Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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1892. Dieses hat zwei wichtige Schranken auf- 
gestellt. Die erste beruht darin, daß das kaiser- 
liche Finanzverordnungsrecht, soweit es auf die 
Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete ein- 
wirken soll, vom Budgetrecht des Reichstags und 
Bundesrats abhängig gemachtt ist. 
Die zweite Schranke hat das Gesetz vom 
30. März 1892 dem kaiserlichen Finanzverord- 
nungsrecht durch die Bestimmung gesetzt, daß die 
Aufnahme einer Anleihe oder die Ubernahme einer 
Garantie seitens eines Schutzgebiets nicht durch 
kaiserliche Verordnung, sondern nur durch Gesetz 
in die Wege geleitet werden kann. 
Sonstige Grenzen für die Ausübung der kolo- 
nialen Finanzhoheit beruhten und beruhen auf 
rechtsgeschäftlicher Grundlage, sei es auf staats- 
rechtlichen, sei es auf völkerrechtlichen Rechts- 
geschäften. Hierher gehörige staatsrechtliche Rechts- 
geschäfte waren die der Deutsch-ostafrikanischen 
Gesellschaft und der Neuguinea-Kompagnie er- 
teilten Schutzbriefe und die mit den Eingebornen- 
häuptlingen geschlossenen Schutzverträge. Die hier- 
durch begründeten Schranken sind aber, was be- 
reits berührt wurde, größtenteils beseitigt. Heute 
kommen als rechtsgeschäftliche Schranken vorzugs- 
— nur noch völkerrechtliche Verträge in Be- 
tracht. 
Der letzte der erwähnten fünf kolonialen Ver- 
waltungsbereiche, die koloniale Justizverwaltung, 
hat natürlich die mutterländische Zentrale wieder 
im Reichskolonialamt bzw. für Kiautschon im 
Reichsmarineamt. In diesen beiden Behörden 
sind gewissermaßen die Justizministerien der Kolo- 
nien enthalten. Von hier aus werden die Amts- 
sitze der kolonialen Justizbeamten sowie die Grenzen 
der Gerichtsbezirke bestimmt. Und ebenso wird 
von dort die Dienstaufsicht über sämtliche Justiz- 
beamten der Kolonien ausgeübt. In den einzelnen 
Kolonien führt je der Gouverneur die Dienstauf- 
sicht über den höchsten Justizbeamten, den Ober- 
richter, und der Oberrichter die Dienstaufsicht 
über die sonstigen Justizbeamten, insbesondere 
über die Bezirksrichter. In letzterer Beziehung 
tritt jedoch in Togo der Gouverneur an die Stelle 
des Oberrichters, da hier ein eigner Oberrichter 
nicht vorhanden ist. Von dem Dienstaufsichtsrecht 
der Gouverneure abgesehen, ist in den Kolonien 
überhaupt die ganze Justizverwaltung, entsprechend 
den mutterländischen Verhältnissen, in die Hände 
von Organen gelegt, denen gleichzeitig auch Funk- 
tionen der Rechtspflege, des vorzüglichsten Gegen- 
standes der Justizverwaltung, übertragen sind. 
Diese Organe sind namentlich der Oberrichter, 
der ja Vorsitzender des Obergerichts, des Gerichts 
zweiter Instanz für die Weißen, und der Bezirks- 
richter, der, sei es als Vorsitzender des kollegialen 
Bezirksgerichts, sei es als Einzelrichter, bei Wahr- 
nehmung der Weißengerichtsbarkeit erster Instanz 
fungiert. 
Während nun aber die insoweit bestehende 
Personalunion von Justizverwaltung und Rechts- 
Kolonialrecht. 
  
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pflege mit den mutterländischen Grundsätzen nicht 
in Widerspruch tritt, ist es anders, wo in den 
Kolonien Justizverwaltung und Rechtspflege, kurz 
gesagt die Justiz, mit der allgemeinen Landesver- 
waltung, in einer Hand vereinigt ist. Das wider- 
spricht dem mutterländischen Prinzip der Tren- 
nung von Justiz und Verwaltung. 
Soweit die Weißengerichtsbarkeit in Betracht 
kommt, wurde die Nichtbeobachtung dieses Grund- 
satzes einstweilen wegen des verhältnismäßig ge- 
ringen Umfanges beider Tätigkeitsbereiche und 
wegen der Unmöglichkeit, in jedem derselben be- 
sondere Kräfte hinreichend auszunutzen, durch die 
Sparsamkeit zur Pflicht gemacht. Je mehr dann 
die Geschäfte angewachsen sind, um so mehr ist 
man, nach einer Ansicht allerdings zum Teil ver- 
früht, dazu übergegangen, für die Weißen die 
Trennung von Justiz und Verwaltung zu be- 
wirken. Sie ist heute in der Hauptsache durch- 
geführt. Nur gewisse Ausnahmen bestehen noch. 
In Ansehung der Farbigen steht es gerade 
umgekehrt. Für sie den Grundsatz der Trennung 
von Justiz und Verwaltung aufzustellen, war kein 
Anlaß vorhanden. Er liegt ihrem ganzen Rechts- 
empfinden fern. Grundsätzlich hat man daher die 
Farbigengerichtsbarkeit nebst zugehöriger Justiz- 
verwaltung in der Vereinigung mit der allgemei- 
nen Landesverwaltung belassen. In höherer In- 
stanz steht sie namentlich den Gouverneuren, in 
erster Instanz, soweit man sie nicht Eingebornen- 
behörden gelassen oder übertragen hat, vorzugs- 
weise den Bezirksamtmännern oder sonstigen Vor- 
stehern der Lokalverwaltungsbehörden zu. Für die 
Farbigen bildet demnach die Verschiedenheit der 
Gerichts= und Verwaltungsbehörden die Aus- 
nahme. 
Zu dem aus den verschiedenen Gebieten der 
Kolonialverwaltung bestehenden Hauptbereich des 
Kolonialverwaltungsrechts bilden, wie gesagt, die 
Rechtsverhältnisse der Kolonialbeamten einen 
Nebenbereich. Den Begriff der Kolonialbeamten 
kann man weiter und enger auffassen. Zu den 
Kolonialbeamten im weiteren Sinne gehören die 
Beamten der mutterländischen Zentralbehörden 
und die in den Kolonien angestellten Postbeamten. 
Kolonialbeamte im engeren Sinne sind die in den 
Kolonien angestellten sonstigen Beamten, eben die 
Beamten, die hier auf den verschiedenen Gebieten 
der Kolonialverwaltung tätig sind. 
Die Kolonialbeamten im weiteren Sinne waren 
von jeher und sind auch heute noch lediglich Reichs- 
beamte. Ihre Rechtsverhältnisse bestimmten und 
bestimmen sich darum einfach nach dem Reichs- 
beamtengesetz und dessen Nebengesetzen. 
Die Kolonialbeamten im engeren Sinne waren 
ursprünglich auch Reichsbeamte. Seit Schaffung 
der besondern Schutzgebietsfisci (1892) erfolgte 
aber ihre Besoldung aus Landesfonds der Schutz- 
gebiete. Damit wurden sie Landesbeamte der 
Schutzgebiete. Für ihre Rechtsverhältnisse blieb 
auch fortan das Reichsbeamtengesetz mit seinen
	        
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