Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Durch die Wiener Kongreßakte vom Jahre 1815 
war Kapland, das vom portugiesischen in nieder- 
ländischen Besitz gekommen war, an England ge- 
fallen. Die holländischen Ansiedler wanderten zum 
Teil aus und gründeten Natal. 1843 wurde dieses 
als englische Kolonie erklärt. Die Buren wanderten 
weiter bis zum Oranjefluß. 1847 dehnte sich die 
Kapkolonie bis dahin aus. Darauf gründeten die 
Buren die beiden Republiken Oranjefreistaat und 
Transvaal. England folgte im Westen mit der 
Kolonie Griqualand im Jahre 1877, Britisch- 
Betschuanenland 1885 (1895 der Kapkolonie ein- 
verleibt), 1888 mit Betschuanenland-Protektorat, 
1891 mit der Gründung von der Cecil Rhodes- 
Kolonie Rhodesia (jetzt Britisch-Südafrika), so daß 
die beiden Republiken vom englischen Besitz im 
Süden, Westen und Norden umklammert waren. 
In dem von England gesuchten Krieg von 1899 
bis 1902 wurde dieses auch Herr der Burenrepu- 
bliken. Britisch = Zentralafrika wurde 1891 be- 
gründet. England schob sich mit sanfter Gewalt 
zwischen die portugiesischen Besitzungen Angola 
und Mozambique und dehnte sich aus bis zum 
reichen Katangabezirk des Kongostaates, der Süd- 
spitze des Tanganikasees und dem Merusee, dann 
den ganzen Nijassasee entlang rückwärts in portu- 
giesischen Besitz eingreifend bis fast zum Sambesi, 
so daß die portugiesische Provinz Mozambique 
durch dieses Reich ganz umklammert ist. Schon 
wiederholt ist davon die Rede gewesen, daß Eng- 
land den Hafen Lourengo Marques, den Schlüssel 
zu diesem Reiche, von Portugal erwerben wolle. 
Wie lange wird es dauern, daß England auch in 
den Besitz von Mozambique kommt. — Im zen- 
tralen Afrika hat England verschiedene Kolonien, 
an der Ostküste Britisch-Ostafrika und Uganda 
sowie die Britische Somaliküste. Britisch-Ost- 
afrika ward von der Britisch-Ostafrika-Gesell- 
schaft 1890 okkupiert, 1895 übernahm England 
diese Kolonie als Kronkolonie, desgleichen Uganda. 
Britisch-Somaliland wurde 1903 besetzt. Uganda 
steht sodann im Zusammenhang mit dem Sudan- 
gebiet, welches früher unter Emin Pascha Agypten 
gehörte. Mit dem Bau der Eisenbahn, die von 
Kairo über Wadihalfa bis Chartum in das Herz 
der Sudanländer fortgeführt ist, schreitet die Er- 
oberung des Sudans, die auch von Uganda aus 
betrieben wird, fort, und es ist nur eine Frage der 
Zeit, wann zwischen den Besitzungen im Norden 
des Sudans und Uganda der Zusammenschluß er- 
folgt. Diese Absicht Englands, ein nordostafrika- 
nisches großes Reich zu begründen, hat dann auch 
denheftigen Vorstoß Englands gegen Frankreich im 
Jahre 1898 verursacht, als Frankreich vom Westen 
her gegen den Sudan vorging, schon Faschoda 
besetzt hatte und somit auf dem besten Wege war, 
die Verbindung seiner westafrikanischen Kolonien 
mit Obock herzustellen und so ein großes nord- 
afrikanisches Reich von mehr als der Hälfte des 
ganzen Erdteils zu gründen. Weiterhin hat Eng- 
land durch das französisch-englische Kolonial- 
  
Kolonien ufsw. 
  
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abkommen von 1904 den Interessenvorrang in 
Agypten erlangt, so daß auch im Nordosten Afrikas 
ein großes englisches Kolonialgebilde die Wahr- 
scheinlichkeit ist, wenn erst der Mahdi nieder- 
gerungen, woran ja fortgesetzt gearbeitet wird, 
und wenn Abessinien und Agypten in englischen 
Besitz übergegangen sein werden. — Auch im 
Westen Afrikas hat England bedeutenden Kolo- 
nialbesitz. Im Laufe der Zeit hatte es an ver- 
schiedenen Punkten Westafrikas Stationen ge- 
gründet; 1849 wurde von Dänemark die Gold- 
küstenkolonie erworben. Im Laufe des 19. Jahrh. 
setzte dann eine Entwicklung in das Hinterland 
ein. So wurde Sierra Leone 1808 Kronkolonie, 
Gambia 1869, Lagos 1874, Südnigeria 1892, 
Nordnigeria 1900 von der Nigerkompagnie, die 
es 1888 in Besitz genommen hatte, übernommen. 
Dazu kommt noch die Erwerbung der Walfischbai, 
des Schlüssels zu der deutschen Kolonie Südwest- 
afrika. 
Neben diesen großen Kolonialkomplexen hat 
dann England noch eine Reihe kleinerer Inseln, 
Inselgruppen und Stationen zur Stütze der mili- 
tärischen Macht und des Handels erworben: in 
Europa (neben dem 1815 erworbenen, 1890 an 
Deutschland abgetretenen Helgoland) Gibraltar 
und Malta nebst Gozzo und Comino; in Asien 
Cypern, Aden, Bahrein und Kamaran, Nord- 
borneo mit den malalischen Schutzstaaten, Hong- 
kong, Labuan, Straits Settlements sowie die 
Pachtgebiete Kowloon und Weihaiwei; in Afrika 
die Inseln Ascension, Mauritius mit Dependenzen 
sowie Sansibar, Pemba und Lamu, die Sey- 
chellen; in Amerika die Bermudas, Falklandinseln, 
Bahamas, Jamaica mit Dependenzen, Leeward- 
Windwardinseln, Barbados, Trinidad, Tobago, 
St Luria, Dominica, Grenada sowie auf dem 
Festlande noch Britisch-Honduras und Britisch- 
Guayana. 
So hat England mit zäher Energie ein Kolo- 
nialreich begründet, das mit nahezu 30 Mill. qkm 
und 350 Mill. Einw. größer ist als das sämtlicher 
übrigen Kolonialmächte der Welt. 
Frankreich hat seine Kolonialpolitik im Jahre 
1608 durch Gründung von Quebec begonnen 
und im Laufe des 17. Jahrh. eine ganze Reihe 
Kolonien in Amerika, Westindien und Ostindien 
erworben. Kanada und Akadien, die beiden großen 
Kolonien im Norden Amerikas, wurden im Laufe 
der Zeit von Quebec aus begründet. Von den 
Quellen des Mississippi aus schuf man eine Ver- 
bindung mit dessen Mündung, wo Louisiana im 
Jahre 1682 bereits besetzt war, so daß Frank- 
reich den größten Teil von Nordamerika besaß. 
Im Pariser Frieden mußte Frankreich Kanada 
und Akadien an England abgeben, Louisiana hatte 
es 1762 an die Spanier abgetreten, erhielt es aber 
1800 von diesen zurück, worauf es von Napoleon 
1803 für 60 Mill. Franken an die Vereinigten 
Staaten verkauft wurde. So verlor Frankreich wie- 
der seinen gesamten großen Besitz auf dem Festlande
	        
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