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gebornengemeinschaften vorzugsweise mohamme-
danischen Ursprungs mit starken Machthabern
bestehen, sind nach englischem und holländischem
Vorbild Residenturen eingerichtet. Die Residenten
haben die Aufgabe, auf die eingeborne Bevölke-
rung vermittels Beratung und Beeinflussung ihrer
Fürsten einzuwirken und das Fußfassen einer un-
mittelbaren deutschen Verwaltung den Eingebornen
gegenüber vorzubereiten. Gegenüber den Weißen
sind sie aber schon jetzt die unmittelbaren Lokal-
verwaltungsbehörden.
Neben der allgemeinen Landesverwaltung stehen
als besonders organisierte Verwaltungen in Ost-
afrika die Medizinalverwaltung und in Kiautschou
die Unterrichtsverwaltung.
Verwaltungsrechtliche Normen bestimmen, wie
gesagt, die Gebiete näher, auf denen der gesamte
Verwaltungsapparat tätig wird. Danach erstreckt
sich die Verwaltungstätigkeit als fürsorgende ein-
mal auf die gesamte Bevölkerung und ihr geistiges
und leibliches Wohl, ferner auf das ganze Wirt-
schaftsleben der Kolonie. Grundlage jener Be-
völkerungsfürsorge ist außer der auch privatrechtlich
in Betracht kommenden, gegenüber den Eingebor-
nen bisher freilich nur beschränkt durchgeführten
Beurkundung des Personenstandes der durchweg
platzgreifende Grundsatz der Einwanderungs= und
Niederlassungsfreiheit für Deutsche und Fremde,
der Freizügigkeit und schließlich auch der Aus-
wanderungsfreiheit, soweit von letzterer nicht Aus-
nahmen gemacht sind im Hirnblick auf die Aus-
wanderung eingeborner Arbeiter. Für das geistige
und leibliche Wohl der Bevölkerung hat die kolo-
niale Verwaltung zu sorgen auf den Gebieten des
Kultus, des Unterrichts und des Gesundheitswesens.
Die dem Wirtschaftsleben zuzuwendende Fürsorge
erstreckt sich auf die verschiedenen Zweige der Ur-
produktion: Landwirtschaft, Viehzucht, Forstwirt-
schaft, Jagd, Fischerei und Bergbau, ferner auf
Handel und Gewerbe, Münz-, Maß-, Gewichts-
und Bankwesen, auf das Verkehrswesen und
schließlich auf das Arbeiterwesen.
Auf allen diesen genannten Gebieten hat aber
die Verwaltung nicht bloß eine fürsorgende, son-
dern auch eine gefahrabwendende, also polizeiliche
Tätigkeit zu entwickeln. Eine solche, jedem Gebiete
der innern Verwaltung „immanente“ Polizei
nennt man Verwaltungspolizei. Ihr gegenüber
steht die Sicherheitspolizei, die einen nicht Für-
sorge, sondern ausschließlich Gefahrabwendung
bezweckenden speziellen Verwaltungszweig darstellt.
Die koloniale Polizeigewalt jeglicher Art wird,
wie die mutterländische, ausgeübt durch abstrakte,
gesetzesähnliche Polizeiverordnungen und durch
konkrete, für den Einzelfall getroffene, gerichtlichen
Entscheidungen entsprechende Polizeiverfügungen.
Gegen Polizeiverfügungen hat man in Kiau-
tschou schon im Jahre 1900 für jedermann das
Recht der Beschwerde an den Gouverneur gegeben.
Gegen Polizeiverfügungen und andere Verwal-
tungsanordnungen ist für die afrikanischen und
Kolonialrecht.
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Südseekolonien im Jahre 1905 den Weißen ein
Beschwerderecht eingeräumt. Vom Gouverneur
kann es eventuell auf die Farbigen erstreckt werden.
Die Beschwerde geht an den Gouverneur und als
weitere Beschwerde an den Reichskanzler. Eine
Beschwerde gegen den Gouverneur ist unmittelbar
an den Reichskanzler zu richten.
Wo das in den Kolonien rezipierte mutterlän-
dische Recht gegen Polizeiverfügungen den Weg
des Verwaltungsstreitverfahrens vorsieht, entschei-
det für die Kolonien der Bundesrat in erster und
letzter Instanz. Ein eigentliches Verwaltungsstreit-
verfahren fehlt hier also noch.
Zur Durchführung von Polizeiverfügungen ist
in Verbindung mit dem Beschwerdeverfahren im
Jahre 1900 für Kiautschou und im Jahre 1905
für Afrika und die Südsee ein Verwaltungs-
zwangsverfahren nach dem Vorbilde des preußi-
chen Verwaltungszwangsverfahrens in Geltung
gesetzt. Wie das entsprechende Beschwerdeverfahren,
kommt es in Kiautschou auf die gesamte Bevölke-
rung zur Anwendung; in Afrika und der Südsee
grundsätzlich nur auf Weiße, kann hier aber auf
Farbige durch den Gouverneur erstreckt werden.
In diesem Falle ist gerade wie in Kiautschou den
Farbigen gegenüber als Zwangsmittel auch körper-
liche Züchtigung statthaft.
Als Vollzugsorgane sind der deutschen Ver-
waltung regelmäßig Polizeitruppen an die Hand
gegeben, die aus Weißen und Farbigen gebildet
sind. Sie leiten über zur kolonialen Militärver-
waltung.
Das Recht der kolonialen Militärverwaltung
hat zum Gegenstande die Organisation der kolo-
nialen Wehrmacht und die Erfüllung der Wehr-
pflicht in den Kolonien.
Die koloniale Finanzverwaltung erfolgt seit
Schaffung der kolonialen Landesfisci (Gesetz
betr. die Einnahmen und Ausgaben der Schutz-
gebiete vom 30. März 1892) für Rechnung
der einzelnen Kolonien als vermögensrechtlicher
Subjekte, aber namens des Reiches als staats-
rechtlichen Subjektes. Ihre Reglung gehört somit
zur Ausübung der Schutzgewalt, welch letztere,
soweit sie sich auf die Finanzverwaltung bezieht,
als Finanzhoheit zu bezeichnen ist. Demgemäß
steht das Finanzverordnungsrecht dem Kaiser zu,
weil ihm die Ausübung der Schutzgewalt über-
tragen ist (§ 1 Sch.G.G.). Wenn vielfach und
namentlich in der Praxis angenommen wird, daß
§ 15 Sch.G.G. dem Reichskanzler eine gleiche
Finanzverordnungskompetenz erteile, so ist dieses
irrig. Zahlreiche Finanzverordnungen des Reichs-
kanzlers oder der von ihm ermächtigten Beamten
sind daher ungültig.
Die Ausübung der Finanzhoheit durch den
Kaiser oder, was dasselbe ist, das Finanzverord-
nungsrecht des Kaisers findet, wie seine gesamte
Verordnungsbefugnis, eine Grenze am Gesetz,
insbesondere am Reichsgesetz betr. die Einnahmen
und Ausgaben der Schutzgebiete vom 30. März
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