15
Faltor geworden ist, es gibt aber auch Perioden,
in welchen das Kapital diese Bedeutung nicht be-
saß und hinter den andern Faktoren, Natur und
Arbeit, stark zurücktrat. Die Existenz des Kapitals
ist daher, wie Funk (a. a. O. 36) mit Recht be-
merkt, eine reine Frage der Zeit; dasselbe entsteht
erst, wenn es dem Menschen gelingt, durch seine
Kraft und Intelligenz aus den Erzeugnissen der
Natur Produktionsinstrumente herzustellen, welche
ihm einen Teil der von ihm zu leistenden Arbeit
abnehmen. Nun gelang es ja dem Menschen ge-
wiß schon sehr früh, sich solche Produktionsbehelfe
zu beschaffen, und damit reicht die Genesis der
Kapitalbildung in der Geschichte eines jeden Volkes
weit zurück. Aber für die Frage der Unfruchtbar-
keit des Geldes kommt das Kapital doch erst in
Betracht, wenn es einerseits eine größere extensive
und intensive Machtstellung erlangt hat, und wenn
es anderseits möglich geworden ist, durch Geld ein
fruchtbringendes Kapitalgut zu erlangen. Das
Geld nämlich an und für sich ist zweifellos un-
produktiver Natur; es ist weder eine Sache, die
Frucht trägt, wie das Getreide, das in den Boden
gelegt wird, noch ein Instrument, das zur Hervor-
bringung wirtschaftlicher Güter geeignet gewesen
wäre. In diesem Sinne liegt dem bekannten, auf
Aristoteles zurückführenden und von den Mora-
listen aufgenommenen Satze nummus nummum
parere non potest volle Wahrheit zugrunde.
Indes ist mit der Betrachtung, die sich bloß auf
das äußere Objekt erstreckt, die eigentliche und
tiefere Bedeutung des Geldes noch keineswegs er-
kannt; diese liegt vielmehr in seiner wirtschaft-
lichen Bestimmung. Das Geld ist allgemeiner
Wertmesser und allgemeines Tauschmittel und hat
in dieser Eigenschaft den gegenseitigen Tausch der
mannigfaltigsten Güter in unmittelbarer Weise zu
ermöglichen. Dieser Gesichtspunkt vermittelt uns
eine bestimmtere Einsicht in die Produktivität des
Geldes und Gelddarlehens. Wir können dieselbe
in dem einfachen Satze zum Ausdrucke bringen:
sie geht ebensoweit als die Möglich-
keit und Gelegenheit, mittels dieses
Tauschmittels produktive oder kapi-
talfähige Güter zu erwerben. Es kommt
somit dem Gelde, auch wenn wir seine wirtschaft-
liche Natur ins Auge fassen, keineswegs eine all-
gemeine und absolute Produktivität zu, und zwar
eben deswegen nicht, weil es nicht wie die Natur
oder die Arbeit in sich selbst produktiv ist. Seine
Produktivität ist vielmehr eine bedingte, weil
für die Verwirklichung des fraglichen Eintausches
kapitalfähiger Güter, auf dem sie beruht, verschie-
dene Voraussetzungen wirtschaftlicher und sozialer
Art in Betracht kommen. Hieraus ergibt sich aber
auch die Möglichkeit, daß diese Eigenschaft viel-
leicht ganz mangelt, und diese Möglichkeit wird
dann zur Wirklichkeit, wenn nach Maßgabe jener
Voraussetzungen die der Produktion dienenden
Güter im allgemeinen keine Ware oder kein Gegen-
stand des freien Erwerbes sind (Funk a. a. O. 34).
Kapital usw.
16
Das Kapital wird erst dann zu einem hervor-
ragenden Faktor im wirtschaftlichen Leben, wenn
es gelingt, Produktionsinstrumente von nennens-
werter Bedeutung herzustellen und die so durch
Steigerung der Produktivität gewonnene Fülle
der Erzeugnisse gewinnbringend abzusetzen, mit
andern Worten: eine gewisse Höhe der Technik
sowie eine gewisse Ausdehnung des Marktes durch
den Handel sind die wirtschaftlichen Voraus-
setzungen. Diese sind im Mittelalter erst seit Ende
des 15. Jahrh., der Zeit der großen Entdeckungen
und des beginnenden Welthandels, vorhanden.
Für die Beurteilung des Zinsverbotes kommt aber
noch besonders in Betracht, daß es in der Zeit
des Lehenssystems und der Zunftverfassung auch
gar nicht möglich war, vermittelst des Geldes be-
liebig sich Produktivkräfte zu beschaffen, vielmehr
bestanden nach dieser Seite das ganze Mittelalter
hindurch gesellschaftliche Schranken. Das damals
herrschende Lehenssystem hinderte ebenso die freie
Erwerbung von Grund und Boden wie das be-
stehende Zunftsystem die freie Anteilnahme an der
Produktivität der Arbeit. Solange daher „der
Grundbesitz als ein gesellschaftliches Vorrecht des
Adels galt, und solange die Arbeit als ein Privi-
legium einer Klasse betrachtet wurde, waren diesen
beiden Faktoren des Wirtschaftslebens Schranken
gezogen, die wenigstens nach der Seite hin, die in
unserer Frage den Ausschlag gibt, gewissermaßen
einer Aufhebung ihrer Produktivität gleich kamen“
(Funk a. a. O. 51).
6. Nachdem im vorausgehenden die Funktion
des Kapitals in der Produktion betrachtet wurde,
erübrigt es noch, der Frage der Entstehung
des Kapitals kurze Beachtung zu schenken.
Hinsichtlich dieser Frage herrscht große Meinungs-
verschiedenheit. Die einen sagen, das Kapital
müsse erspart, andere, es müsse produziert
werden. In dieser einseitigen Gegenüberstellung
sind jedoch beide Auffassungen unrichtig. Es han-
delt sich nämlich um kein Entweder — Oder. Viel-
mehr trifft jede von ihnen zum Teil das Rich-
tige. Es ist klar, daß die konkreten Kapitalgüter,
Rohstoffe, Maschinen. Werkzeuge, produziert wer-
den müssen, während es ebenso einleuchtet, daß
jemand, der nicht unmittelbar Genußgüter her-
stellt, sondern sich auf längerem Umwege Arbeits-
instrumente, also Kapital beschafft, aus einer
früheren Zeit sich so viel Genußgüter erübrigt,
erspart haben muß, um während der Zeit, die jener
Umweg in Anspruch nimmt, davon zu leben.
Es mochte wohl agitatorisch sehr wirksam sein,
gewinnt aber dadurch nichts an Wahrheit, wenn
Lassalle in seiner Polemik gegen den „Arbeiter-
könig“ Schulze mit seinem ganzen Ingrimm und
Spott den Satz übergießt, daß die Kapitalien
durch Sparen eines Teiles des Einkommens ent-
stehen, daß der Kapitalprofit — wie Lassalle über-
treibend sagt — „Entbehrungslohn"“ sei. Er höhnt
darüber, daß das Haus Rothschild wie ein aszetischer
Säulenheiliger sich Entbehrungen auferlegt und