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hingestellt wurde, hat der umgekehrte Wunsch in
dem Gesetz von 1884 zu dem Resultat geführt,
den Minimalbetrag der Aktie auf 1000 M fest-
zusetzen. Im übrigen enthält das Gesetz zum
Schutz der Aktionäre weitgehende Bestimmungen
über die Gründung von Aktiengesellschaften, Ver-
antwortlichkeit der Gründer, sowie die an die
Gründer für ihre eingelegten oder übernommenen
Gegenstände zu gewährenden Entschädigungen.
Diese Schutzmaßregeln sind im deutschen Handels-
gesetzbuch von 1897 noch verschärft, und es ist
die gesetzliche Haftung für Unregelmäßigkeiten und
Übervorteilungen über den Kreis der Gründer
hinaus auch auf die Emittenten von Aktien aus-
gedehnt. Diese Bestimmungen dürften im Zu-
sammenhalt mit den zum Schutz der Minoritäten
geschaffenen wohl geeignet sein, dem Aktien--
schwindel wirksam zu begegnen. Derselbe kann
heute vorwiegend noch getrieben werden durch
Übergründungen oder ein ungesundes Hinauf-
treiben des Kurses an der Börse.
In der Entwicklung des Aktienrechts haben sich
Institutionen bilden müssen, welche einerseits die
nur mit Kapital an dem Geschäft beteiligten
Aktionäre schützen, anderseits dem ohne persönliche
Grundlage als Rechtssubjekt dastehenden unper-
sönlichen Kapital eine Vertretung Dritten gegen-
über und diesen Dritten, insbesondere den Gläu-
bigern der Aktiengesellschaft, einen Schutz schaffen.
Aktiengesellschaft.
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ferner das Recht, daß nur sie allein Veränderungen
des Statuts, Abänderung des Zwecks der Gesell-
schaft, die Auflösung der Gesellschaft oder die
Verlängerung derselben über die festgesetzte Zeit
hinaus beschließen kann. Die Grenzen, innerhalb
deren die Generalversammlung ihre Befugnisse
ausübt, werden gleichfalls von der Generalver=
sammlung in dem Gesellschaftsvertrag (Statut)
festgesetzt. Wie es bei einer lediglich auf beschränkter
Geldbeteiligung aufgebauten Gemeinschaft nicht
anders möglich ist, beruhen alle Beschlüsse, welche
von einer Generalversammlung der Aktionäre ge-
faßt werden, auf Majorität. Und infolgedessen,
sobald diese Beschlüsse nicht einstimmig gefaßt
werden, enthalten sie eine Majorisierung der in
der Minderheit bleibenden Aktionäre. Es ist daher
seit Jahren in den Gesetzgebungen die Frage nach
dem Schutz der Minoritäten der Aktionäre venti-
liert worden. Das deutsche Aktienrecht hat für
diesen Schutz in weitgehender Weise Sorge
getragen. Es hat nicht nur die bereits durch die
Judikatur als Rechtsinstitution ausgebildete Be-
fugnis des einzelnen Aktionärs, wegen Gesetzes-
oder Statutenverletzung gegen die Gesellschaft klag-
bar zu werden, mit detaillierten Bestimmungen in
die Kodifikation des Aktienrechts aufgenommen,
sondern auch auf dem Weg der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit und durch bis in das Prozessuale
hineingreifende Detailbestimmungen die Anfech-
In ersterer Beziehung sind hier zu nennen die tungsrechte der Minoritäten als solcher fixiert.
Generalversammlung der Aktionäre und der Auf-
Als zweites Organ der Aktiengesellschaft fungiert
sichts-Boder Verwaltungsrat, in letzterer Beziehung der Aufsichtsrat. An und für sich muß man
der Vorstand oder die Direktion, sowie in beiden es als ein wirtschaftliches Erfordernis betrachten,
Beziehungen die gesetzlichen Schutzmaßregeln, daß derjenige, welcher ein Geschäft leitet und be-
welche in Bezug auf die Gründung von Aktien= aussichtigt, bei dem Geschäft materiell interessiert
gesellschaften, Emission der Aktien, Feststellung der sei. Denn man darf annehmen, daß, wer mit
Bilanzen und des Reingewinns sowie den Schutz eigenem Geld bei dem Geschäft beteiligt ist, schon
der Minoritäten der Akionäre vorgesehen sind. mit Rücksicht hierauf vorsichtiger in Bezug auf
Der Generalversammlung der Aktionäre das in gleicher Weise beteiligte fremde Geld handle.
als solcher liegt die oberste Kontrolle der gesamten! Der Aufsichtsrat, welcher nach der Entwicklung
Geschäftsgebarung ob; sie ist das höchste Organ des Aktienrechts innerhalb der durch die Statuten
der Aktienverbindung, ihre Beschlüsse erscheinen gezogenen Grenzen die Generalversammlung dem
als der unmittelbare Ausdruck des Korporations-=
willens. Infolgedessen steht der Generalversamm-
lung an und für sich die Wahl des Vorstands, der
sonstigen Behörden und Beamten sowie die Aufsicht
und Kontrolle über diese zu. Letztere wird ausgeübt
namentlich durch die Prüfung der Geschäftsführung
und des Geschäftsresultats, welch letzteres seinen
Ausdruck in der Bilanz findet. Die Ernennung
der Beamten seitens der Generalversammlung
findet insofern oft eine Ausnahme, als die Er-
nennung der Direktoren (Vorstand) und unteren
Beamten dem Aufsichts= und Verwaltungsrat
überlassen ist, was jedoch nicht ausschließt, daß in
zweifelhaften Fällen oder in Fällen der Verhin-
derung der Generalversammlung dem Begriff nach
dieses Recht zusteht. Ebenso liegt es in der Natur
dieses Organs, daß ihm die Bestimmung über
die Verteilung des Geschäftsgewinns obliegt. Aus
dem Wesen der Generalversammlung entspringt
die Geschäfte führenden Vorstand gegenüber er-
setzen soll, erscheint in seinem Wesen als ein Extrakt
der Generalversammlung, als ein Ausschuß der-
selben, welcher von dieser selbst zur ständigen Be-
aufsichtigung und Uberwachung der Geschäfte und
daher mit Rücksicht auf besondere Geschäftskennt-
nisse und Erfahrung gewählt wird. Das Aktien-
recht hielt zuerst daran fest, daß die Mitglieder des
Verwaltungsrats selbst Aktionäre waren. Im
deutschen Recht ist seit 1884 diese Bestimmung
fallen gelassen. Die Absicht, Verwaltungsrats-
posten nicht zu Sinekuren einzelner zu machen,
mag ja eine ganz löbliche sein; allein es wider-
streitet der gesamten Rechtsentwicklung, den Auf-
sichtsrat von der Gesellschaft in dieser Weise
loszuschälen. Die Frage einer Reorganisation des
Aufsichtsratswesens wurde in Deutschland nament-
lich nach dem Zusammenbruch einer großen An-
zahl Aktiengesellschaften in den Jahren 1901 und