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haftet, aber so, daß auch jeder Ort, an den sie
kommt, interdiziert ist. Beide Arten von inter-
dictum können wieder sein generale oder spe-
ciale, je nachdem ein ganzes Land, Stadt, Diözese
interdiziert ist oder nur eine oder mehrere Kirchen,
und je nachdem sich das Interdikt auf eine Kom-
munität oder nur auf eine einzelne Person er-
streckt. Weiter unterscheidet man interdictum
totale und partiale, je nachdem es alle seine
Rechtswirkungen äußert oder nur einen Teil der-
selben. Ein interdictum partiale ist namentlich
das interdictum ab. ingressu ecclesiae.
Weil aber das Interdikt bei Außerung all seiner
Wirkungen eine viel zu harte Strafe war, hat
schon das Dekretalenrecht verschiedene Milderungen
statuiert. So durften Taufe, Firmung und Buße
gespendet werden mit Ausschluß der speziell Inter-
dizierten, ebenso die Wegzehrung an die Sterben-
den, die letzte Olung an diejenigen, welche nicht
mehr beichten konnten, die Ehe ohne Bene-
diktion. Auch durfte, abgesehen von der erlaubten
Predigt und dem Privatgebet, in jeder Kirche
einmal in der Woche, um das Viatikum zu haben,
eine stille heilige Messe gelesen und an den höchsten
Feiertagen feierlicher Gottesdienst gehalten wer-
den. Das kirchliche Begräbnis war Laien nicht
gewährt, wohl aber das Interdikt beachtenden
Klerikern, wenn auch ohne alle Feierlichkeit.
Bei den offenbaren Schäden jedoch, an welchen
das Interdikt, namentlich das interdictum locale
generale, krankt, und bei dem Widerstand, den
es auch bei der staatlichen Gewalt fand (so 1606
seitens der Republik Venedig), ist heute nur noch
gebräuchlich das interdictum locale particulare
(Apostolicae Sedis moderationi vom 12. Okt.
1869, 6, 2), das interdictum personale gene-
rale (ebd. 6, 1; Trid. sess. VII de ref. c. 10)
und das interdictum personale particulare,
und zwar als interdictum ingressus ecclesiae
(Trid. sess. VI de ref. c. 1). Nach der Kon-
stitution Pius' IX. Romanus Pontifex vom
28. Aug. 1873 verfallen dem Interdikt ab in-
gressu ecclesiae jene, welche die Administration
vakanter Kirchen übernehmen oder übertragen ledig-
lich auf Verfügung weltlicher Gewalt hin. Ein so
Interdizierter darf in keiner Kirche und keinem
oratorium publicum Gottesdienst halten oder
daselbst demselben beiwohnen, wohl aber darf er
in einem Privatoratorium zelebrieren oder beten
oder auch in einem öffentlichen Oratorium oder
in einer Kirche beten und die Sakramente emp-
fangen außerhalb des Gottesdienstes. Des kirch-
lichen Begräbnisses geht ein solcher nur dann ver-
lustig, wenn er ohne Reue gestorben ist.
3. Die Suspension ist eine nur bei den
Klerikern anwendbare Zensur und besteht in der
Untersagung der Ausübung der Weihe-oder Amts-
rechte oder des Bezugs der Amtseinkünfte oder
der Ausübung dieser Rechte insgesamt. Demgemäß
unterscheidet man die suspensio ab ordine, burch
welche die Ausübung der Weiherechte untersagt
Kirchenstrafen.
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wird, während die der Jurisdiktion intakt bleibt
mit Ausnahme der Akte, welche die Weihe voraus-
setzen, sodann die suspensio ab offceio, ent-
haltend den Verlust der Weiherechte und der
Jurisdiktion, drittens die suspensio a benefio,
das Verbot der Administration der Pfründe und
des Bezugs von deren Einkünften. Umfaßt die
Suspension die Weiherechte, die Jurisdiktions-
gewalt und die Amtseinkünfte, so wird sie be-
zeichnet als suspensio ab officio et beneficio
oder kurzweg als suspensio. Solche Suspension
ist generalis. Andernfalls ist die Suspension
specialis. Diese kann wieder sein totalis oder
partialis, je nachdem sämtliche Weihe= oder
Jurisdiktionsrechte oder Amtseinkünfte oder nur
ein Teil derselben betroffen wird.
Auch der suspensio ferendae sententiae
muß ein gerichtliches Verfahren vorausgehen. Aber
das Tridentinum gewährte den Bischöfen das Recht,
ex informata conscientia zu suspendieren
(Sess. XIV de ref. c. 3). Ist nämlich das Ver-
gehen eines Klerikers geheim oder gerichtlich nicht
beweisbar oder eine Untersuchung ohne öffentliches
Argernis nicht möglich, hat aber der Bischof mo-
ralische Gewißheit von demselben, so kann er den
Schuldigen ab ordine et ofticio, nicht aber a
benefücio auf bestimmte, nicht aber auf unbe-
stimmte Zeit (nicht über sechs Monate) suspen-
dieren. Dagegen gibt es keine Appellation, wohl
aber einen Rekurs an den Papst.
Bisweilen ist die Suspension bloße provisorische
Administrationsmaßregel, wenn nämlich der Bi-
schof einen Geistlichen, der in eine gerichtliche
Untersuchung verwickelt ist, nach genauer Er-
wägung der Verdachtsgründe von der Vornahme
der Amtsfunktionen für die Dauer des Prozesses
enthebt, um Argernis zu vermeiden.
Ist die Suspension in der Regel Zensur, so
kann sie auch poena mere vindicativa sein.
Diesen Strafcharakter hat sie, wenn sie verhängt
wird in perpetuum oder ad certum et defini-
tum tempus oder ad arbitrium seu beneplaci-
tum iudicis oder mündlich, da sie als Zensur
schriftlich zu verhängen ist, oder etwa für ein längst
begangenes Verbrechen.
VII. Als Disziplin= und Vindikativ-
strafen gegen Kleriker und Laien gebrauchte die
Kirche bis in die neuere Zeit herein verschiedene,
wie Rügen und Verweise, Zwangsfasten, Zwangs-
bußen, körperliche Züchtigung, Verweisung in ein
Kloster, Gefängnis, Verbannung, Infamie, Geld-
bußen, Vermögenskonfiskation, Verlust weltlicher
Amter, Acht und Bann, Verknechtung, Verweige-
rung des kirchlichen Begräbnisses. Verstümmelnde
Körperstrafen aber und die Todesstrafe hat die
Kirche nie angedroht oder verhängt nach dem Satz:
Ecclesia non sitit sanguinem. Sie übergab
vielmehr zu solchem Zweck den Verbrecher dem
weltlichen Gericht mit der formalen Bitte, seines
Lebens zu schonen, das nach dem staatlichen Gesetz
verwirkt war. Bei dem veränderten Verhältnis