357
instituts der Sklaverei, sittliche Hebung des Ehe-
rechts, das zum Teil noch auf mutterrechtlicher
Grundlage beruht, Kautelen gegen geschäftliche
Unlauterkeit, insbesondere gegen den Wucher, in
Ostafrika die Einführung der Pflicht zur Buch-
führung, zur Errichtung von Inventur und Bilanz
für die sehr zu unsaubern Geschäften neigenden
Inder als Inhaber von kaufmännischen Geschäften.
Andere privatrechtliche Einwirkungen des Weißen-
rechts auf das Farbigenrecht erklären sich daraus,
daß man die vollkommeneren technischen Mittel
des ersteren für das letztere nutzbar gemacht hat.
So ist in verschiedenen Kolonien, um die Sicher-
heit des Rechtsverkehrs zu heben, behördliche Be-
urkundung ihrer Rechtsgeschäfte vorgesehen. Eben
hierhin gehört die vielfach eingeführte behördliche
Regulierung der Nachlässe von Farbigen. Endlich
hat der Grunderwerb der Weißen und des Fiskus
überall Rückwirkungen auf das Privatrecht der
Farbigen ausgeübt. Ofter ist überhaupt dadurch
erst der Begriff des Besitzes bzw. des Eigentums
an Grundstücken im Farbigenrecht aufgekommen.
Namentlich aber ist so der Begriff des Gemein-
eigentums, der anderwärts den Farbigen schon
bekannt war, allmählich beschränkt und verdrängt
durch den Begriff des Individualeigentums des
deutschen Rechts.
Auch gegenüber dem Strafrecht der Farbigen
sind grundlegende Anschauungen europäischer Kul-
tur zur Geltung gebracht. Namentlich die Delikts-
begriffe und, wie für Kiautschou ausdrücklich her-
vorgehoben ist, besonders die Begriffe der Ver-
brechen und Vergehen gegen das Reich, gegen
Gesundheit, Leben, Freiheit und Eigentum eines
andern, sind aus dem Weißenrecht in das Farbigen-
recht hineingetragen.
Was die zum Prozeßrecht gehörige Gerichts-
verfassung anlangt, so ist heute die Farbigen-
gerichtsbarkeit nur vereinzelt noch ausschließlich
der Obrigkeit der Farbigen belassen. Meist greift
bereits eine Tätigkeit der weißen Beamten ein,
entweder so, daß sie erst in höherer Instanz ent-
scheiden und allenfalls auch hier noch unter Hin-
zuziehung farbiger Berater, oder so, daß die
weißen Beamten von vornherein die Ausübung
der Gerichtsbarkeit in der Hand haben und dabei
nur durch beratende Mitwirkung Farbiger unter-
stützt werden. Es kommt auch vor, daß weiße
Beamte allein die Farbigengerichtsbarkeit aus-
üben oder daß hierfür gar das Weißengericht zu-
ständig ist. Ausschließliche Tätigkeit der weißen
Beamten bzw. der deutschen Gerichte ist Grundsatz
für Mischprozesse zwischen Farbigen und Weißen.
Auf das Verfahren in Farbigenprozessen ist
namentlich insoweit eingewirkt, als es Strafver-
fahren ist. Auch auf dieses sind fundamentale
Maximen des deutschen Strafprozesses zur An-
wendung gebracht: Offizialmaxime, Offentlichkeit,
Mündlichkeit, Verteidigung, Protokollführung,
schriftliche Abfassung des Urteilstenors. Die Ur-
teilsgründe brauchen freilich nicht niedergeschrieben
Kolonialrecht.
358
zu werden. Es fehlt auch die Akkusationsmaxime,
und die Beeidigung der Zeugen unterbleibt.
V. Kolonialbodenrecht. Der letzte Teil des
Kolonialrechts ist das Kolonialbodenrecht. Man
kann es scheiden in das Grundstücksrecht und das
Bergrecht. Das Grundstücksrecht umfaßt das
Grunderwerbsrecht und das Recht des Grund-
stücksverlustes. Als Grunderwerbsrecht aber ist
zunächst zu behandeln die Aufteilung des Bodens
unter Fiskus, Farbige und Weiße, sodann das
Recht des privaten Grundstücksverkehrs.
Die Aufteilung des Bodens unter Fiskus,
Farbige und Weiße ist notwendig, weil keine der
deei Interessentengruppen den Boden entbehren
ann.
Der Fiskus bedarf des Bodens aus mannig-
fachen Gründen. Er hat ihn in den Kolonien
namentlich notwendig, um ihn für öffentliche
Aufgaben, z. B. für öffentliche Bauten, Anlegung
von Straßen oder Eisenbahnen zur Verfügung zu
haben, um das Land planmäßig und billig be-
siedeln, um der Bodenspekulation entgegentreten
zu können, um sich einigermaßen bezahlt zu ma-
chen für die kolonialen Aufwendungen, durch die
er selbst den Bodenwert gesteigert hat. Es ist
darum gerechtfertigt und mit einem alten deutschen
Prinzip sowie mit einem Satze des heutigen deut-
schen B.G.B. übereinstimmend, wenn in den Ko-
lonien als Kronland bzw. als durch Besitznahme
zu erwerbendes Kronland dem Fiskus alles Land
zugesprochen ist, welches noch keinen andern Herrn
hat, also herrenlos ist. Dieses ist geschehen in Ost-
afrika, Kamerun, Neuguinea sowie auf den Karo-
linen, Palau und Marianen. Auch in Südwest-
afrika kann der Fiskus herrenloses Land okkupieren.
Doch sind hier auch mit Genehmigung des Gou-
verneurs private Weiße dazu berechtigt. Auf den
Marshallinseln hat nach einem alten Vertrage nur
die Jaluitgesellschaft das genannte Recht. In den
übrigen Kolonien gibt es kein herrenloses Land.
Die Ermittlung und Besitznahme des herrenlosen
Landes für den Fiskus ist in Ostafrika und Ka-
merun Aufgabe besonderer Landkommissionen,
deren Zusammensetzung und Tätigkeit näher ge-
regelt ist. Indem diese Tätigkeit zunächst die Er-
mittlung des herrenlosen Landes zum Ziele hat,
muß sie ausgehen von einer Feststellung des Lan-
des, welches bereits im Besitz oder Eigentum von
Farbigen oder Weißen ist. Da aber die Besitz-
beziehungen der Farbigen zum Boden vielfach nur
sehr flüssig sind, vollends ihre Rechte daran
häufig wenig ausgebildet sind, anderseits Land-
ansprüche von ihnen in maßloser Weise geltend
gemacht wurden, so ist die Feststellung des im
Besitz oder Eigentum der Farbigen befindlichen
Landes in der Praxis öfter, z. B. in Ostafrika,
darauf hinausgelaufen, den Farbigen so viel Land
zuzuteilen, als für ihre Wirtschaft notwendig er-
schien, womit dann allerdings der Begriff der
Besitznahme von herrenlosem Land als Kron-
land zuweilen sich verschoben haben und zu einer
12“