Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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haftet, aber so, daß auch jeder Ort, an den sie 
kommt, interdiziert ist. Beide Arten von inter- 
dictum können wieder sein generale oder spe- 
ciale, je nachdem ein ganzes Land, Stadt, Diözese 
interdiziert ist oder nur eine oder mehrere Kirchen, 
und je nachdem sich das Interdikt auf eine Kom- 
munität oder nur auf eine einzelne Person er- 
streckt. Weiter unterscheidet man interdictum 
totale und partiale, je nachdem es alle seine 
Rechtswirkungen äußert oder nur einen Teil der- 
selben. Ein interdictum partiale ist namentlich 
das interdictum ab. ingressu ecclesiae. 
Weil aber das Interdikt bei Außerung all seiner 
Wirkungen eine viel zu harte Strafe war, hat 
schon das Dekretalenrecht verschiedene Milderungen 
statuiert. So durften Taufe, Firmung und Buße 
gespendet werden mit Ausschluß der speziell Inter- 
dizierten, ebenso die Wegzehrung an die Sterben- 
den, die letzte Olung an diejenigen, welche nicht 
mehr beichten konnten, die Ehe ohne Bene- 
diktion. Auch durfte, abgesehen von der erlaubten 
Predigt und dem Privatgebet, in jeder Kirche 
einmal in der Woche, um das Viatikum zu haben, 
eine stille heilige Messe gelesen und an den höchsten 
Feiertagen feierlicher Gottesdienst gehalten wer- 
den. Das kirchliche Begräbnis war Laien nicht 
gewährt, wohl aber das Interdikt beachtenden 
Klerikern, wenn auch ohne alle Feierlichkeit. 
Bei den offenbaren Schäden jedoch, an welchen 
das Interdikt, namentlich das interdictum locale 
generale, krankt, und bei dem Widerstand, den 
es auch bei der staatlichen Gewalt fand (so 1606 
seitens der Republik Venedig), ist heute nur noch 
gebräuchlich das interdictum locale particulare 
(Apostolicae Sedis moderationi vom 12. Okt. 
1869, 6, 2), das interdictum personale gene- 
rale (ebd. 6, 1; Trid. sess. VII de ref. c. 10) 
und das interdictum personale particulare, 
und zwar als interdictum ingressus ecclesiae 
(Trid. sess. VI de ref. c. 1). Nach der Kon- 
stitution Pius' IX. Romanus Pontifex vom 
28. Aug. 1873 verfallen dem Interdikt ab in- 
gressu ecclesiae jene, welche die Administration 
vakanter Kirchen übernehmen oder übertragen ledig- 
lich auf Verfügung weltlicher Gewalt hin. Ein so 
Interdizierter darf in keiner Kirche und keinem 
oratorium publicum Gottesdienst halten oder 
daselbst demselben beiwohnen, wohl aber darf er 
in einem Privatoratorium zelebrieren oder beten 
oder auch in einem öffentlichen Oratorium oder 
in einer Kirche beten und die Sakramente emp- 
fangen außerhalb des Gottesdienstes. Des kirch- 
lichen Begräbnisses geht ein solcher nur dann ver- 
lustig, wenn er ohne Reue gestorben ist. 
3. Die Suspension ist eine nur bei den 
Klerikern anwendbare Zensur und besteht in der 
Untersagung der Ausübung der Weihe-oder Amts- 
rechte oder des Bezugs der Amtseinkünfte oder 
der Ausübung dieser Rechte insgesamt. Demgemäß 
unterscheidet man die suspensio ab ordine, burch 
welche die Ausübung der Weiherechte untersagt 
Kirchenstrafen. 
  
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wird, während die der Jurisdiktion intakt bleibt 
mit Ausnahme der Akte, welche die Weihe voraus- 
setzen, sodann die suspensio ab offceio, ent- 
haltend den Verlust der Weiherechte und der 
Jurisdiktion, drittens die suspensio a benefio, 
das Verbot der Administration der Pfründe und 
des Bezugs von deren Einkünften. Umfaßt die 
Suspension die Weiherechte, die Jurisdiktions- 
gewalt und die Amtseinkünfte, so wird sie be- 
zeichnet als suspensio ab officio et beneficio 
oder kurzweg als suspensio. Solche Suspension 
ist generalis. Andernfalls ist die Suspension 
specialis. Diese kann wieder sein totalis oder 
partialis, je nachdem sämtliche Weihe= oder 
Jurisdiktionsrechte oder Amtseinkünfte oder nur 
ein Teil derselben betroffen wird. 
Auch der suspensio ferendae sententiae 
muß ein gerichtliches Verfahren vorausgehen. Aber 
das Tridentinum gewährte den Bischöfen das Recht, 
ex informata conscientia zu suspendieren 
(Sess. XIV de ref. c. 3). Ist nämlich das Ver- 
gehen eines Klerikers geheim oder gerichtlich nicht 
beweisbar oder eine Untersuchung ohne öffentliches 
Argernis nicht möglich, hat aber der Bischof mo- 
ralische Gewißheit von demselben, so kann er den 
Schuldigen ab ordine et ofticio, nicht aber a 
benefücio auf bestimmte, nicht aber auf unbe- 
stimmte Zeit (nicht über sechs Monate) suspen- 
dieren. Dagegen gibt es keine Appellation, wohl 
aber einen Rekurs an den Papst. 
Bisweilen ist die Suspension bloße provisorische 
Administrationsmaßregel, wenn nämlich der Bi- 
schof einen Geistlichen, der in eine gerichtliche 
Untersuchung verwickelt ist, nach genauer Er- 
wägung der Verdachtsgründe von der Vornahme 
der Amtsfunktionen für die Dauer des Prozesses 
enthebt, um Argernis zu vermeiden. 
Ist die Suspension in der Regel Zensur, so 
kann sie auch poena mere vindicativa sein. 
Diesen Strafcharakter hat sie, wenn sie verhängt 
wird in perpetuum oder ad certum et defini- 
tum tempus oder ad arbitrium seu beneplaci- 
tum iudicis oder mündlich, da sie als Zensur 
schriftlich zu verhängen ist, oder etwa für ein längst 
begangenes Verbrechen. 
VII. Als Disziplin= und Vindikativ- 
strafen gegen Kleriker und Laien gebrauchte die 
Kirche bis in die neuere Zeit herein verschiedene, 
wie Rügen und Verweise, Zwangsfasten, Zwangs- 
bußen, körperliche Züchtigung, Verweisung in ein 
Kloster, Gefängnis, Verbannung, Infamie, Geld- 
bußen, Vermögenskonfiskation, Verlust weltlicher 
Amter, Acht und Bann, Verknechtung, Verweige- 
rung des kirchlichen Begräbnisses. Verstümmelnde 
Körperstrafen aber und die Todesstrafe hat die 
Kirche nie angedroht oder verhängt nach dem Satz: 
Ecclesia non sitit sanguinem. Sie übergab 
vielmehr zu solchem Zweck den Verbrecher dem 
weltlichen Gericht mit der formalen Bitte, seines 
Lebens zu schonen, das nach dem staatlichen Gesetz 
verwirkt war. Bei dem veränderten Verhältnis
	        
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