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Zwischenprodukte (Fruchtbaum, Angel, Netz, Boot,
Erz, Eisen, Stahl, Axt usw.) stellen das Küapital
und die auf Umwegen vorgehende Produktions-=
weise die kapitalistische Produktion in dem
einen Sinne dieses mehrdeutigen Wortes vor“
(Böhm-Bawerk a. a. O. 22).
4. Aber wozu braucht es dieser oft langwierigen
Produktionsumwege, warum gehen wir nicht un-
mittelbar auf das Ziel, ein Genußobjekt zu er-
halten, los? Die Beantwortung dieser Frage setzt
auch die Funktion des Kapitals im wirtschaftlichen
Prozeß ins Licht. Das Einschlagen von solchen —
natürlich mit planvoller Berechnung gemachten —
Umwegen erweist sich nämlich als lohnend, ja bildet
gar oft den einzigen Weg, der zum beabsichtigten
Produktionsziele führt; das damit gebrachte Opfer
an Zeit und Mühe muß eine diesen Einsatz auf-
wiegende Entschädigung finden, mit einem Worte:
das Kapital ist fruchtbar, es steigert, ja
ermöglicht vielfach erst die Wirksamkeit der beiden
originären Produktionsfaktoren Natur und Ar-
beit. Des weiteren fragt es sich, woher denn diese
„Fruchtbarkeit“ des Kapitals entspringt. Diese
größere technische Ergiebigkeit der „kapitalistischen“
Produktion resultiert daraus, daß das Einschlagen
der gedachten Umwege die ausgiebigste Heran-
ziehung der Naturkräfte, gleichsam ein „Einfangen“
von Naturkräften ermöglicht, welche dann als
Hilfskräfte mit der menschlichen Arbeit vereinigt
und der Erreichung des Produktionszieles, das
letzthin in der Herstellung von Genußgütern be-
steht, dienstbar gemacht werden. So werden durch
Hebel, Werkzeug und ganz besonders durch die
Maschine mechanische oder andere Naturkräfte ent-
bunden und in den Dienst der Produktion ein-
gestellt, wie es der bloßen Anwendung von Natur
und merschlicher Arbeitskraft entweder gar nicht
oder höchstens in sehr beschränktem Umfange mög-
lich wäre.
Die „Fruchtbarkeit“ des Kapitals gilt vielen
wirtschaftlichen Schriftstellern — von den sozia-
listischen ganz abgesehen — als eine gedankenlose
Konzession, die man aus Schwäche gegen die herr-
schenden Wirtschaftszustände mache. Neuestens hal
Hohoff den Versuch gemacht, die Unfruchtbarkeit
des Kapitals nachzuweisen und der menschlichen
Arbeit allein die Werterzeugung zuzuschreiben. In
exktremer Weise will Kempel (Göttliches Sittengesetz
und neuzeitliches Erwerbsleben, Mainz 1901) die
Lösung der sozialen Frage von der Wiederaufnahme
des Zinsverbotes abhängig machen.
Auch die ältere Moraltheologie war vielfach in
solchen Anschauungen befangen. So vertritt Al-
fons von Liguori (Theol. mor., de contr.
dub. 7, n. 759) die Anschauung von der alleinigen
Fruchtbarkeit der menschlichen Arbeit: Ratio certa
est, quia lucrum quod recipitur ex pecunia,
totum oritur non ex ipsa pecunia, quae cum
omnino sterilis sit, fructum parere haud
potest, sed oritur ex mera in dustria ho-
minum, nec pro eo duod mea pecunia alteri
Kapital usw.
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proderit ob suam industriam, possum ego ul-
tra sortem ab eo exigere; pariter ac si vendo
rem, quae emtori valde utilis erit propter in-
dustriam suam, non possum propter hoc ali-
duid recipere ultra iustum rei pretium. Man
berief sich gern auf die Tatsache, daß ohne die
Arbeit das Kapital nicht imstande sei, neue Werte
hervorzubringen. In der Tat ist dem so, daß sich
für den Menschen kein Ding ohne Anwendung
seiner Kräfte als fruchtbar erweist, besteht dieselbe
auch nur in dem Akte der Weignung der betreffen-
den Objekte. Selbst Grund und Boden, den man
nebst den Tieren den nicht durch sich selbst frucht-
baren Gütern entgegenzusetzen pflegt, wirft einen
Ertrag nur dann ab, wenn die Arbeit des Menschen
ihn bestellt. Nicht bloß der Grad der Fruchtbar-
keit der Erde ist von dem Maße der Arbeit ab-
hängig, das auf die Bestellung des Bodens ver-
wendet wird, sondern die Fruchtbarkeit würde sich
sogar beim Mangel jeglicher Bearbeitung nach
und nach verlieren. Nach Ausweis der Geschichte
schwand mit den arbeitsamen Händen „auch die
Fruchtbarkeit aus ganzen Länderstrichen und traten
wüste Steppen an die Stelle grüner Fluren. Da-
her konnte es als eine einfache Wahrheit bezeichnet
werden, daß sich eine wahre und vollkommene
Fruchtbarkeit der Erde nur da zeigt, wo die Arbeit
der Menschen ihre Spuren zurückgelassen, daß da-
gegen dort der Boden der Unfruchtbarkeit verfällt,
wo der Mensch seinen Fuß nicht mehr hinsetzt"
(Funk, Zins und Wucher 159 f); und umgekehrt
hat die menschliche Arbeit aus ödem Boden frucht-
bares Kulturland gemacht.
Es ist also richtig, daß es keine Fruchtbarkeit
der Natur gibt ohne menschliche Arbeit. Aber fällt
darum die ganze Fruchtbarkeit ausschließlich der
letzteren zu? Keineswegs, denn der Nachweis ist
nicht zu erbringen, daß die menschliche Arbeit auch
ohne Natur bzw. Kapital jenen produktiven Effekt
hervorzurufen imstande ist. Kapital und Arbeit
bedingen sich gegenseitig, jedes ist nur unter der
Voraussetzung produktiv, daß das andere sich mit
ihm verbindet und befruchtend auf dasselbe ein-
wirkt. Es bleibt somit dabei, daß das Kapital
fruchtbar genannt werden kann, und daß der,
welcher der fremden Arbeitskraft sein Kapital zur
Verfügung stellt, einen Teil des aus dieser Ver-
bindung entspringenden Ertrages auf Grund seines
Kapitaleigentums für sich beanspruchen darf.
. Die Unfruchtbarkeit des Geldes
und das kirchliche Zinsverbot. Aus diesen
Betrachtungen ergibt sich auch die richtige Stellung-
nahme zu der lang und heiß ventilierten Streit-
frage betreffs der Unfruchtbarkeit des Geldes und
zum kirchlichen Zinsverbote des Mittelalters. Die
Erforschung der früheren Stufen der Wirtschafts-
geschichte zeigt nämlich, daß das Kapital eine
historische Kategorie istz es gibt Perioden,
wie die heutige „kapitalistische" Wirtschaftsepoche,
in welchen das Kapital eine hervorragende Rolle
spielt, ja zum beherrschenden und ausschlaggebenden