Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Besitznahme von Eingebornenland als Kronland 
geworden sein mag. Eine als Strafe für die Ein- 
gebornen erfolgte Besitznahme von Eingebornen- 
land, eine Einziehung, Konfiskation von Ein- 
gebornenland hat in großem Maßstabe in Süd- 
westafrika stattgefunden. Hier ist das Land der 
Herero und Hottentotten zur Strafe für den 
Aufstand konfisziert worden. Außer durch Besitz- 
nahme vonerrenlosem Land und von Eingebornen- 
land ist und wird das Landbedürfnis des Fiskus 
aber auch überall befriedigt durch Verträge mit 
den Eingebornen. In Neuguinea nebst dem Insel- 
gebiet der Karolinen, Palau, Marianen und den 
Marshallinseln sowie in Kiautschon steht sogar 
dem Fiskus allein das Recht zu, Landerwerbsver- 
träge mit den Eingebornen abzuschließen. 
Daß die Feststellung des Landes der Farbigen 
öfter übergeht in eine Zuteilung von so viel Land, 
als für ihre Bedürfnisse erforderlich ist, wurde be- 
reits gesagt. Dabei ist auch einer Ausdehnung 
ihrer Wirtschaft Rechnung zu tragen und nicht 
bloß für die gegenwärtige Generation, sondern 
auch für die künftigen zu sorgen. In liberaler Weise 
wird man dabei den Eingebornen entgegenkommen 
müssen. Das Richtige dürfte in Ostafrika der 
Gouverneur v. Bennigsen getroffen haben, wenn 
er verordnete, daß den Eingebornen ungefähr das 
Vierfache des wirklich von ihnen bepflanzten Ge- 
bietes zu belassen sei. In Kamerun (abgesehen 
von den Bezirksämtern Victoria und Busa) ist 
entsprechend bestimmt, daß den Eingebornen außer 
dem von ihnen bebauten und bewohnten Lande 
pro Hütte eine Fläche von mindestens 6 ha be- 
lassen werden müsse; wenn dies wegen der Be- 
schaffenheit des Bodens oder wegen der wirtschaft- 
lichen Tätigkeit der Eingebornen oder aus andern 
Gründen nicht als ausreichend erscheine, oder wenn 
bei diesem Maße eine natürliche Abgrenzung nicht 
erreicht werden könne, so sei die den Eingebornen 
zuzuweisende Fläche angemessen zu vergrößern. 
Verfehlt dürfte es jedoch sein, daß in Südwest- 
afrika die Eingebornen jetzt grundsätzlich vom 
Bodenrecht ausgeschlossen sind und nur mit Ge- 
nehmigung des Gouverneurs daran beteiligt wer- 
den können. Aber es genügt nicht, wenn so ein 
liegenschaftlicher Besitzstand der Farbigen vom 
Fiskus respektiert oder wenn ein solcher ihnen von 
der Regierung zugeteilt wird, sondern die Far- 
bigen müssen in dieser Beziehung auch, da sie nur 
zu geneigt sind, um augenblicklicher Vorteile willen 
ihren Besitz aufzugeben, gegen sich selbst und die 
Weißen geschützt werden. Deswegen ist die Ver- 
äußerung von Bodenrechten durch Farbige an 
Weiße entweder verboten oder nur mit Beschrän- 
kungen gestattet. Insoweit der Gouverneur die 
Veräußerung von Bodenrechten seitens Farbiger 
an Weiße zu genehmigen hat, bietet ihm dies 
Gelegenheit, nicht bloß darüber zu wachen, daß 
durch die betreffenden Verträge das wahre und 
wohlverstandene Interesse der Eingebornen nicht 
verletzt werde, sondern auch durch die Stellung 
Kolonialrecht. 
  
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von Bedingungen dafür Sorge zu tragen, daß von 
dem weißen Erwerber das erworbene Land nicht 
zum Zwecke der Spekulation liegen gelassen, son- 
dern baldigst in Benutzung genommen wird. Daß 
der Gouverneur von dieser Gelegenheit auch wirk- 
lich Gebrauch macht, ist namentlich in Ostafrika 
und Kamerun ihm besonders vorgeschrieben. 
Die Bodenrechte der Weißen stehen teils Ge- 
sellschaften teils Einzelnen zu. Sie können durch 
Besitznahme herrenlosen Landes, durch Verträge 
mit den Eingebornen oder durch Verträge mit 
dem Fiskus erworben sein. Soweit sie auf ersteren 
beiden Gründen beruhen, sind sie meist älteren 
Ursprungs. Besitznahme herrenlosen Landes ist 
auf den Marshallinseln für eine bestimmte Gesell- 
schaft, nämlich für die Jaluitgesellschaft, auch heute 
noch möglich, ebenso in Südwestafrika für Gesell- 
schaften sowohl wie für Einzelne, hier aber nur 
mit Genehmigung des Gouverneurs. Unter ge- 
wissen Beschränkungen können Weiße, seien es Ge- 
sellschaften, seien es Einzelne, heute noch Bodenrechte 
durch Verträge mit den Eingebornen erwerben. 
Was schließlich den Grunderwerb der Weißen 
durch Verträge mit dem Fiskus anlangt, so sind 
auch in dieser Hinsicht die Rechte älteren und 
jüngeren Ursprungs zu trennen. Beide unterschei- 
den sich häufig in Ansehung der Art des begrün- 
denden Vertrages. Früher wurden nämlich vom 
Fiskus umfassende Bodenrechte durch unentgelt- 
liche oder ohne hinreichendes Entgelt erfolgende 
Konzessionen an Weiße, insbesondere an Gesell- 
schaften, verliehen. Dieses sog. Konzessionssystem, 
welches allerdings das Ziel einer wirtschaftlichen 
Erschließung der Kolonien durch ein privates 
Unternehmertum verfolgen sollte, hat vollständig 
versagt. Die jüngeren, vom Fiskus erworbenen 
Bodenrechte der Weißen beruhen darum meist auf 
wirklich entgeltlichen Verträgen. An die Stelle 
des Konzessionssystems ist das sog. Verkaufssystem 
getreten. Neben eigentlichen Verkäufen kommen 
natürlich auch Verpachtungen vor. Und in Ost- 
afrika kann, wie nach dem früheren System Ge- 
genstand einer Konzession, so nach dem jetzt vor- 
herrschenden System Gegenstand eines Verkaufes 
sein, daß der Gouverneur da, wo Landkommis- 
sionen noch nicht in Tätigkeit getreten sind, Ge- 
sellschaften oder Einzelnen, die größere wirtschaft- 
liche Unternehmungen beabsichtigen und für den 
Ernst derselben Gewähr bieten, die Befugnis ver- 
leiht, herrenloses Land aufzusuchen und in Besitz 
zu nehmen. Die Veräußerung und Verpachtung 
fiskalischen Landes an private Weiße, sei es an 
Gesellschaften, sei es an Einzelne, ist eingehend 
geregelt in Ostafrika, Kamerun, Südwestafrika 
und Kiautschou. 
Von dem mit Rücksicht auf öffentliche Inter- 
essen gestalteten Recht der Aufteilung des Bodens 
unter Fiskus, Farbige und Weiße ist wohl zu 
unterscheiden das Recht des privaten Grundstücks- 
verkehrs, welcher innerhalb der von jenem Rechte 
der Aufteilung bestimmten Grenzen rein zur Reg- 
 
	        
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