Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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eine wirkliche Aufschließung des Landes damit nicht 
erreicht wurde. Letzteres beweist deutlich die Ent- 
wicklung, welche die Frage der Landschenkungen an 
die Landgesellschaften in den deutschen Kolonien 
und in Französisch-Kongo genommen hat. Überall 
finden wir statt wirtschaftlicher Erschließung Kon- 
flikte mit den Eingebornen, den Ansiedlern und 
den bereits bestehenden Handelsgesellschaften. Das- 
selbe war der Fall bezüglich der New Zealand 
Company, welche das Land von den Eingebornen 
kaufte und an Ansiedler weitergab, obwohl diese 
viele Kolonisten nach Neuseeland gezogen hat. Die 
Frage wird bei Besprechung der deutschen Kolo- 
nialpolitik näher erörtert werden. Überall, wo# 
die Lösung der Bodenfrage durch Privatpersonen 
und Landgesellschaften durch Uberlassung größerer 
Komplexe versucht wurde, ist dieselbe mißlungen. 
Dagegen haben sich im allgemeinen größere Land- 
en usfw. 320 
wonach die Fürsten, in deren Rechte man nicht 
eingriff, für ihre Untertanen Abgaben in Geld, 
namentlich aber in Gewürzen und Kaffee leisten 
mußten. England besetzte 1811 die ostindischen 
Besitzungen der Kompagnie, erklärte alles Land 
für Regierungsland und legte eine Grundsteuer 
darauf. Als 1814 die Kolonien an Holland zu- 
rückfielen, wurde zunächst an Stelle der Grund- 
steuer das alte Abgabeverfahren wieder eingeführt 
mit dem alten Monopolsystem bezüglich der Ge- 
würze und des Kaffees. Sehr bald aber ging man 
zu dem sog. Kultursystem (Cultursteelsel) über, 
wodurch jeder Eingeborne gezwungen wurde, ein 
Fünftel seines Grundbesitzes und auch ein Fünftel 
seiner Arbeit dem Mutterlande zur Verfügung 
zu stellen. Der Kongostaat beließ den Eingebornen 
das von ihnen besetzte Land und erklärte alles 
herrenlose Land für Staatsdomäne (nicht zu ver- 
  
schenkungen an Eisenbahngesellschaften beim Bau 
von Eisenbahnen als zur wirtschaftlichen Erschlie- 
Kung geeignet erwiesen. 
Nach den Erfahrungen, die England in den 
australischen Kolonien mit der Landverteilung, mit 
Kauf, Erbpacht, Pacht auf längere Zeit gemacht 
hat, nach den guten Erfolgen der amerikanischen 
Politik der innern Kolonisation, die auch in Kanada 
zurzeit das herrschende System ist, nach den 
Erfolgen und Mißerfolgen der Pflanzungsgesell- 
schaften in den deutschen Kolonien, in Ostindien 
und Westindien darf man wohl folgendes als das 
richtige Problem einer gesunden Bodenpolitik 
aufstellen: Die Aufteilung des Landes hat durch 
die Kolonialverwaltung zu erfolgen. In Acker- 
baukolonien ist das System der Kleinfarm, in 
Weidelandkolonien das System der Großfarm 
(Privatkolonisten) das richtige; jedoch ist dafür 
Sorge zu tragen, daß der Ansiedler entweder das 
nötige Kapital zur wirtschaftlichen Erschließung und 
einen einjährigen Unterhalt seiner Person bzw. 
Familie nachweist, oder daß ihm durch die Kolo- 
nialverwaltung dieses bereit gestellt wird. Bei 
Pflanzungskolonien ist die Landabgabe an kapital- 
kräftige Privatpersonen, die selbst ihre Plantagen 
leiten, der Bildung von Plantagengesellschaften 
vorzuziehen. Soll an Pflanzungsgesellschaften 
Land abgetreten werden, so soll man das nur ent- 
sprechend dem nachgewiesenen Kapital zulassen, 
wobei man mindestens die Summe von 500 M 
pro ha zur Grundlage nehmen sollte, um gegen 
Mißerfolge nach Möglichkeit gesichert zu sein. In 
allen Kolonien, in denen Eingebornenkultur zu er- 
möglichen ist, ist diese zu pflegen und Ansiedlungs- 
bzw. Pflanzungskultur nebenbei zuzulassen. 
Bei den alten Handelskompagnien spielte die 
Landfrage keine Rolle, da sie im Anfang reine 
Handelskolonien waren und Land nur für ihre 
Stationen erwarben und sich um die Landver- 
hältnisse ihrer Kolonien nicht kümmerten. Nur 
bei der Niederländisch-ostindischen Kompagnie, 
welche allerdings auch alles Land der eingebornen 
Bevölkerung beließ, entwickelte sich ein System, 
  
wechseln mit der Nationaldomäne, der eignen 
Staatsbewirtschaftung vorbehaltenes Land). Von 
der Staatsdomäne wurde vieles Land zu weiterer 
Ausnützung an Gesellschaften abgegeben, anderes 
an Private verkauft. Dabei ist aber aller Kaut- 
schuk und alles Elfenbein, die im Kongostaat er- 
beutet werden, an den Staat abzuliefern. 
Wir sehen also, daß einerseits alles vorhandene 
Land ohne Rücksicht auf die bisherigen Besitzer 
sogar mit diesen selbst für Staatseigentum erklärt 
und verschleudert wird, daß sich anderseits, wie in 
Ostindien, der Mutterstaat um den Besitz der 
Eingebornen gar nicht kümmert, ja sogar verbietet, 
daß der eingeborne Besitzer an Nichteingeborne 
verkauft. In der letzten Zeit hat sich die Boden- 
politik der kolonisierenden Mächte dahin im all- 
gemeinen entwickelt, daß man den Eingebornen 
das in ihrem Besitz befindliche Land beläßt, das 
herrenlose Land für Kronland erklärt und es unter 
Zurückstellung des finanziellen Effektes zum Zwecke 
der Besiedlung weiter überträgt, oder aber es als 
Einnahmequelle der Kolonien ausnutzt. 
Auch die Handelspolitik der Kolonien hat 
vollständige Extreme. Von dem starren Handels- 
monopol der Portugiesen und Spanier, welch 
letztere sogar den Handel im Ausgangshafen und 
Endhafen festlegten und ihn selbst durch staat- 
liche, von Convois der Kriegsschiffe begleitete 
Handelsflotten betreiben ließen, bis zum Prinzip 
der offenen Tür kommen in der Entwicklung alle 
Zwischenformen vor. Im Anfang traten Hol- 
länder, Engländer und Franzosen gegen dieHandels- 
tyrannei der Spanier und Portugiesen auf. Das 
Flibustier= oder Bukanierunwesen erhielt z. T. 
staatliche Unterstützung, und selbst offizielle Plün- 
derungs= und Eroberungszüge wurden gegen die 
Kolonien der Spanier und Portugiesen ausge- 
sandt (Sir Francis Drake u. a.). Aber den eignen 
Handelsgesellschaften gaben auch Engländer, Fran- 
zosen und selbst die Holländer, welche mit Portu- 
gal langdauernde Kriege wegen der Handelsfreiheit 
geführt haben, Handelsmonopole, und als sie selbst 
nach Erstarkung der Seemacht in größeren Kolo- 
 
	        
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