Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

7 Kapital usw. 8 
„angelegt‘; er hat sein Kapital in Grundstücken, 
Häusern u. dgl. festgelegt" und kann es augen- 
blicklich nicht herausziehen, nicht flüssig" machen 
usw. Es bedarf keines weiteren Beweises, daß alle 
diese Redensarten keinen Sinn haben, wenn man 
an der von den meisten Vertretern der Wissenschaft 
geforderten Auffassung des Kapitalbegriffes fest- 
hält; denn welches „Kapital“ soll denn in diesem 
Hause, Landgute, in der Fabrik oder in dem 
Warenlager bzw. in dem Wohnungsmobiliar, in 
der Gemäldesammlung oder in dem Schmucke noch 
„stecken", wenn schon das Haus, das Landgut, die 
Fabrik oder das Warenlager selbst ein „Kapital 
ist, bzw. wenn das Wohnungsmobiliar, die Ge- 
mäldesammlung oder der Schmuck selbst gar kein 
„Kapital“ ist? Die gedachten Redewendungen wer- 
den jedoch sofort verständlich, wenn man sich die 
Auffassung der Laien vergegenwärtigt. Der Laie z 
versteht heute noch unter „Kapital" in erster Reihe 
das sog. „Geldkapital“, die zinsentragende Geld- 
summe (die alte Auffassung des Kapitalbegriffes), 
und wenn er hierbei auch just nicht an die einzelnen 
Geldstücke denkt, so schwebt ihm doch bei dem 
Worte „Kapital" jedesmal ein (größerer) Geldes- 
(Vermögens-)Wert vor, der ein Erträgnis tat- 
sächlich abwirft oder möglicherweise abwerfen 
könnte. Und diese Auffassung steckt uns so tief im 
Blute, daß viele derjenigen Nationalökonomen, 
die in ihren Schriften ausdrücklich lehren, die be- 
treffenden Produktions--(Erwerbs-)Mittel selbst 
seien „Kapital“, dann doch wieder von „Kapitalien 
sprechen, die in Häusern, Landgütern usw. stecken“, 
die bald die „Form' von Maschinen, von Baum- 
wolle oder andern Waren „annehmen" u. dgl. m.“ 
(Kleinwächter a. a. O. 207). 
Das Ungereimte dieser Vorstellung findet seine 
Erklärung, wenn man dem Begriffe des Kapitals 
erläuternd beifügt, alles Kapital bestehe nur in 
bestimmten Wertbeträgen, die für Erwerbszwecke 
verfügbar sind bzw. bereits faktisch im Dienste 
bestimmter Erwerbszwecke stehen, gleichviel in 
welcher Gestalt sich diese Wertbeträge augenblick- 
lich befinden mögen, also nicht in bestimmten 
Wertobjetten (Hildebrand). 
2. Bestandteile und Arten des Ka- 
pitals. Gemäß der obigen Begriffsbestimmung 
umfaßt das Produktivkapital einer Volks- 
wirtschaft alle Stoffe und Werkzeuge der natio- 
nalen Produktion, einschließlich des Handels, so- 
weit sie selbst Produkte sind, also: die Nohstoffe, 
sowohl die Verwandlungsstoffe, welche die wesent- 
liche Substanz des neuen Produktes bilden, als 
die Hilfsstoffe, die bei der Produktion verzehrt 
werden, ohne jedoch sichtbare Bestandteile des 
neuen Produktes zu werden, z. B. die Kohle beim 
Schmieden; die Werkzeuge im engeren Sinne des 
Wortes und die Maschinen, die sich von den Werk- 
zeugen dadurch unterscheiden, daß bei ihnen die 
bewegende Kraft nicht unmittelbar vom mensch- 
lichen Körper ausgeht wie beim Werkzeug, das 
nur die Bewaffnung oder den besseren Ersatz ein- 
  
zelner menschlichen Gliedmaßen bildet (Roscher 
a. a. O. 99); ferner die Arbeits= und Nuttztiere, 
die produktiven Bauwerke aller Art, die Werk- 
stätten, Fabriken, Scheunen, Stallungen, Maga- 
zine, Straßen, Eisenbahnen u. dgl., die Boden- 
meliorationen, z. B. Entwässerungs= und Be- 
wässerungsanlagen, desgleichen die produktiven 
Einrichtungen an Grund und Boden, wie Dämme, 
Deiche, die sich oft freilich mit dem Boden selbst 
dermaßen verbinden, daß sie kaum mehr selbstän- 
dig davon zu unterscheiden sind, endlich die Waren- 
lager als Stoffe des Handels und das Geld als 
Werkzeug desselben. 
Anderseits begreift das Erwerb kapital außer 
den sämtlichen Bestandteilen des Produktivkapitals 
auch noch jene Genußgüter in sich, welche von 
ihren Eigentümern nicht als solche benutzt, sondern 
. B. im Wege des Tausches, Verleihens oder 
Vermietens als Mittel des Gütererwerbes benutzt 
werden, wie Miethäuser, Leihbibliotheken usw. 
Böhm-Bawerk (a. a. O. 22) nennt hier auch „die 
Unterhaltsmittel, welche die Unternehmer ihren 
Arbeitern vorschießen“; doch dürften dieselben eher 
der ersteren Kategorie zuzurechnen sein. 
Das Kapital zerfällt ferner in das stehende 
(feste, Anlage-) Kapital und in das umlaufende 
Olüssige, Betriebs-) Kapital, ersteres so genannt, 
weil es größere oder geringere Dauerhaftigkeit 
besitzt, daher zu wiederholter Produktion dienen 
kann, wie Gebäude, Werkzeuge, Maschinen, Ge- 
räte, Zugtiere. Es verliert während jedes ein- 
zelnen Produktionsprozesses nur immer einen Teil 
seines Wertes und belastet das Kostenkonto nur 
mit einer Quote (Abnutzungs= oder Amortisations- 
quote) seines Wertes. Dagegen umfaßt das um- 
laufende Kapital jene Kapitalgüter, welche nur 
eine einmalige Verwendung zu Produktions= bzw. 
Erwerbszwecken zulassen, wie Rohstoffe, Hilfs- 
stoffe usw. „Das Geld kann mittelbar auch um- 
laufendes Kapital sein, aber im eigentlichen Sinne 
nur, insoweit es zur Beförderung der Produktion 
dient, z. B. zum Ankauf von Nohstoffen, Ma- 
schinen usw. oder zur Entlohnung der Arbeiter. 
Insofern aber das Geld Gegenstand des Dar- 
lehensvertrages oder anderer nicht produktiver 
Geschäfte ist, kann es nur ganz uneigentlich, nur 
metaphorisch Kapital genannt werden, voraus- 
gesetzt, daß die Zinsen rechtmäßig sind“ (Costa- 
Rossetti, Grundlagen der Nationalökonomie 119). 
Die Verschiedenheit des Produktiv= und Er- 
werbskapitals macht sich auch hier bei der Unter- 
scheidung des umlaufenden und stehenden Kapitals 
geltend, insofern manche Güter, als Produktions-= 
mittel verwendet, einen wiederholten, dagegen als 
Mittel eines Erwerbes, der nicht Gütererzeugung 
ist, angewendet, nur einen einmaligen Gebrauch 
durch ein und denselben Besitzer zulassen, daher 
in ersterer Eigenschaft zum stehenden, dagegen als 
Bestandteil des Erwerbskapitals angesehen, zum 
umlaufenden Kapital gerechnet werden müssen. 
Eine Maschine z. B. läßt eine mehrmalige Ver-
	        
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