345
1892. Dieses hat zwei wichtige Schranken auf-
gestellt. Die erste beruht darin, daß das kaiser-
liche Finanzverordnungsrecht, soweit es auf die
Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete ein-
wirken soll, vom Budgetrecht des Reichstags und
Bundesrats abhängig gemachtt ist.
Die zweite Schranke hat das Gesetz vom
30. März 1892 dem kaiserlichen Finanzverord-
nungsrecht durch die Bestimmung gesetzt, daß die
Aufnahme einer Anleihe oder die Ubernahme einer
Garantie seitens eines Schutzgebiets nicht durch
kaiserliche Verordnung, sondern nur durch Gesetz
in die Wege geleitet werden kann.
Sonstige Grenzen für die Ausübung der kolo-
nialen Finanzhoheit beruhten und beruhen auf
rechtsgeschäftlicher Grundlage, sei es auf staats-
rechtlichen, sei es auf völkerrechtlichen Rechts-
geschäften. Hierher gehörige staatsrechtliche Rechts-
geschäfte waren die der Deutsch-ostafrikanischen
Gesellschaft und der Neuguinea-Kompagnie er-
teilten Schutzbriefe und die mit den Eingebornen-
häuptlingen geschlossenen Schutzverträge. Die hier-
durch begründeten Schranken sind aber, was be-
reits berührt wurde, größtenteils beseitigt. Heute
kommen als rechtsgeschäftliche Schranken vorzugs-
— nur noch völkerrechtliche Verträge in Be-
tracht.
Der letzte der erwähnten fünf kolonialen Ver-
waltungsbereiche, die koloniale Justizverwaltung,
hat natürlich die mutterländische Zentrale wieder
im Reichskolonialamt bzw. für Kiautschon im
Reichsmarineamt. In diesen beiden Behörden
sind gewissermaßen die Justizministerien der Kolo-
nien enthalten. Von hier aus werden die Amts-
sitze der kolonialen Justizbeamten sowie die Grenzen
der Gerichtsbezirke bestimmt. Und ebenso wird
von dort die Dienstaufsicht über sämtliche Justiz-
beamten der Kolonien ausgeübt. In den einzelnen
Kolonien führt je der Gouverneur die Dienstauf-
sicht über den höchsten Justizbeamten, den Ober-
richter, und der Oberrichter die Dienstaufsicht
über die sonstigen Justizbeamten, insbesondere
über die Bezirksrichter. In letzterer Beziehung
tritt jedoch in Togo der Gouverneur an die Stelle
des Oberrichters, da hier ein eigner Oberrichter
nicht vorhanden ist. Von dem Dienstaufsichtsrecht
der Gouverneure abgesehen, ist in den Kolonien
überhaupt die ganze Justizverwaltung, entsprechend
den mutterländischen Verhältnissen, in die Hände
von Organen gelegt, denen gleichzeitig auch Funk-
tionen der Rechtspflege, des vorzüglichsten Gegen-
standes der Justizverwaltung, übertragen sind.
Diese Organe sind namentlich der Oberrichter,
der ja Vorsitzender des Obergerichts, des Gerichts
zweiter Instanz für die Weißen, und der Bezirks-
richter, der, sei es als Vorsitzender des kollegialen
Bezirksgerichts, sei es als Einzelrichter, bei Wahr-
nehmung der Weißengerichtsbarkeit erster Instanz
fungiert.
Während nun aber die insoweit bestehende
Personalunion von Justizverwaltung und Rechts-
Kolonialrecht.
346
pflege mit den mutterländischen Grundsätzen nicht
in Widerspruch tritt, ist es anders, wo in den
Kolonien Justizverwaltung und Rechtspflege, kurz
gesagt die Justiz, mit der allgemeinen Landesver-
waltung, in einer Hand vereinigt ist. Das wider-
spricht dem mutterländischen Prinzip der Tren-
nung von Justiz und Verwaltung.
Soweit die Weißengerichtsbarkeit in Betracht
kommt, wurde die Nichtbeobachtung dieses Grund-
satzes einstweilen wegen des verhältnismäßig ge-
ringen Umfanges beider Tätigkeitsbereiche und
wegen der Unmöglichkeit, in jedem derselben be-
sondere Kräfte hinreichend auszunutzen, durch die
Sparsamkeit zur Pflicht gemacht. Je mehr dann
die Geschäfte angewachsen sind, um so mehr ist
man, nach einer Ansicht allerdings zum Teil ver-
früht, dazu übergegangen, für die Weißen die
Trennung von Justiz und Verwaltung zu be-
wirken. Sie ist heute in der Hauptsache durch-
geführt. Nur gewisse Ausnahmen bestehen noch.
In Ansehung der Farbigen steht es gerade
umgekehrt. Für sie den Grundsatz der Trennung
von Justiz und Verwaltung aufzustellen, war kein
Anlaß vorhanden. Er liegt ihrem ganzen Rechts-
empfinden fern. Grundsätzlich hat man daher die
Farbigengerichtsbarkeit nebst zugehöriger Justiz-
verwaltung in der Vereinigung mit der allgemei-
nen Landesverwaltung belassen. In höherer In-
stanz steht sie namentlich den Gouverneuren, in
erster Instanz, soweit man sie nicht Eingebornen-
behörden gelassen oder übertragen hat, vorzugs-
weise den Bezirksamtmännern oder sonstigen Vor-
stehern der Lokalverwaltungsbehörden zu. Für die
Farbigen bildet demnach die Verschiedenheit der
Gerichts= und Verwaltungsbehörden die Aus-
nahme.
Zu dem aus den verschiedenen Gebieten der
Kolonialverwaltung bestehenden Hauptbereich des
Kolonialverwaltungsrechts bilden, wie gesagt, die
Rechtsverhältnisse der Kolonialbeamten einen
Nebenbereich. Den Begriff der Kolonialbeamten
kann man weiter und enger auffassen. Zu den
Kolonialbeamten im weiteren Sinne gehören die
Beamten der mutterländischen Zentralbehörden
und die in den Kolonien angestellten Postbeamten.
Kolonialbeamte im engeren Sinne sind die in den
Kolonien angestellten sonstigen Beamten, eben die
Beamten, die hier auf den verschiedenen Gebieten
der Kolonialverwaltung tätig sind.
Die Kolonialbeamten im weiteren Sinne waren
von jeher und sind auch heute noch lediglich Reichs-
beamte. Ihre Rechtsverhältnisse bestimmten und
bestimmen sich darum einfach nach dem Reichs-
beamtengesetz und dessen Nebengesetzen.
Die Kolonialbeamten im engeren Sinne waren
ursprünglich auch Reichsbeamte. Seit Schaffung
der besondern Schutzgebietsfisci (1892) erfolgte
aber ihre Besoldung aus Landesfonds der Schutz-
gebiete. Damit wurden sie Landesbeamte der
Schutzgebiete. Für ihre Rechtsverhältnisse blieb
auch fortan das Reichsbeamtengesetz mit seinen