9 Kapital usw.
wendung zu Produktionszwecken zu, dagegen ist
sie in der Hand des Maschinenfabrikanten, der sie
verkauft, umlaufendes Kapital, ebenso wie das
Geld in der Hand des Kaufmanns (Böhm-Bawerk
a. a. O. 22).
Wenn man ferner als Eigentümlichkeit des
stehenden Kapitals bezeichnet, daß es seine Be-
stimmung ungleich schwerer wechseln könne als das
umlaufende, so ist das nicht im buchstäblichen
Sinne zu verstehen. Denn auch die umlaufenden
Kapitalien können, streng genommen, ihre Be-
stimmung nicht mehr wechseln. Die einmal zur
Tuchfabrikation verwendete Wolle läßt keinen an-
dern Gebrauch mehr zu. Aber weil sich die um-
laufenden Kapitalien in einem einzigen Produk-
tionsprozeß verzehren, hat man gerade deswegen
sehr bald die Wahl, ob man den aus der produk-
tiven Verwendung erzielten Erlös abermals in
derselben Produktionsart investieren oder andern
Produktionszwecken zuführen will. Also nur das
Geld, als Ersatzmittel der Kapitalsgüter, hat diese
Leichtigkeit, von einem Zweig der Produktion zu
einem andern überzugehen. Eine solche Wahl-
freiheit lassen natürlich die stehenden Kapitalien,
die sich erst in einer längeren Reihe von Produk-
tionsperioden allmählich abnutzen, wie Maschinen,
Fabrikanlagen, viel seltener und nur nach längeren
Zwischenräumen zu.
Eine weitere, aber weit weniger berechtigte
Unterscheidung ist die in produktives und
Gebrauchskapital. Unter ersterem versteht
man dann eben das eigentliche Kapital, d. i. das
der Produktion beziehentlich dem Erwerbe dienende
Vermögen, unter dem letzteren hingegen jene Güter,
die, wie das Wohnhaus, das Wohnungsmobi-
liar usw., eine längere persönliche Benutzung ge-
statten. Es bedarf jedoch keines Beweises, daß
der Ausdruck „Gebrauchskapital“ unzulässig ist,
wenn man das Kapital als das der Produktion
beziehentlich dem Erwerb dienende Vermögen
definiert, weil jenes angebliche Gebrauchskapital
weder der Produktion noch dem Erwerbe, sondern
lediglich dem persönlichen Gebrauche oder Genusse
dient, also überhaupt kein Kapital im eigentlichen
Sinne, sondern sog. Genußvermögen ist. Im ge-
wöhnlichen Leben nennt man freilich die dem per-
sönlichen Gebrauche dienenden Güter Gebrauchs-
kapitalien, weil man sich die Summe vergegen-
wärtigt, welche die fraglichen Güter gekostet haben,
und dann an die Möglichkeit denkt, diese Summe
zum Erwerbe zu verwenden (Kleinwächter a. a. O.
209).
Zugleich aber wird klar, daß ein und derselbe
Gegenstand als bloßes Gebrauchskapital, also
Kapital im uneigentlichen Sinne, oder als Pro-
dultivkapital, Kapital im strengen Sinne, gebraucht
werden kann. Das Reitpferd, das sich der reiche
Rentner aus Freude am Sport hält, ist Genuß-
objekt; steht das nämliche Pferd im Stalle des
Rennstallbesitzers oder Pferdeverleihers, so wird
es durch Verleihen Erwerbsmittel, Kapital im
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eigentlichen Sinne. Das gleiche gilt von dem
Wohnhause, das ich selbst bewohne bzw. an andere
vermiete.
Es fragt sich nunmehr, ob als Kapital lediglich
körperliche, materielle, zum Erwerbe verwendete
Güter zu fassen seien, oder ob auch immaterielle
Güter, die sich zu Erwerbs= oder Produktions-
zwecken sehr nützlich erweisen können, zu demselben
zu rechnen seien. Ein Teil der volkswirtschaft-
lichen Schriftsteller versteht unter Kapital nur die
materiellen Produktions (Erwerbs-MMittel. An-
dere dagegen wollen auch die immateriellen Pro-
duktions= beziehentlich Erwerbsmittel, wie die
menschliche Arbeitskraft, Talente, Fähigkeiten,
Kundschaft, Erfindungsprivilegien, den Staat
u. dgl., als Kapitalien betrachtet wissen. So meint
Roscher, es gebe auch unkörperliche Kapi-
talien, die aus einer Produktion hervorgegangen
seien, zu einer Produktion benutzt werden, wie jedes
andere Kapital, meist aber durch den Gebrauch
keine Abnutzung erleiden, ja wohl gerade erhalten
werden. Viele von ihnen seien übertragbar, z. B.
die Kundschaft einer angesehenen Firma, „andere
wieder mit der menschlichen Arbeitskraft ebenso
untrennbar verbunden, wie die Bodenmeliorationen
mit ihrem Grundstücke, z. B. die höhere Fertig-
keit, welche sich ein Arbeiter durch wissenschaftliche
Studien, das größere Vertrauen, welches er durch
lange Bewährung erworben hat. Das bedeutendste
unkörperliche Kapital ist wohl bei jedem Volke der
Staat selber, dessen wenigstens mittelbare Un-
entbehrlichkeit zu jeder bedeutenderen wirtschaft-
lichen Produktion klar genug einleuchtet“ (Roscher
a. a. O. 100).
Nun ist gewiß nicht zu verkennen, daß solche
immaterielle Güter die Produktion und den Er-
werb wesentlich beeinflussen und fördern können,
z. B. die technischen Kenntnisse, die zu Erfin-
dungen führen, das Renommee einer Geschäfts-
firma, ja daß solche Güter, wie Erfindungspatente
oder das Recht, eine Firma zu führen, oft Gegen-
stand eines Rechtsgeschäftes sind und mitunter
um hohe Summen verkauft werden. Erinnert sei
in dieser Beziehung — ein markantes Beispiel —
an den bekannten Streit, den mehrere Münchener
Großbrauerfirmen miteinander wegen der Waren-
bezeichnung „Salvator“ führten. Es handelte sich
in diesem Rechtsstreite um eine bloße Benennung,
und doch fühlt sich die Firma, die allein das An-
recht auf diese Bezeichnung zu besitzen glaubt, in
ihrem Erwerbe beeinträchtigt, wenn auch andere
Betriebe diesen Titel für die Reklame sich aneignen.
Man sieht, wie ein so eigentlich immaterielles Ding
wie ein Name von großer Bedeutung für das Er-
werbsleben ist. Aber das berechtigt noch keines-
wegs, persönliche Güter, wie Kenntnisse und Fähig-
keiten eines Menschen, zu den Kapitalien zu rech-
nen, weil sie ein unausscheidbarer Teil des Men-
schen selbst, also kein eigentliches selbständiges
Produktionsmittel sind, und weil es überdies der
Menschenwürde widerstreitet, den Menschen selbst