Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Schenkungen im Paltum Karls d. Gr. vom Jahre 
781; e) Schenkung der schon von Desiderius ver- 
sprochenen Sabina im Jahre 783; f) Schenkung 
der tuscischen Städte Cittä di Castello (Castrum 
Felicitatis), Orvieto, Bagnorea, Ferentum, Vi- 
terbo, Orte, Marta, Tuscana, Suana, Popu- 
lonia und Rosellä, 787/788; gleichzeitiges Ver- 
sprechen der Übergabe der der Oberhoheit des 
Herzogs von Benevent zustehenden Städte Sora, 
Arce, Aquino, Arpino, Teano und Capua; 
8) Paktum Karls d. Gr. mit Leo III. vom Jahre 
796 oder vor 800, enthaltend unter anderem die 
Verbriefung der genannten neuen Schenkungen; 
h) die Pakten Ludwigs d. Fr. vom Jahre 816 
und 817 mit Bestätigung aller voraufgehenden 
Schenkungen, dazu gewisser Steuern, Zahlungen 
und Abgaben aus Tuscien und dem Herzogtum 
Spoleto, welche früher dem Langobardenkönig 
zustanden. Gefälscht im Paktum von 816 (die 
Drucke gibt Sickel an, Privileg. Otto I. L1883) 
173 ) sind die Worte § 25: cum omnibus 
finibus Campanie, necnon et Tyburim, ferner 
die (in § 6) behauptete Schenkung der Inseln 
Korsika, Sardinien und Sizilien. Die überreiche 
Literatur über die karolingischen Schenkungen ver- 
zeichnet bei Dahlmann-Waitz, Quellenkunde 11 
235 f und bei Hergenröther-Kirsch, Kirchengesch. 
II“ 65 ff. Kritische, gut zusammenfassende Dar- 
stellung: Schnürer, Die Entstehung des Kirchen- 
staates (1894, ins Ital. übersetzt 1899). 
In der Zeit von der Pippinschen Schenkung 
(754) bis zur Kaiserkrönung Karls d. Gr. bestand 
dem Namen nach immer noch die Oberhoheit des 
oströmischen Kaisers, tatsächlich aber erkannte der 
Papst in Rom und dem neugebildeten Staate 
keine obere Gewalt über oder neben sich an. Der 
Patriziat, den Papst Stephan II. dem König 
Pippin und seinen beiden Söhnen verlieh, hat 
nichts mit der Souveränität zu tun; er drückt ein 
bloßes Schutzverhältnis (Advokatur) aus. So 
war es bis auf Papst Leo III. (795/816). Dieser 
setzte, durch die (innern) Verhältnisse gezwungen, 
die Politik Hadrians I. auf Begründung eines 
vor allem selbständigen Kirchenstaates hintan und 
erhob sofort nach Antritt des Pontifikats das 
bloße Schutzverhältnis des Patriziats der frän- 
kischen Könige zu einer Schutzherrschaft. Er 
versprach Karl d. Gr. Treue (nicht Gehorsam 
[Grauert im Hist. Jahrbuch V 119.0 und über- 
sandte ihm die Schlüssel der Confessio s. Petri 
und das Banner der Stadt Rom (s. die Quellen- 
stellen bei Simson, Karl d. Gr. II 111 f). Bald 
darauf, bei Unterdrückung eines Aufstandes gegen 
das Leben Leos III., saßen die königlichen Missi 
in Rom über die Aufrührer zu Gericht. 
2. Zeit der kaiserlichen Oberhoheit. 
Am Weihnachtsfeste 800 wurde Karl d. Gr. von 
Leo III. zum Kaiser gekrönt. Rom und der Kirchen- 
staat gehörten nun zum Reiche, die Schutzherrschaft 
des fränkischen Königs wurde zur kaiserlichen Ober- 
hoheit. Eine genaue Abgrenzung der Befugnisse 
Kirchenstaat. 
  
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hat nicht stattgefunden. Der Kaiser übte seine 
Rechte durch Missi, die eine höhere Instanz über 
den vom Papste ernannten Duces bildeten, seit 
824 aber gemeinschaftlich vom Kaiser und Papst 
ernannt wurden und auch über die Geschäfts- 
führung der Duces zuerst an den Papst zu be- 
richten hatten. Der Papst ließ das römische Volk 
dem Kaiser Treue schwören, und dieser bedrohte 
Ungehorsam gegen den Papst mit der kaiserlichen 
Ungnade. Die Wahl des Papstes unterlag der 
Bestätigung des Kaisers, auch wurden die Urkun- 
den nach dessen Regierungsjahren datiert. — 
Durch die Schwäche und die Streitigkeiten der 
Nachfolger Karls d. Gr., insbesondere auch durch 
die freie Verfügung der Päpste über die Kaiser- 
krone sank das Kaisertum bald zur politischen 
Ohnmacht herab, während die Regierung des 
Papsttums sich zeitweilig, insbesondere unter Niko- 
laus I. (858/867), zu bedeutendem Ansehen er- 
hob. Durch die wiederholte Plünderung der 
Campagna (846 und 884) und selbst Roms und 
St Peters (846) seitens der Sarazenen, durch die 
Angriffe benachbarter Fürsten, insonderheit die 
Feindseligkeiten der Herzoge von Spoleto, haupt- 
sächlich aber durch das Treiben der römischen 
Adelsparteien, die sich auch der Papstwahlen für 
ihre Zwecke bemächtigten, ihre oft sehr unwürdigen 
Anhänger erhoben, unliebsame Besitzer der Tiara 
entthronten, gefangen setzten und ermordeten, sank 
das Ansehen des Papsttums. Die Regierung in 
Rom lag zeitweilig in den Händen eines Weibes, 
ihrer Töchter, der Angehörigen und Günstlinge 
dieser und jener. Der Kirchenstaat wurde die 
Beute trotziger Barone oder feindlicher Nachbarn; 
es waren nur noch Trümmer des früheren Be- 
sitzes, zuletzt nur noch der römische Dukat und 
römisch Tuscien übrig. 
Erst dem deutschen König Otto I. (936/973) 
gelang es vorübergehend, diese Zustände zu bessern. 
Er stellte 962 das Kaisertum wieder her, das von 
da ab mit dem deutschen Königtum verbunden 
war. Gleichzeitig wiederholte er in seinem be- 
rühmten „Privilegium für die römische Kirche“, 
von welchem das Vatikanische Archiv vielleicht die 
Originalausfertigung bewahrt (s. Sickel a. a. O.), 
die Schenkungen Pippins und seiner Nachfolger 
mit Hinzufügung mehreren Besitzes in Oberitalien 
uns insbesondere der Herzogtümer Spoleto und 
Benevent, über welch letztere vorher auch schon 
Karl der Kahle dem Heiligen Stuhl eine Schen- 
kung ausgestellt haben soll. Freilich wurde auch 
durch die Urkunde Ottos nicht der tatsächliche 
Besitz der darin genannten Landschaften hergestellt; 
sie bedeutet nur eine Anerkennung der rechtlichen 
Ansprüche. Diese aus den Wirren des 9. und 
10. Jahrh. gerettet zu haben, ist indes ein großer 
Erfolg. Daß Otto I. in Rom und im gesamten 
Patrimonium die oberherrlichen Rechte ausübte, 
wie einst Karl d. Gr. und folgende Kaiser, ja noch 
mehr, daß er Päpste wie Johann XII. und Bene- 
dikt V. absetzte und andere erhob, ist viel mehr 
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