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ziplinar= und Vindikativstrafen. Sie dürfen aber
nicht gehen gegen Leib, Vermögen, Freiheit oder
bürgerliche Ehre (preuß. Gesetz vom 13. Mai 1873,
§ 1; sächs. Gesetz vom 23. Aug. 1876. 88 7, 10;
württ. Gesetz vom 30. Jan. 1862, Art. 7; bad.
Gesetz vom 9. Okt. 1860, § 16; hefs. Gesetz vom
23. April 1875, Art. 3; österr. Gesetz vom 7. Mai
1874, § 19). Sodann dürfen sie nicht angewen-
det werden, um die Staatsbürger zu einer staatlich
verbotenen Handlung zu bewegen, oder von einer
staatlich gebotenen abzuhalten, oder um sie bei
Ausübung ihrer staatsbürgerlichen Rechte zu be-
einflussen oder zu behindern (sächs. Gesetz vom
23. Aug. 1876, § 8; bad. Gesetz vom 19. Febr.
1874, Art. 3, § 16b; hess. Gesetz vom 23. April
1875, Art. 9). Da zur Durchführung eines
kirchlichen Urteils der Staat seinen Arm nur
bietet bei Nachweis eines geordneten Prozeß-
verfahrens, so dürfte die suspensio ex infor-
mata conscientia kaum mehr anwendbar sein
(preuß. Gesetz vom 13. Mai 1873, §2; bayr.
Religionsedikt §§ 51, 71; sächs. Gesetz vom
3. Aug. 1876, § 11; württ. Gesetz vom 30. Jan.
1862, Art. 6, 7; bad. Gesetz vom 9. Okt. 1860,
§ 16; hess. Gesetz vom 23. April 1875, Art. 5;
österr. Gesetz vom 7. Mai 1874, § 27). Gegen
Geistliche kann die Kirche auf Freiheits= oder
Geldstrafen von bestimmter Dauer oder Höhe er-
kennen, muß aber von bestimmten Grenzen ab dem
Staate davon Mitteilung machen (preuß. Gesetz
vom 13. Mai 1873, 8§ 2/6; vom 21. Mai 1886,
Art. 8; vom 29. April 1887, Art. 3; Bayern:
Silbernagl, Kirchenrecht" 471 f; württ. Gesetz
vom 30. Jan. 1862, Art. 6; hess. Gesetz vom
23. April 1875, Art. 3/8). In manchen Staaten
ist eine Berufung an die Staatsgewalt „wegen
Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt“ (recursus
ab abusu) gewährt, so in Bayern (Religionsedikt
§ 52 ff), Sachsen (Gesetz vom 23. Aug. 1876,
§9), Hessen (Gesetz vom 23. April 1875, Art. 1),
Osterreich (Gesetz vom 7. Mai 1874, § 28). In
einigen Staaten ist bestimmt, daß Kirchenstrafen
nur durch deutsche kirchliche Behörden verhängt
und exekutiert werden dürfen (württ. Gesetz vom
30. Jan. 1862, Art. 10; sächs. Gesetz vom
23. Aug. 1876, § 16).
Nach der Bulle Apostolicae Sedis modera-
tioni vom 12. Okt. 1869, 1, 6 verfallen der dem
Papst speciali modo reservierten Exkommuni=
kation diejenigen, welche die Ausübung der kirch-
lichen Jurisdiktion in foro interno oder externo
direkt oder indirekt hindern, sowie diejenigen,
welche vom kirchlichen an das weltliche Gericht
rekurrieren.
Literatur. München, Das kanonische Ge-
richtsverfahren u. Strafrecht (21874); Kober, Der
Kirchenbann (1857); ders., Die Suspension der
Kirchendiener (1862); ders., Die Deposition u.)
Degradation (1867); Hollweck, Die kirchl. Straf-
Kat
Kirchhöfe.
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(1888/97); Friedberg, Lehrbuch des kathol. u.
evang. Kirchenrechts (561909); Hergenröther-Holl-
weck, Lehrbuch des kath. Kirchenrechts (21905);
Sägmiller, Lehrb. des kath. Kirchenrechts (21909).
lSägmüller.)
Kirchhöfe. (Geschichtliches; die Beerdigung
in Kirchen; die Kommunalfriedhöfe; die Be-
gräbnisverweigerung; die Einweihung; die Ent-
weihung; Eigentum und Verwaltung; Last und
Nutzen; Erbbegräbnisse.)
I. Geschichtliches: die Beerdigung in
Kirchen; die Kommunalfriedhöfe. Kirch-
höfe werden die gemeinschaftlichen, geweihten Be-
gräbnisplätze genannt, welche erst in der christ-
lichen Zeit üblich geworden sind. Die römische
Sitte kannte gemeinschaftliche Begräbnisplätze nur
für Sklaven, Fremde und Arme. Der katholischen
Auffassung hingegen erscheinen gerade die gemein-
samen Begräbnisstätten als ein bedeutungsvolles
„Symbol der Gemeinschaft der Heiligen“ (des
Bandes der Liebe und des Gebetes, welches die
Glieder der streitenden, der leidenden und der trium-
phierenden Kirche vereinigt). Die Kirche wünscht,
daß alle, welche im Leben der kirchlichen Gemein--
schaft angehörten, auch auf den gemeinsamen, ge-
weihten Begräbnisplätzen, in Kirchen und Kirch-
höfen, ihre Ruhestätte finden sollen (vgl. Rit. Rom.
tit. De exequiis: Nemo christianus in com-
munione fidelium defunctus extra ecclesiam
aut coemeterium rite benedictum sepeliri
debet). Das Begräbnis in den Kirchen
hätte nach der Vorschrift der kanonischen Gesetz-
gebung von den Kirchenobern allerdings immer nur
den Geistlichen sowie Laien von hervorragendem
Verdienst und Ansehen als besondere Auszeichnung
bewilligt werden sollen. Der verbreitete Brauch,
welcher (im Widerspruch mit dem kirchlichen Recht)
das Begräbnis in den Kirchen nicht mehr als be-
sondere Auszeichnung behandelte, hat jedoch das
grundsätzliche Verbot solcher Beerdigungen herbei-
geführt, welches die Staatsgesetzgebungen seit den
letzten Dezennien des 18. Jahrh. verfügt haben.
Maßgebend hierfür war, daß man die Anlage so
zahlreicher Grabstätten in den Kirchen, innerhalb
des Weichbildes der bewohnten Ortschaften, vom
Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege
(ogl. d. Art. Begräbniswesen) für bedenklich hielt;
zuerst ist dieses Verbot, und zwar einverständlich
mit dem Klerus des Landes, in Frankreich aus-
gesprochen worden durch die königliche Deklaration
vom 10. März 1776. Mit Rücksicht auf die staat-
liche Gesetzgebung ist gegenwärtig die Vornahme
von Beerdigungen in den Kirchen grundsätzlich
unstatthaft, so daß, abgesehen von den Grabstätten
für die Mitglieder der souveränen Familien, die
Beisetzung in den Kirchen regelmäßig nur auf
Grund eines besondern, von der Staatsgewalt
gewährten Privilegs zulässig ist. Ein solches Vor-
recht ist in Preußen und Bayern den Erzbischöfen
gte (1899); Hinschius, Das Kirchenrecht der wie den Diözesanbischöfen des Landes allgemein
oliken u. Protestanten in Deutschland IV/VI zugestanden (vgl. die Kabinettsorder vom 21. Juli