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als Produktionsmittel zu betrachten (Costa-Rossetti
a. a. O. 119). Sie sind weder Gegenstand der
Produktion noch ökonomische Güter im strengen
Sinne. Denn die eigentlich wirtschaftliche Tätig-
keit hat nur äußere materielle Güter zum Gegen-
stande, und nur diese Sachgüter allein sind öko-
nomische Güter im eigentlichen Sinne, während
die gedachten persönlichen Güter, insofern sie für
die Wirtschaft nützlich sind, nur in einem weiteren
und uneigentlichen Sinne ökonomische Güter ge-
nannt zu werden verdienen. Es verstößt auch gegen
den Sprachgebrauch, Gesundheit, Körperkräfte,
Talente des Menschen als Gegenstand eigentlicher
ökonomischer Produktion zu bezeichnen. Noch weit
weniger würde es sich rechtfertigen, Tugend, Ehre,
Rechte und andere soziale Verhältnisse als „öko-
nomisch produziert“ zu bezeichnen, auch dann nicht,
wenn man an den Nutzen dieser Güter für die
materielle Wohlfahrt denkt. Ubrigens zwingt kein
vernünftiger Grund, in diesem Punkte vom Sprach-
gebrguche des Lebens abzuweichen, der zwischen den
ökonbmischen Sachgütern und jenen immateriellen
Dingen scharf unterscheidet. Im Gegenteile muß
eine Wissenschaft, welche die Würde des Menschen
achtet, dagegen feierlichen Protest erheben, daß
man innere Güter des Menschen auf jene Stufe
herabdrückt, auf welcher Tiere, Pflanzen, Mine-
ralien stehen. „Ein Teil der persönlichen Güter,
welche man in weiterem und analogem Sinne
ökonomische nennen kann, ist überdies imma-
terieller, geistiger Natur, ohne Zweifel ein ge-
wichtiger Grund, der uns abschrecken muß, sie
auf ein und dieselbe Stufe mit den materiellen
Sachgütern zu stellen. Dies geschieht aber, wenn
man sie als Gegenstand der ökonomischen Pro-
duktion im eigentlichen und strengen Sinne erklärt.
Die Tätigkeiten des Arztes (mit Ausnahme des
Tierarztes), des Erziehers, des Lehrers, des Prie-
sters sind daher keineswegs produzierende Tätig-
keiten oder ökonomische Produktion zu nennen;
sie sind Funktionen höherer Art, welche die rein
wirtschaftliche Tätigkeit weit überragen, wenn sie
auch ökonomisch nützlich sein können. Die Begriffe
der Produktion und der wirtschaftlichen Nützlichkeit
dürfen nicht verwechselt werden“ (Costa-Rossetti
a. a. O. 105 fjv.
Um hiervon die Anwendung auf das Kapital
zu machen, so ergibt sich, daß wenn National-
ökonomen von geistigen Kapitalien sprechen, dies
nur in analogem Sinne, als Metapher verstanden
werden darf. In dieser übertragenen Bedeutung
sagen wir ja auch: der Alkoholismus zehre nicht
bloß am finanziellen, sondern auch am moralischen
und intellektuellen Kapital eines Volkes. Die Ver-
kennung des hier waltenden Unterschiedes rächt
sich nicht bloß an der Lehre vom Kapital, son-
dern an der ganzen grundlegenden Auffassung der
Volkswirtschaft und ihres Zweckes. Es kann da-
her nicht genug davor gewarnt werden, die per-
sönlichen Güter des Menschen und folgerichtig
diesen selbst mit der äußeren materiellen Güter-
Kapital usw.
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welt zu vermengen. Es darf nicht außer acht ge-
lassen werden, daß der Mensch Zweck und Mittel-
punkt der Wirtschaft ist, und daß darum auch seine
persönlichen Güter einer höheren Ordnung an-
gehören als die Sachgüter, wenngleich erstere auch
ökonomisch sehr nutzbringend sein mögen. Mit
vollem Rechte lehnt daher eine Reihe von National-
ökonomen diese erweiterte Anwendung des Kapital-
begriffes ab, wie Knies (Geld und Kredit 1L#1873)
15, 21 ff), Schäffle (Bau und Leben des ge-
sellschaftlichen Körpers III 368), der den Begriff
des „Immaterialkapitals“ damit verspottet, es
sei „Nichtstoffstoff“ (ugl. Roscher a. a. O. 104).
Die verbreiteten Ausdrücke: „geistiges Kapital"“,
„Muskelkapital“, sind abzulehnen. Dieselben
dienen lediglich dazu, den grundsätzlichen Unter-
schied von Kapital und Arbeit zu verwischen.
3. Die Funktion des Kapitals in der
Produktion. Der ökonomischen Faktoren gibt
es zunächst zwei: die menschliche Arbeit und die
äußeren materiellen Dinge, welche teils passiv
durch ihren Stoff, teils aktiv durch die mate-
riellen Kräfte zur ökonomischen Produktion mit-
wirken. Wenn man häufig von drei Faktoren
spricht und als dritten das Kapital nennt, so ist
das insofern richtig, als eben die äußeren mate-
riellen Dinge sich entweder als Naturkräfte und
stoffe oder als Kapital bezeichnen lassen. Denn
der Stoff, der in die Produktion eingeht, ist ent-
weder ganz oder zum Teil von der Natur geboten
oder wird erst durch menschliche Tätigkeit fähig
gemacht, bei der Produktion verwendet zu werden.
Das Kapital ist somit keine originäre, selbstän-
dige Produktionskraft. Das sind nur Natur und
Arbeit. Bei jeder Gütererzeugung verbindet sich
unsere Arbeit mit der Natur, und wir suchen eben
durch unser Eingreifen den Naturprozeß so zu
lenken, daß Güter hervorgebracht werden, die
unsern Bedürfnissen entsprechen. Das ist jedoch
auf zweifachem Wege möglich. „Entweder richten
wir unsere Arbeit ganz unmittelbar und ohne
weitere Vorbereitungen auf die Erlangung der-
jenigen Genußgüter, deren wir für die Befrie-
digung unserer Bedürfnisse benötigen, z. B. wir
sammeln die von der Natur frei dargebotenen,
wild wachsenden Früchte, wir lesen die auf den
Strand gespielten Meertiere auf, wir brechen mit
unbewaffneter Hand das Reisig im Walde. Oder
wir schlagen Produktionsumwege ein, d. i. wir
erzeugen mit unsern originären Produktivkräften
(Natur und Arbeit) zunächst nicht jene Genuß-
güter, auf die unsere Endabsicht gerichtet ist, son-
dern irgend welche „Zwischenprodukte", die uns
später dazu behilflich sein sollen, die eigentlich
begehrten Genußgüter besser oder reichlicher zu
erlangen, z. B. wir pflanzen Fruchtbäume, wir
fertigen Angeln, Netze und Boote für den Fisch-
fang an, wir graben Erze, bereiten daraus Eisen
und Stahl und daraus eine Axt zum Holzfällen
u. dgl. Die auf den verschiedenen Etappen des
Produktionsumweges zur Entstehung gelangenden