305
Durch die Wiener Kongreßakte vom Jahre 1815
war Kapland, das vom portugiesischen in nieder-
ländischen Besitz gekommen war, an England ge-
fallen. Die holländischen Ansiedler wanderten zum
Teil aus und gründeten Natal. 1843 wurde dieses
als englische Kolonie erklärt. Die Buren wanderten
weiter bis zum Oranjefluß. 1847 dehnte sich die
Kapkolonie bis dahin aus. Darauf gründeten die
Buren die beiden Republiken Oranjefreistaat und
Transvaal. England folgte im Westen mit der
Kolonie Griqualand im Jahre 1877, Britisch-
Betschuanenland 1885 (1895 der Kapkolonie ein-
verleibt), 1888 mit Betschuanenland-Protektorat,
1891 mit der Gründung von der Cecil Rhodes-
Kolonie Rhodesia (jetzt Britisch-Südafrika), so daß
die beiden Republiken vom englischen Besitz im
Süden, Westen und Norden umklammert waren.
In dem von England gesuchten Krieg von 1899
bis 1902 wurde dieses auch Herr der Burenrepu-
bliken. Britisch = Zentralafrika wurde 1891 be-
gründet. England schob sich mit sanfter Gewalt
zwischen die portugiesischen Besitzungen Angola
und Mozambique und dehnte sich aus bis zum
reichen Katangabezirk des Kongostaates, der Süd-
spitze des Tanganikasees und dem Merusee, dann
den ganzen Nijassasee entlang rückwärts in portu-
giesischen Besitz eingreifend bis fast zum Sambesi,
so daß die portugiesische Provinz Mozambique
durch dieses Reich ganz umklammert ist. Schon
wiederholt ist davon die Rede gewesen, daß Eng-
land den Hafen Lourengo Marques, den Schlüssel
zu diesem Reiche, von Portugal erwerben wolle.
Wie lange wird es dauern, daß England auch in
den Besitz von Mozambique kommt. — Im zen-
tralen Afrika hat England verschiedene Kolonien,
an der Ostküste Britisch-Ostafrika und Uganda
sowie die Britische Somaliküste. Britisch-Ost-
afrika ward von der Britisch-Ostafrika-Gesell-
schaft 1890 okkupiert, 1895 übernahm England
diese Kolonie als Kronkolonie, desgleichen Uganda.
Britisch-Somaliland wurde 1903 besetzt. Uganda
steht sodann im Zusammenhang mit dem Sudan-
gebiet, welches früher unter Emin Pascha Agypten
gehörte. Mit dem Bau der Eisenbahn, die von
Kairo über Wadihalfa bis Chartum in das Herz
der Sudanländer fortgeführt ist, schreitet die Er-
oberung des Sudans, die auch von Uganda aus
betrieben wird, fort, und es ist nur eine Frage der
Zeit, wann zwischen den Besitzungen im Norden
des Sudans und Uganda der Zusammenschluß er-
folgt. Diese Absicht Englands, ein nordostafrika-
nisches großes Reich zu begründen, hat dann auch
denheftigen Vorstoß Englands gegen Frankreich im
Jahre 1898 verursacht, als Frankreich vom Westen
her gegen den Sudan vorging, schon Faschoda
besetzt hatte und somit auf dem besten Wege war,
die Verbindung seiner westafrikanischen Kolonien
mit Obock herzustellen und so ein großes nord-
afrikanisches Reich von mehr als der Hälfte des
ganzen Erdteils zu gründen. Weiterhin hat Eng-
land durch das französisch-englische Kolonial-
Kolonien ufsw.
306
abkommen von 1904 den Interessenvorrang in
Agypten erlangt, so daß auch im Nordosten Afrikas
ein großes englisches Kolonialgebilde die Wahr-
scheinlichkeit ist, wenn erst der Mahdi nieder-
gerungen, woran ja fortgesetzt gearbeitet wird,
und wenn Abessinien und Agypten in englischen
Besitz übergegangen sein werden. — Auch im
Westen Afrikas hat England bedeutenden Kolo-
nialbesitz. Im Laufe der Zeit hatte es an ver-
schiedenen Punkten Westafrikas Stationen ge-
gründet; 1849 wurde von Dänemark die Gold-
küstenkolonie erworben. Im Laufe des 19. Jahrh.
setzte dann eine Entwicklung in das Hinterland
ein. So wurde Sierra Leone 1808 Kronkolonie,
Gambia 1869, Lagos 1874, Südnigeria 1892,
Nordnigeria 1900 von der Nigerkompagnie, die
es 1888 in Besitz genommen hatte, übernommen.
Dazu kommt noch die Erwerbung der Walfischbai,
des Schlüssels zu der deutschen Kolonie Südwest-
afrika.
Neben diesen großen Kolonialkomplexen hat
dann England noch eine Reihe kleinerer Inseln,
Inselgruppen und Stationen zur Stütze der mili-
tärischen Macht und des Handels erworben: in
Europa (neben dem 1815 erworbenen, 1890 an
Deutschland abgetretenen Helgoland) Gibraltar
und Malta nebst Gozzo und Comino; in Asien
Cypern, Aden, Bahrein und Kamaran, Nord-
borneo mit den malalischen Schutzstaaten, Hong-
kong, Labuan, Straits Settlements sowie die
Pachtgebiete Kowloon und Weihaiwei; in Afrika
die Inseln Ascension, Mauritius mit Dependenzen
sowie Sansibar, Pemba und Lamu, die Sey-
chellen; in Amerika die Bermudas, Falklandinseln,
Bahamas, Jamaica mit Dependenzen, Leeward-
Windwardinseln, Barbados, Trinidad, Tobago,
St Luria, Dominica, Grenada sowie auf dem
Festlande noch Britisch-Honduras und Britisch-
Guayana.
So hat England mit zäher Energie ein Kolo-
nialreich begründet, das mit nahezu 30 Mill. qkm
und 350 Mill. Einw. größer ist als das sämtlicher
übrigen Kolonialmächte der Welt.
Frankreich hat seine Kolonialpolitik im Jahre
1608 durch Gründung von Quebec begonnen
und im Laufe des 17. Jahrh. eine ganze Reihe
Kolonien in Amerika, Westindien und Ostindien
erworben. Kanada und Akadien, die beiden großen
Kolonien im Norden Amerikas, wurden im Laufe
der Zeit von Quebec aus begründet. Von den
Quellen des Mississippi aus schuf man eine Ver-
bindung mit dessen Mündung, wo Louisiana im
Jahre 1682 bereits besetzt war, so daß Frank-
reich den größten Teil von Nordamerika besaß.
Im Pariser Frieden mußte Frankreich Kanada
und Akadien an England abgeben, Louisiana hatte
es 1762 an die Spanier abgetreten, erhielt es aber
1800 von diesen zurück, worauf es von Napoleon
1803 für 60 Mill. Franken an die Vereinigten
Staaten verkauft wurde. So verlor Frankreich wie-
der seinen gesamten großen Besitz auf dem Festlande