Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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schon in der Promulgation des Gesetzes, dessen 
Kenntnis präsumiert wird. Die Verwarnung 
muß schriftlich abgefaßt werden mit ausdrücklicher 
Namensangabe des Straffälligen und ist diesem 
vor Zeugen zu intimieren. Ferner ist notwendig, 
daß der Schuldige zitiert und ihm Gelegenheit 
zur Verteidigung gegeben wird. Eine Ausnahme 
bilden die notorischen Verbrecher (c. 9, X de ac- 
cus. 5, 1). Sodann muß das Vergehen bewiesen 
sein (c. 2 in Clem. de V. S. 5, 11). Das 
Urteil soll in Gegenwart des Schuldigen gefällt 
werden, außer dieser verweigere das Erscheinen 
in der Absicht, die Verurteilung zu verhindern 
(c. 18, X de sent. et re iudic. 2, 27). 
Der Richter muß die Sentenz schriftlich abfassen 
und dem Verurteilten persönlich vorlesen; doch 
hat sich eine Gewohnheit gebildet, wonach das 
auch durch Notare oder subalterne Beamte ge- 
schehen kann. Ist persönliche Intimation nicht 
möglich, so genügt auch allgemeine öffentliche 
Publikation. Dem Verurteilten ist auf Verlangen 
binnen Monatzsfrist eine authentische Abschrift ein- 
zuhändigen (c. 1 in VlI#e de sent. excomm. 
5, 11). Die in solch rechtlicher Form ausge- 
sprochene Zensur wird sofort wirksam, und ihre 
Wirkung wird nicht durch die dagegen erhobene 
Appellation suspendiert (c. 53, 81, X de appell. 
2, 28). Immerhin hat der Richter nach der 
Appellation keine Jurisdiktion mehr über den 
Appellanten, kann daher auch keine neuen richter- 
lichen Akte mehr vornehmen (c. 7 in VlI# de 
appell. 2, 15). 
V. Die Aufhebung einer Vindikativstrafe heißt 
Dispensation oder Begnadigung oder Indulgenz, 
die einer Zensur Absolution. Gemäß dem Zweck 
der Zensur muß dieselbe aufgehoben werden, so- 
bald Besserung eingetreten oder ernsthaft ver- 
sprochen ist (c. 25, X de appell. 2, 28). Eine 
Absolution ohne erfolgte oder gewährleistete Besse- 
rung ist nichtig. 
Die censurae ferendae sententiae kann nur 
jener Richter aufheben, welcher sie ausgesprochen 
hat, auch wenn der Schuldige unterdessen sein 
Domizil verändert oder Appellation eingelegt hat 
(c. 8, 11, X de off. ind. ordin. 1, 31); ferner der 
Amtenachfolger, der Delegierte, der hierarchische 
Obere, so vor allem der Papst. In articulo 
mortis absolviert jeder Priester, damit der 
Zensurierte die Sterbsakramente empfangen kann. 
Derselbe muß sich aber wiedergenesen dem kompe- 
tenten Obern stellen und um die Absolution bitten, 
andernfalls würde die Exkommunikation wieder 
aufleben (Rituale Rom. De sacr. poenit. tit. 3, 
. 1, n. 23). 
Von den censurae latae sententiae nemini 
reservatae absolviert bei geheimem Vergehen und 
pro foro interno der Beichtvater, pro foro ex- 
terno der Bischof. Von den reservierten Zensuren 
latae sententiae aber, die seit dem 12. Jahrh. 
aufkamen, spricht derjenige Gesetzgeber los, welcher 
sich die Lossprechung vorbehalten hat. Doch ab- 
Kirchenstrafen. 
  
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solvieren nach gemeinem Rechte die Bischöfe in 
allen Fällen, in welchen sich der Papst die Abso- 
lution nicht ausdrücklich vorbehielt und nach tri- 
dentinischer Bestimmung von der excommuni- 
catio latae sententiae Papae reservata bei 
allen geheimen Vergehen (c. 29, X de sent. ex- 
comm. 5, 39; Trid. sess. XXIV de ref. c. 6). 
Um aber von den seit der Bulle Apostolicae 
Sedis moderationi aufgekommenen, dem Papste 
speciali oder specialissimo modo reservierten 
Exkommunikationen absolvieren zu können, ist eine 
spezielle Vollmacht notwendig, welche die Bischöfe 
in den Quinquennalfakultäten erhalten. In arti- 
culo mortis aber, in allen casibus vere urgen- 
tioribus und schon für den Fall, daß das längere 
Verbleiben in der Todsünde für den Pönitenten 
etwas Drückendes hätte, absolviert der Beichtvater 
ad reincidentiam, d. h. der Absolvierte hat sich 
bei eingetretener Möglichkeit innerhalb eines Mo- 
nats dem betreffenden kirchlichen Obern (Papst 
bzw. Kardinalpönitentiar oder Bischof) persönlich 
oder schriftlich oder durch Vermittlung des Beicht- 
vaters zu gestellen. Andernfalls würde die Exkom- 
munikation wieder aufleben. Wäre aber das alles un- 
möglich, so könnte der Beichtvater auch ohne diesen 
Rekurs absolvieren (8. Congr. Inquis. 9. Nov. 
1898; 5. Sept. 1900; 16. Nov. 1900). Wie 
Tote noch exkommuniziert werden können, so können 
sie auch pro foro externo absolviert werden, um 
die äußeren Wirkungen der Exkommunikation zu 
heben, so besonders zum Zweck des kirchlichen Be- 
gräbnisses. Doch darf dies nur geschehen, wenn 
sie vor dem Ende unzweideutige Zeichen der Reue 
gegeben haben (c. 28, 38, X de sent. excomm. 
Or 
VI. Zu den Zensuren gehören die Exkom- 
munikation, das Interdikt und die Suspension. 
1. Die Exkommunikation, eine auf alle 
Glieder der Kirche anwendbare poena meclici- 
nalis, ist entweder excommunicatio minor oder 
excommunicatio maior, kleiner oder großer 
Kirchenbann. Ursprünglich waren die excom- 
municatio maior und das Anathem gleichbedeu- 
tend. Seit dem 13. Jahrh. aber verstand man 
unter „Anathem" die in besonders feierlicher Weise 
und unter Anwendung von Symbolen vorge- 
nommene Exkommunikation. Der Zusatz „Maran 
Atha“ ist keine besondere Form der Exkommuni- 
kation, sondern nur eine Drohung mit dem künf- 
tigen Gericht. 
Die excommunicatio minor schließt vom 
Empfang der Sakramente und dem Erhalte eines 
kirchlichen Amtes aus. Die excommnnicatio 
maior aber ist, wenn auch nicht der vollständige 
Verlust der durch die Taufe erhaltenen kirchlichen 
Mitgliedschaft, so doch die Ausstoßung aus der 
sichtbaren Gemeinschaft der Gläubigen, so daß der 
in ihr Befindliche keinen Anteil mehr hat am 
Gottesdienst, die Predigt ausgenommen (c. 43, 
Xde sent. excomm. 5, 39), an dem heiligen 
Meßopfer und an den Gebeten der Kirche (suf-
	        
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