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Besitznahme von Eingebornenland als Kronland
geworden sein mag. Eine als Strafe für die Ein-
gebornen erfolgte Besitznahme von Eingebornen-
land, eine Einziehung, Konfiskation von Ein-
gebornenland hat in großem Maßstabe in Süd-
westafrika stattgefunden. Hier ist das Land der
Herero und Hottentotten zur Strafe für den
Aufstand konfisziert worden. Außer durch Besitz-
nahme vonerrenlosem Land und von Eingebornen-
land ist und wird das Landbedürfnis des Fiskus
aber auch überall befriedigt durch Verträge mit
den Eingebornen. In Neuguinea nebst dem Insel-
gebiet der Karolinen, Palau, Marianen und den
Marshallinseln sowie in Kiautschon steht sogar
dem Fiskus allein das Recht zu, Landerwerbsver-
träge mit den Eingebornen abzuschließen.
Daß die Feststellung des Landes der Farbigen
öfter übergeht in eine Zuteilung von so viel Land,
als für ihre Bedürfnisse erforderlich ist, wurde be-
reits gesagt. Dabei ist auch einer Ausdehnung
ihrer Wirtschaft Rechnung zu tragen und nicht
bloß für die gegenwärtige Generation, sondern
auch für die künftigen zu sorgen. In liberaler Weise
wird man dabei den Eingebornen entgegenkommen
müssen. Das Richtige dürfte in Ostafrika der
Gouverneur v. Bennigsen getroffen haben, wenn
er verordnete, daß den Eingebornen ungefähr das
Vierfache des wirklich von ihnen bepflanzten Ge-
bietes zu belassen sei. In Kamerun (abgesehen
von den Bezirksämtern Victoria und Busa) ist
entsprechend bestimmt, daß den Eingebornen außer
dem von ihnen bebauten und bewohnten Lande
pro Hütte eine Fläche von mindestens 6 ha be-
lassen werden müsse; wenn dies wegen der Be-
schaffenheit des Bodens oder wegen der wirtschaft-
lichen Tätigkeit der Eingebornen oder aus andern
Gründen nicht als ausreichend erscheine, oder wenn
bei diesem Maße eine natürliche Abgrenzung nicht
erreicht werden könne, so sei die den Eingebornen
zuzuweisende Fläche angemessen zu vergrößern.
Verfehlt dürfte es jedoch sein, daß in Südwest-
afrika die Eingebornen jetzt grundsätzlich vom
Bodenrecht ausgeschlossen sind und nur mit Ge-
nehmigung des Gouverneurs daran beteiligt wer-
den können. Aber es genügt nicht, wenn so ein
liegenschaftlicher Besitzstand der Farbigen vom
Fiskus respektiert oder wenn ein solcher ihnen von
der Regierung zugeteilt wird, sondern die Far-
bigen müssen in dieser Beziehung auch, da sie nur
zu geneigt sind, um augenblicklicher Vorteile willen
ihren Besitz aufzugeben, gegen sich selbst und die
Weißen geschützt werden. Deswegen ist die Ver-
äußerung von Bodenrechten durch Farbige an
Weiße entweder verboten oder nur mit Beschrän-
kungen gestattet. Insoweit der Gouverneur die
Veräußerung von Bodenrechten seitens Farbiger
an Weiße zu genehmigen hat, bietet ihm dies
Gelegenheit, nicht bloß darüber zu wachen, daß
durch die betreffenden Verträge das wahre und
wohlverstandene Interesse der Eingebornen nicht
verletzt werde, sondern auch durch die Stellung
Kolonialrecht.
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von Bedingungen dafür Sorge zu tragen, daß von
dem weißen Erwerber das erworbene Land nicht
zum Zwecke der Spekulation liegen gelassen, son-
dern baldigst in Benutzung genommen wird. Daß
der Gouverneur von dieser Gelegenheit auch wirk-
lich Gebrauch macht, ist namentlich in Ostafrika
und Kamerun ihm besonders vorgeschrieben.
Die Bodenrechte der Weißen stehen teils Ge-
sellschaften teils Einzelnen zu. Sie können durch
Besitznahme herrenlosen Landes, durch Verträge
mit den Eingebornen oder durch Verträge mit
dem Fiskus erworben sein. Soweit sie auf ersteren
beiden Gründen beruhen, sind sie meist älteren
Ursprungs. Besitznahme herrenlosen Landes ist
auf den Marshallinseln für eine bestimmte Gesell-
schaft, nämlich für die Jaluitgesellschaft, auch heute
noch möglich, ebenso in Südwestafrika für Gesell-
schaften sowohl wie für Einzelne, hier aber nur
mit Genehmigung des Gouverneurs. Unter ge-
wissen Beschränkungen können Weiße, seien es Ge-
sellschaften, seien es Einzelne, heute noch Bodenrechte
durch Verträge mit den Eingebornen erwerben.
Was schließlich den Grunderwerb der Weißen
durch Verträge mit dem Fiskus anlangt, so sind
auch in dieser Hinsicht die Rechte älteren und
jüngeren Ursprungs zu trennen. Beide unterschei-
den sich häufig in Ansehung der Art des begrün-
denden Vertrages. Früher wurden nämlich vom
Fiskus umfassende Bodenrechte durch unentgelt-
liche oder ohne hinreichendes Entgelt erfolgende
Konzessionen an Weiße, insbesondere an Gesell-
schaften, verliehen. Dieses sog. Konzessionssystem,
welches allerdings das Ziel einer wirtschaftlichen
Erschließung der Kolonien durch ein privates
Unternehmertum verfolgen sollte, hat vollständig
versagt. Die jüngeren, vom Fiskus erworbenen
Bodenrechte der Weißen beruhen darum meist auf
wirklich entgeltlichen Verträgen. An die Stelle
des Konzessionssystems ist das sog. Verkaufssystem
getreten. Neben eigentlichen Verkäufen kommen
natürlich auch Verpachtungen vor. Und in Ost-
afrika kann, wie nach dem früheren System Ge-
genstand einer Konzession, so nach dem jetzt vor-
herrschenden System Gegenstand eines Verkaufes
sein, daß der Gouverneur da, wo Landkommis-
sionen noch nicht in Tätigkeit getreten sind, Ge-
sellschaften oder Einzelnen, die größere wirtschaft-
liche Unternehmungen beabsichtigen und für den
Ernst derselben Gewähr bieten, die Befugnis ver-
leiht, herrenloses Land aufzusuchen und in Besitz
zu nehmen. Die Veräußerung und Verpachtung
fiskalischen Landes an private Weiße, sei es an
Gesellschaften, sei es an Einzelne, ist eingehend
geregelt in Ostafrika, Kamerun, Südwestafrika
und Kiautschou.
Von dem mit Rücksicht auf öffentliche Inter-
essen gestalteten Recht der Aufteilung des Bodens
unter Fiskus, Farbige und Weiße ist wohl zu
unterscheiden das Recht des privaten Grundstücks-
verkehrs, welcher innerhalb der von jenem Rechte
der Aufteilung bestimmten Grenzen rein zur Reg-