Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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als Produktionsmittel zu betrachten (Costa-Rossetti 
a. a. O. 119). Sie sind weder Gegenstand der 
Produktion noch ökonomische Güter im strengen 
Sinne. Denn die eigentlich wirtschaftliche Tätig- 
keit hat nur äußere materielle Güter zum Gegen- 
stande, und nur diese Sachgüter allein sind öko- 
nomische Güter im eigentlichen Sinne, während 
die gedachten persönlichen Güter, insofern sie für 
die Wirtschaft nützlich sind, nur in einem weiteren 
und uneigentlichen Sinne ökonomische Güter ge- 
nannt zu werden verdienen. Es verstößt auch gegen 
den Sprachgebrauch, Gesundheit, Körperkräfte, 
Talente des Menschen als Gegenstand eigentlicher 
ökonomischer Produktion zu bezeichnen. Noch weit 
weniger würde es sich rechtfertigen, Tugend, Ehre, 
Rechte und andere soziale Verhältnisse als „öko- 
nomisch produziert“ zu bezeichnen, auch dann nicht, 
wenn man an den Nutzen dieser Güter für die 
materielle Wohlfahrt denkt. Ubrigens zwingt kein 
vernünftiger Grund, in diesem Punkte vom Sprach- 
gebrguche des Lebens abzuweichen, der zwischen den 
ökonbmischen Sachgütern und jenen immateriellen 
Dingen scharf unterscheidet. Im Gegenteile muß 
eine Wissenschaft, welche die Würde des Menschen 
achtet, dagegen feierlichen Protest erheben, daß 
man innere Güter des Menschen auf jene Stufe 
herabdrückt, auf welcher Tiere, Pflanzen, Mine- 
ralien stehen. „Ein Teil der persönlichen Güter, 
welche man in weiterem und analogem Sinne 
ökonomische nennen kann, ist überdies imma- 
terieller, geistiger Natur, ohne Zweifel ein ge- 
wichtiger Grund, der uns abschrecken muß, sie 
auf ein und dieselbe Stufe mit den materiellen 
Sachgütern zu stellen. Dies geschieht aber, wenn 
man sie als Gegenstand der ökonomischen Pro- 
duktion im eigentlichen und strengen Sinne erklärt. 
Die Tätigkeiten des Arztes (mit Ausnahme des 
Tierarztes), des Erziehers, des Lehrers, des Prie- 
sters sind daher keineswegs produzierende Tätig- 
keiten oder ökonomische Produktion zu nennen; 
sie sind Funktionen höherer Art, welche die rein 
wirtschaftliche Tätigkeit weit überragen, wenn sie 
auch ökonomisch nützlich sein können. Die Begriffe 
der Produktion und der wirtschaftlichen Nützlichkeit 
dürfen nicht verwechselt werden“ (Costa-Rossetti 
a. a. O. 105 fjv. 
Um hiervon die Anwendung auf das Kapital 
zu machen, so ergibt sich, daß wenn National- 
ökonomen von geistigen Kapitalien sprechen, dies 
nur in analogem Sinne, als Metapher verstanden 
werden darf. In dieser übertragenen Bedeutung 
sagen wir ja auch: der Alkoholismus zehre nicht 
bloß am finanziellen, sondern auch am moralischen 
und intellektuellen Kapital eines Volkes. Die Ver- 
kennung des hier waltenden Unterschiedes rächt 
sich nicht bloß an der Lehre vom Kapital, son- 
dern an der ganzen grundlegenden Auffassung der 
Volkswirtschaft und ihres Zweckes. Es kann da- 
her nicht genug davor gewarnt werden, die per- 
sönlichen Güter des Menschen und folgerichtig 
diesen selbst mit der äußeren materiellen Güter- 
Kapital usw. 
  
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welt zu vermengen. Es darf nicht außer acht ge- 
lassen werden, daß der Mensch Zweck und Mittel- 
punkt der Wirtschaft ist, und daß darum auch seine 
persönlichen Güter einer höheren Ordnung an- 
gehören als die Sachgüter, wenngleich erstere auch 
ökonomisch sehr nutzbringend sein mögen. Mit 
vollem Rechte lehnt daher eine Reihe von National- 
ökonomen diese erweiterte Anwendung des Kapital- 
begriffes ab, wie Knies (Geld und Kredit 1L#1873) 
15, 21 ff), Schäffle (Bau und Leben des ge- 
sellschaftlichen Körpers III 368), der den Begriff 
des „Immaterialkapitals“ damit verspottet, es 
sei „Nichtstoffstoff“ (ugl. Roscher a. a. O. 104). 
Die verbreiteten Ausdrücke: „geistiges Kapital"“, 
„Muskelkapital“, sind abzulehnen. Dieselben 
dienen lediglich dazu, den grundsätzlichen Unter- 
schied von Kapital und Arbeit zu verwischen. 
3. Die Funktion des Kapitals in der 
Produktion. Der ökonomischen Faktoren gibt 
es zunächst zwei: die menschliche Arbeit und die 
äußeren materiellen Dinge, welche teils passiv 
durch ihren Stoff, teils aktiv durch die mate- 
riellen Kräfte zur ökonomischen Produktion mit- 
wirken. Wenn man häufig von drei Faktoren 
spricht und als dritten das Kapital nennt, so ist 
das insofern richtig, als eben die äußeren mate- 
riellen Dinge sich entweder als Naturkräfte und 
stoffe oder als Kapital bezeichnen lassen. Denn 
der Stoff, der in die Produktion eingeht, ist ent- 
weder ganz oder zum Teil von der Natur geboten 
oder wird erst durch menschliche Tätigkeit fähig 
gemacht, bei der Produktion verwendet zu werden. 
Das Kapital ist somit keine originäre, selbstän- 
dige Produktionskraft. Das sind nur Natur und 
Arbeit. Bei jeder Gütererzeugung verbindet sich 
unsere Arbeit mit der Natur, und wir suchen eben 
durch unser Eingreifen den Naturprozeß so zu 
lenken, daß Güter hervorgebracht werden, die 
unsern Bedürfnissen entsprechen. Das ist jedoch 
auf zweifachem Wege möglich. „Entweder richten 
wir unsere Arbeit ganz unmittelbar und ohne 
weitere Vorbereitungen auf die Erlangung der- 
jenigen Genußgüter, deren wir für die Befrie- 
digung unserer Bedürfnisse benötigen, z. B. wir 
sammeln die von der Natur frei dargebotenen, 
wild wachsenden Früchte, wir lesen die auf den 
Strand gespielten Meertiere auf, wir brechen mit 
unbewaffneter Hand das Reisig im Walde. Oder 
wir schlagen Produktionsumwege ein, d. i. wir 
erzeugen mit unsern originären Produktivkräften 
(Natur und Arbeit) zunächst nicht jene Genuß- 
güter, auf die unsere Endabsicht gerichtet ist, son- 
dern irgend welche „Zwischenprodukte", die uns 
später dazu behilflich sein sollen, die eigentlich 
begehrten Genußgüter besser oder reichlicher zu 
erlangen, z. B. wir pflanzen Fruchtbäume, wir 
fertigen Angeln, Netze und Boote für den Fisch- 
fang an, wir graben Erze, bereiten daraus Eisen 
und Stahl und daraus eine Axt zum Holzfällen 
u. dgl. Die auf den verschiedenen Etappen des 
Produktionsumweges zur Entstehung gelangenden
	        
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