem erlahmenden
Einfluß des Monopolsystems erfolglos bleiben:
heute zeugen die Ruinen vieler Fabriken von der
verfehlten Unternehmung Mehemed Alis. Wie
bei den wissenschaftlichen Expeditionen, so bediente
der Pascha sich auch bei seinen gewerblichen und
handelspolitischen Plänen europäüscher Intelligenz.
Finanzwirtschaftlich hatte Mehemed Ali Agypten
derart zerrüttet, daß es am Ende seines Regiments
gänzlich erschöpft war.
Ibrahim Pascha hatte nur eine kurze Regierung,
vom Juli bis Nov. 1848. Dann erhielt Abbas I.,
ein Enkel Mehemed Alis, die Statthalterschaft
(Nov. 1848 bis Juli 1854). Den Europäern
gegenüber ganz andern Grundsätzen folgend als
sein Großvater, entließ er fast alle europäischen
Beamten. Als auf Veranlassung der Mächte die
Türkei 1851 von ihm verlangte, daß er die in
der Türkei 1840 eingeführte staats= und zivil-
rechtliche Gleichheit der Christen mit den Mo-
hammedanern einführen solle, weigerte er sich. Es
gelang ihm schließlich, die Pforte nicht nur zum
Verzicht auf ihre Forderung, sondern zu weiteren
Agypten.
154
Zugeständnissen zu zwingen. Zur Hebung der
wirtschaftlichen Lage und Kraft des Volkes er-
mäßigte Abbas die drückendsten Steuern und min-
derte die Heeresausgaben; doch mußte er mit Flotte
und 15 000 Mann am Orientkrieg teilnehmen.
Den Gedanken des Handelsmonopols griff er
wieder auf. 1854 wurde unter ihm die erste ägyp-
tische Eisenbahn (Teilstrecke Alexandria-Kaffr es-
Sajjat) eröffnet. Abbas' für Sicherheit des Lebens
und Eigentums wohltätiger Strenge kann man es
zuschreiben, daß er durch Erdrosselung endete. Auf
Abbas folgte Mehemed Alis vierter, 1822 ge-
borner Sohn Said (Juli 1854 bis Jan. 1863).
Derselbe zog wiederum die Europäer an sich; sein
Name bleibt mit der Herstellung des Sueskanals,
zu dessen Erbauung er trotz aller feindseligen Um-
triebe der Engländer Lesseps die Konzession er-
teilte, für immer verknüpft. Er stellte Lesseps außer
der Zusage der nötigen Arbeitskräfte — Fron-
dienste der Fellahs — durch Ubernahme von Aktien
auch reiche Geldmittel zur Verfügung. Damit
war der erste Schritt zu einer Entwicklung getan,
welche das Land schließlich in die Hände der Eng-
länder liefern sollte. Es kam die Aufnahme der
ersten ägyptischen Staatsanleihe des Jahrs 1862
im Betrag von 2195 200 Pfund Sterling zu
dem nur von den Anleihen 1868 und 1870 (75%)
unterbotenen Ausgabepreise von 821⅛ %% bei 7%
Verzinsung, wie sie bei den ersten neuen Anleihen
üblich war. In demselben Jahr folgte eine zweite
Anleihe (1097 600 Pfund Sterling) zu 84 ½ %
Ausgabepreis.
Ismail (Jan. 1863 bis Juni 1879), geboren
1830 als Sohn Ibrahims, erlebte die Wendung
in dem mit Mehemed Ali begonnenen politischen
und volkswirtschaftlichen Drama, indem er gleich-
zeitig auch die Hauptschuld auf sich lud. In Paris
erzogen, suchte Ismail der europäischen Kultur
in Agypten auf jede Weise Eingang zu verschaffen:
er hob das Schulwesen, errichtete die ersten Mäd-
chenschulen, förderte die öffentlichen Bauten, den
Verkehr in umfassendstem Maß und gab seinem
Ehrgeiz durch kostspielige, erfolgreiche Eroberungs-
züge in den Sudan nach. Die nebst Chartum
und Kordofan heute Agypten wieder verloren ge-
gangenen Provinzen Dar-Fur, Bahr el-Abiad,
Bahr el--Ghasal und Aquatoria sowie das So-
malireich Harar fügte Ismail der ägyptischen
Herrschaft hinzu. Von der Pforte kaufte er die
Häfen Suakin, Massaua, Zeila und Berbera.
Seiner Glanzliebe trugen Anderungen in dem
staatsrechtlichen Verhältnis zur Türkei Rechnung:
ein Ferman vom. 8. Juni 1867 verlieh ihm den
Titel Khedive mit dem Prädikat Hoheit und dem
Rang eines Großwesirs; freilich mußte dieses
sormelle Zugeständnis mit der Erhöhung des an
die Türkei zu zahlenden Tributs auf fast den
doppelten Betrag erkauft werden. Am 8. Juni
1873 wurde ihm unter nochmaliger Erhöhung des
Tributs eine Reihe weiterer Rechte verliehen, die
sich auf Gesetzgebung, Rechtspflege, Münzprägung,