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der Gemeindeglieder zu öffentlichen Begräbnis-
plätzen bestimmt werden. Die Verkehrsbeschrän-
kungen, welche nach kanonischer Auffassung eine
Wirkung des sakralen Charakters sind, treten nach
modernem staatlichen Rechte überhaupt nicht ohne
weiteres als Folge des Weiheaktes ein; die teil-
weise Extrakommerzialität besteht nur, insofern und
insolange die res Sacrae mit Rechtswirkung pro
koro civili (also in einer den Grundsätzen des
weltlichen Rechts entsprechenden Weise) dem öffent-
lichen Gebrauche gewidmet sind. Darum gelten
nach heutigem staatlichen Rechte diese Verkehrs-
beschränkungen für alle öffentlichen Begräbnis-
plätze, auch wenn sie nicht benediziert sind.
Jede Verletzung der Immunität (nicht bloß die
Verunehrung und entwürdigende Behandlung)
eines geweihten oder vom Bischofe bereits zur
Weihe bestimmten Begräbnisplatzes ist als Sakrileg
(sacrilegium locale) vom kanonischen Rechte mit
Strafen bedroht. Das moderne Strafrecht sichert
den Begräbnisplätzen, auch wenn sie nicht geweiht
sind, durch besondere Strafsanktionen Schutz gegen
böswillige Beschädigung und Verunehrung, gegen
freventliche Eröffnung der Gräber, Entfernung
von Leichen und Leichenbestandteilen; vgl. den 8168
des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich:
„Wer unbefugt eine Leiche aus dem Gewahrsam
der dazu berechtigten Person wegnimmt, ingleichen
wer unbefugt ein Grab zerstört oder beschädigt,
oder wer an einem Grabe beschimpfenden Unfug
verübt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren
bestraft.“ 8 367, 1 droht eine Geldstrafe bis zu
150 M oder Haft an, wenn ohne Vorwissen der
Behörde ein Leichnam beerdigt oder beiseite ge-
schafft oder unbefugt ein Teil einer Leiche aus dem
Gewahrsam der dazu berechtigten Person weg-
genommen wird (ogl. auch das österreichische
St.G.B. 8 306). Nach § 166 des deutschen
St.G.B. ist derjenige, welcher auf einem Fried-
hofe „beschimpfenden Unfug verübt“, mit Gefäng-
nis bis zu drei Jahren zu bestrafen, falls der Fried-
hof als ein „zu religiösen Versammlungen be-
stimmter Ort“ im Sinne des St.G.B. angesehen
werden kann. Wird die den rituellen Vorschriften
entsprechende religiöse Begräbnisfeier „durch
Erregung von Lärm oder Unordnung vorsätzlich
verhindert oder gestört“, so tritt nach § 167 des
St.G.B. die gleiche Strafe ein. Die vorsätzliche
und rechtswidrige Zerstörung oder Beschädigung
eines Grabmales, dieses mag sich auf einem ge-
weihten Friedhofe befinden oder nicht, ist nach
§ 304 mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit
Geld bis zu 1500 M zu bestrafen.
Die Begräbnisplätze sollen ihrer Bestimmung
erhalten, nur aus wichtigen Gründen außer Ge-
brauch gesetzt und jedenfalls, wenn ihre Schließung
verfügt worden, erst nach Ablauf einer den Rück-
sichten der Pietät wie den sanitären Anforde-
rungen entsprechenden Zeitfrist veräußert und pro-
faner Verwendung wiedergegeben werden. Vom
Standpunkt des kanonischen Rechts wären, wenn
Kirchhöfe.
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es sich um geweihte Begräbnisplätze handelt, aus-
schließlich die kirchlichen Behörden berufen, über
die Zulässigkeit solcher Maßregeln zu entscheiden.
Die neuere Staatsgesetzgebung hat jedoch diese
Kompetenz der kirchlichen Organe nur mit Be-
schränkungen anerkannt; jedenfalls wird für die
politische Verwaltung die Befugnis in Anspruch
genommen, aus Rücksichten des öffentlichen Wohles,
namentlich der Gesundheitspolizei, die Sperrung
kirchlicher Friedhöfe zu verfügen. (Die Notwen-
digkeit des Einvernehmens mit den geistlichen Be-
hörden betont das preuß. Allgem. Landrecht 2I II,
Tit. 11, § 764.) Ebenso entscheiden jetzt die staat-
lichen Vorschriften über die Frage, wann gesperrte
Friedhöfe zu profaner Verwendung veräußert
werden dürfen (in Preußen /Kabinetsorder vom
8. Jan. 1830 in der Regel erst 40 Jahre nach der
Schließung des Begräbnisplatzes; in Osterreich
wäre nach dem Hofdekret vom 24. Jan. 1785
selbst die Verbauung gesperrter Friedhöfe schon
nach zehn Jahren zulässig, indessen wird in der
Praxis auch hier regelmäßig der Ablauf einer
längeren Frist abgewartet).
Ist auf einem geweihten Friedhofe notorisch
eine Handlung verübt worden, welche nach der
ausdrücklichen Vorschrift des Kirchengesetzes die
pollutio s. violatio einer Kirche oder eines Kirch-
hofes herbeiführt, dann soll der Kirchhof vorläufig
(bis zu seiner Rekonziliation) geschlossen werden.
Vor der Rekonziliation, welche nur ein vom
Diözesanbischof delegierter Priester vornehmen
kann, darf auf dem Friedhofe keine Beerdigung
stattfinden. (Ist der Kirchhof als coem. eccles.
contiguum unmittelbar an der Kirche angelegt,
so gilt, wenn die Kirche polluiert worden, auch
der Kirchhof als befleckt und muß bis zur Rekon-
ziliation gesperrt werden lcap. un. de consecr.
eccles. in VII# 3, 211.) Die Notorietät des
Vorfalles vorausgesetzt, ist der Kirchhof als pol-
luiert anzusehen, wenn daselbst doloser oder kul-
poser Weise die Tötung eines Menschen (hierher
gehört auch der Fall des imputabeln Selbstmordes)
oder eine Gewalttat, welche erhebliches Blut-
vergießen im Gefolge hatte, verübt, wenn daselbst
Unzucht getrieben worden, endlich wenn daselbst
ein Ungetaufter oder ein excommunicatus vi-
tandus (s. oben) beerdigt worden ist. Die Ein-
weihung eines Friedhofes (bzw. einer Friedhofs-=
abteilung) ist deshalb von vornherein nur statt-
haft, wenn derselbe sich entweder in kirchlicher
Verwaltung befindet oder andernfalls wenigstens
die zur Disposition über den Friedhof Berech-
tigten (durch eine Begräbnisordnung) genügende
Garantien bieten, daß Beerdigungen, durch welche
der benedizierte Begräbnisplatz polluiert würde,
daselbst nicht zugelassen werden. Ebenso wäre die
Einweihung unstatthaft, wenn der Verwaltung
des Friedhofes das Recht gewahrt bliebe, auch in
dem benedizierten Friedhofsraum, ohne Rücksicht
auf den Widerspruch der kompetenten kirchlichen
Organe, Personen beerdigen zu lassen, deren Be-