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dem bestehenden Herkommen entspricht, toleriert,
kann darum hier nicht als eine unerlaubte com-
municatio in sacris bezeichnet werden. Um so
mehr ist die Meinung abzuweisen, daß auch durch
die Beerdigung eines Nichtkatholiken, welcher nicht
als formeller Häretiker und excommunicatus
vitandus zu behandeln ist, der Friedhof polluiert
werde. Vgl. Moulart, De sepultura et coeme-
teriüs 129, 181 ff; Kohn im Archiv für kath.
Kirchenrecht XIL 74 ff.
Im Deutschen Reich hatte der Westfälische Friede
(Instr. Pac. Osn. art. V, 8 35) den Grundsatz
ausgesprochen, daß den Angehörigen der drei im
Reiche aufgenommenen christlichen Konfessionen
nirgends die Ehre des Begräbnisses auf den öffent-
lichen Kirchhöfen verweigert werden solle (vgl. auch
preuß. Allgem. Landrecht Tl II, Tit. 11, 8189).
Die in Deutschland seit Jahrhunderten bestehende
Praxis gestattet sowohl, daß nichtkatholische Chri-
sten auf katholischen Friedhöfen beerdigt werden,
wenn ein für die Glaubensgenossen des Verstor-
benen bestimmter Kirchhof nicht zu Gebote steht,
wie auch die Beisetzung solcher Nichtkatholiken in
den Familiengrüften und Erbbegräbnissen ihrer
katholischen Familienangehörigen. Nach wieder-
holten Aussprüchen der Inquisition kann diese,
übrigens auch in andern Ländern (vgl. Conc.
plen. Baltimor., ann. 1866, tit. VII, c. 2,
n. 389) bestehende Praxis ex mente sedis apo-
stolicae (Conc. Baltim. eit.) toleriert werden,
wo eine Anderung derselben ohne Argernis und
Gefahr nicht möglich ist (Sac. Congr. s. Officü
d. 23. Iul. 1609, 30. Mart. 1859, 25. April.
1860)0.
Anderseits bedarf es wohl nicht erst des Be-
weises, daß von einem Anspruch der Nichtkatho-
liken auf die Bestattung ihrer Glaubensgenossen
innerhalb der von der katholischen Kirche bene-
dizierten Grabplätze nicht die Rede sein kann, und
daß den Forderungen der Humanität wie der Ge-
wissensfreiheit vollkommen entsprochen ist, wenn
den Nichtkatholiken die Möglichkeit gewährt wird,
die Beerdigung ihrer Glaubensgenossen nach ihren
Religionsgebräuchen auf einem besondern Fried-
hof oder einer besondern Friedhofsabteilung vor-
zunehmen. So können alle Streitigkeiten ver-
mieden werden, welche sich ergeben müssen, sobald
seitens der Nichtkatholiken die Forderung erhoben
wird, daß nicht nur die Beisetzung auf dem katho-
lischen Friedhof zugelassen, sondern dem nicht-
katholischen Seelsorger auch gestattet werde, auf
dem Friedhof die rituelle Begräbnisfeier, also
einen gottesdienstlichen Akt seines Bekenntnisses
zu vollziehen.
III. Einweihung; Entweihung. Die Be-
gräbnisplätze, welche zur Ruhestätte der Kirchen-
glieder bestimmt sind, sollen durch einen besondern
Weiheakt (welcher erweislich schon im 6. Jahrh.
in der Kirche gebräuchlich war) für diesen gottes-
dienstlichen Zweck gewidmet werden; nur auf einem
solchen coemeterium rite benedictum sollen die
Kirchhöfe.
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Leichname der Gläubigen beerdigt werden. Die
Vornahme der kirchlichen Benediktion steht dem
Diözesanbischof oder dem von ihm delegierten
Priester zu. Die kirchlichen Begräbnisplätze sind
frres sacrae und sollen jenen besondern Schutz
ihrer Unverletzlichkeit und jene Vorrechte genießen,
welche das kanonische Recht für die geweihten
Stätten in Anspruch nimmt. Deshalb verlangt
die Kirche auch die Anerkennung der Immunität
für die geweihten Friedhöfe. Da das Aspylrecht
gegenwärtig nirgends mehr in Geltung ist,
umfaßt die Immunität det Kirchhöfe nur mehr
die Befreiung derselben von öffentlichen Lasten
(ogl. über die Befreiung derselben von der Grund-
steuer preuß. Gesetz vom 21. Mai 1861, § 4,
sub c; österreich. Gesetz vom 24. Mai 1869,
#§ 2. Abs. 4) und das Verbot jedes dieselben pro-
fanierenden Gebrauches. Profanierend ist jeder
Gebrauch einer res sacra, welcher eine Verletzung
der den geweihten Sachen gebührenden Ehrfurcht
bedeutet oder doch mit deren gottesdienstlicher
Bestimmung unvereinbar ist, weil er dieselbe stört
oder behindert, z. B. Vieh weiden oder Wäsche
trocknen auf Kirchhöfen, die Zulassung von Markt-
buden daselbst usw. Hinschius (Kirchenrecht IV.
169 A. 3) hebt mit Recht hervor, daß auch die
Belastung eines Kirchhofes mit Wegegerechtig-
keiten eine Profanierung desselben wäre, weil dessen
regelmäßige Benutzung als Durchgang zu ge-
schäftlichen und weltlichen Zwecken mit der Heilig-
keit und Ruhe des Ortes nicht verträglich ist (vgl.
jedoch die Erkenntnis des Oberappellationsgerichts
Jena vom 28. Febr. 1832 in Seufferts Archiv
VI, Nr 140, welches sogar die Dienstbarkeit des
Fahrweges zu feldwirtschaftlichen Zwecken für zu-
lässig erklärte). Der sakrale Charakter begründet die
teilweise Extrakommerzialität der Kirchhöfe, d. h.
es können an denselben, solange ihre sakrale Wid-
mung besteht, Rechte nicht wirksam begründet
werden, welche mit ihrer wesentlichen Bestimmung
und gottesdienstlichen Verwendung im Wider-
spruch sind, dem Berechtigten die Befugnis zu
profanierendem Gebrauch einräumen würden.
An diesen Konsequenzen des sakralen Charakters
der Kirchhöfe hat auch die protestantische Doktrin
und die Praxis des protestantischen Kirchenrechts
grundsätzlich festgehalten, obwohl der Protestan-
tismus mit der Abschaffung des katholischen Kon-
sekrations= und Benediktionsritus dem Begriffe
der res sacrae seine Grundlage entzogen hatte.
So blieben denn auch bezüglich der Kirchhöfe die
Prinzipien des kanonischen Rechts bei den Prote-
stanten in fortdauernder Anwendung. Das Fried-
hofswesen gehörte (und gehört bis heute in manchen
protestantischen Gebieten) ausschließlich zur Kom-
petenz der kirchlichen Verwaltung, obwohl hier die
Friedhöfe, wenigstens wenn sie nicht Pertinenzen
des Kirchengebäudes sind, nur als res universi-
tatis aufgefaßt werden können, welche öffentliches
Gut der Gemeinde sind und aus Rücksicht auf
das allgemeine Bedürfnis sowie auf das Wohl
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