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El-Arisch als Goubernorate und Behera, Char-
tije, Dachalije, Gharbije, Kalubije, Menufije als
Provinzen; auf Oberägypten Gouvernorate Don-
gola und Suakin, Provinzen: Gise, Beni Suef,
Fajum, Minje, Siut, Girge, Kene, Nubien.
Die Provinzen werden in Distrikte (102), diese in
Gemeinden (meist mehrere Dörfer oder Ansied-
lungen umfassend) eingeteilt. Das Gouvernorat
verwaltet ein Gouverneur und ein Untergouverneur
mit einem entsprechenden Beamtenstab, darunter
technisches und ärztliches Personal. Kairo hat eine
besondere Verwaltung (Daira-Baladieh), Alex-
andria wird nach europäischem Muster von einer
zur Hälfte aus Europäern, zur andern Hälfte aus
Eingebornen gebildeten Munizipalität verwaltet.
Die Provinzialverwaltung wird gebildet aus einem
Mudir, einem Untermudir, einem Finanzchef (Se-
raf, bei den Türken Defterdar) usw. Die Gemein-
den stehen unter dem Scheich el-beled. England
übt seit 1882 die Polizei in Agypten aus mit-
tels eines je nachdem militärischen oder zivilen
Charakter tragenden Beamtenheers. Polizei= und
Verwaltungsbehörden haben eine beschränkte Be-
fugnis der Voruntersuchung bei Verbrechen und
Vergehen.
Die einheimische Justizpflege wurde erst
in den 1880er Jahren durchgreifend geregelt; vor
allem wurde der bis dahin schrankenlosen Willkür
hinsichtlich des Gerichtsstandes ein Ziel gesetzt.
Einheimische Tribunale, an denen nach einem fran-
zösischen Mustern nachgebildeten Gesetzbuch Recht
gesprochen wird, bestehen in Alexandria, Kairo,
Tanta, El-Mansura, Benha el-Aßal, Beni Suef,
Siut, Kene. In Kairo befindet sich ein Appell-
hof. Daneben bestehen die alten religiösen, auf
dem Koran fußenden Gerichte, Mehkemmehs, für
Erb= und Hypothekenrecht, Führung der Hypo-
thekenbücher, Beaufsichtigung der Vormundschafts-
verwaltung und Waisenkassen. (Wie in der Türkei,
haben auch in Agypten die Patriarchate der ver-
schiedenen christlichen „Nationen“ sowie die Groß-
rabbiner jurisdiktionelle Befugnisse.) Die ein-
heimische Gerichtsbarkeit ist noch mit vielen
Mängeln behaftet. Im Gefängniswesen sind erst
in neuester Zeit menschenwürdige Verbesserungen
eingetreten.
Die Ausländer haben eine auf Kapitulationen
beruhende besondere Gerichtsbarkeit. Mehemed
Ali rief, lang vor der Türkei, nach europäischem
Muster ein Straf= und Handelsrecht ins Leben
mit gemischten, aus Europäern und Agyptern
zusammengesetzten Handelsgerichten für Streitig-
keiten zwischen Europäern und Mohammedanern.
Seit Mitte des 19. Jahrh. war die Strafgerichts-
barkeit gegen Europäer den betreffenden zustän-
digen Konsuln überlassen. Nubar Paschaprotestierte
1867 bei Frankreich gegen die daraus entsprunge-
nen Mißbräuche und schlug gemischte Tribunale
vor. Er erwähnte 17 verschiedene Konsulargerichts-
barkeiten, von diesen wurden aber nur diejenigen
der sechs Großmächte in nennenswerter Weise
Agypten.
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praktisch. Nach der Vereinbarung der Mächte
mit Agypten 1875 sollten drei gemischte Gerichte
zu Kairo, Alexandria und Sagasig, ein gemischter
Appellhof in Alexandria errichtet werden. Wäh-
rend die Gerichtsbarkeit der Konsuln in Straf-
sachen gegen die Angehörigen ihrer Nation sowie
in Streitsachen zwischen Angehörigen der gleichen
Nation bestehen blieb, sollten die neuen Gerichte in
allen Zivil= und Handelsstreitsachen zwischen Aus-
ländern und Eingebornen sowie zwischen Auslän-
dern verschiedener Nationalitäten entscheiden. Auch
untersteht ihnen der Vizekönig mit Familie, die
Regierung, die Schuldenverwaltung in allen Strei-
tigkeiten mit Europäern. Die Urteile werden nach
Inkenntnissetzung des zuständigen Konsuls aus-
geführt. Strafrechtliche Befugnis haben diese
Tribunale nur hinsichtlich solcher Vergehen, welche
gegen Richter und Hilfspersonal gerichtet oder von
Angestellten des Gerichts in Ausübung des Dien-
stes begangen sind, außerdem Kontraventionen
gegen Ordnung und Sitte. Grundlage der Recht-
sprechung bildet ein neuverfaßtes bürgerliches und
Handelsgesetzbuch; hierzu kommt eine neue Prozeß-
ordnung. Am 1. Febr. 1876 wurden die ge-
mischten Tribunale in Wirksamkeit gesetzt, mit der
Bedingung der alle fünf Jahre neu zu bestätigenden
Gültigkeit. Die europäischen Richter sind immer
in der Mehrzahl, die einheimischen Richter ernennt
der Vizekönig selbständig, die europäischen auf
Vorschlag der Mächte, welche über die Besetzung
der Stellen unter sich (bei den Tribunalen erster
Instanz auch die Mächte zweiten Rangs) Verein-
barungen treffen. Die Sitzungen sind öffentlich:
die Senate bestehen aus drei europäischen und zwei
eingebornen Richtern. Die Gerichtssprache ist meist
französisch, dann auch italienisch und arabisch.
4. Armee. Der Dienstpflicht ist jeder Agypter
(ausgenommen Geistliche, Lehrer, Studenten) vom
19. Lebensjahr an unterworfen. Fünfjähriger
Dienst in der Armee oder Marine; fünf Jahre in
der Reserve oder Polizei. Für 20 Pfund Sterling
kann man sich loskaufen. 18000 Mann höchster
erlaubter Effektivbestand. Die Polizei (militärisch
organisiert) zerfällt in Stadt= und Provinzial-
polizei und wird teils aus Ausländern teils aus
Landwehrleuten gebildet. Zur Küstenschutzverwal-
tung gehören etwa 1900 Mann (einschließlich
150 Offizieren). Großbritannien unterhält 4000
Mann Besatzungstruppen, die aber 1907 be-
deutend verstärkt wurden. Die Kriegsflotte be-
schränkt sich auf einige kleine Dampfer, davon
nur fünf mit je einem Geschütz.
5. Handel (in ägyptischen Pfund):
Jahr Einfuhr Ausfuhr
1906 . 24 010 795 24 877 280
1905. 21 564 076 20 360 285
1904 . 20 559 588 20 811 040
Handel im einzelnen (1906) nach Tausenden
ägyptischer Pfund (s. erste Tabelle auf Sp. 165):