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ausschließlich für den Staat und das Gemeinwohl
leben. Damit sie aber von den durch das höchste
Gemeinwohl bestimmten Pflichten niemals ab-
weichen, dürfen sie sich nie durch private Besitz-
und Familienverhältnisse beeinflussen lassen. Eigen-
tum und Familie müssen daher für sie aufgehoben
werden. Ihren Unterhalt besorgt die breite Masse
des Volkes mit den Sklaven, d. h. die Erwerbs-
tätigen, die von staatlicher Tätigkeit ausgeschlossen
sind und darum Eigentum und Familie behalten.
Mit Recht wird die hier nur auf die Edelsten der
Nation beschränkte Gemeinsamkeit des Konsums
ein aristokratischer Kommunismus genannt. Pla-
Kommunismus.
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findenden Witwenmahls (Apg. 6, 1). Bei totalem
Kommunismus würden alle Christen, wenn auch
in verschiedenen Häusern, ihre Mahlzeiten gemein-
sam eingenommen haben. Nach alledem sind auch
die Ausdrücke des hl. Lukas: „sie hatten alles ge-
meinsam“, und: „ni d teetwas sein eigen“,
nicht im Sinne eines völligen Gemeinbesitzes zu
verstehen, sondern im Sinne einer Gemeinsamkeit
des überflüssigen Besitzes. Wird auf den Überfluß
zugunsten der Armen verzichtet, so wird dadurch
eine Gemeinsamkeit betätigt, anderseits erscheint
das Privateigentumsrecht so weit eingeschränkt,
daß die Besitzenden nicht mehr in einer die Armen
tos Ideen sind aber für die meisten späteren kom- 6 verletzenden Weise etwas ihr eigen nennen.
munistischen Gedankensysteme, wenngleich diese Wiederholt sind die Kirchenväter kommunisti-
auch ganz andere, mehr der allgemeinen Volls= scher Anschauungen beschuldigt worden. Indes
beglückung entnommene Ziele verfolgten, vorbild= detaillierte Forschungen haben dargetan, daß die
lich gewesen. Kirchenväter sich nirgends als Gegner des Privat-
In der Apostelgeschichte (2, 44. 45 und 4, 34. # eigentums erweisen. Irdischer Besitz — das ist
35) erzählt der hl. Lukas, daß in der ganzen durchweg ihre Lehre — ist ein Gut, freilich nicht
Christengemeinde zu Jerusalem die Besitzer von das höchste, da es häufig recht viele Gefahren für
Ackern und Häusern ihre Güter verkauften und das natürliche und übernatürliche Leben mit sich
den Erlös dafür zu den Füßen der Apostel nieder- führt. Das Verfügungsrecht des Menschen über
legten, die ihn dann unter die Dürftigen verteilten irdischen Besitz ist kein vollständiges, das oberste
Dieser Bericht hat zu der Theorie eines Kom= uneingeschränkte Eigentumsrecht steht Gott zu. So
munismus im Urchristentum Anlaß gegeben. In= hat Gott mit reichem irdischem Besitz die Pflicht
des hier handelt es sich nicht um eine öffentlich= des Almosengebens verknüpft. Diese Pflicht schär-
rechtliche Aufhebung des Privateigentums und fen die Bäter in einer Zeit schroffer Besitzgegen-
nicht um eine allgemein bindende Vorschrift, seinen sätze immer wieder ein, namentlich unter dem
Besitz zu verkaufen und den Erlös dafür in den
Dienst der Gesamtheit zu stellen, sondern um eine
freie, dem Beweggrunde christlicher Nächstenliebe
entnommene Hingabe von Gütern. Daß die
Christen zu Jerusalem völlig frei waren in der
Verfügung über ihr Besitztum, ergibt sich aus den
Worten, die der hl. Petrus an Ananias richtete,
als dieser nur einen Teil des Erlöses aus seinem
verkauften Acker brachte und vorgab, dies sei der
ganze Gewinn. Petrus sagte zu ihm: „Verblieb
(der Acker) nicht unverkauft dein eigen? Und wenn
er verkauft wurde, befand sich nicht der Erlös in
deiner Verfügungsgewalt?“ Petrus spricht hier
hinsichtlich des Grundbesitzes wie des Geldes volle
Besitz= und Verfügungsfreiheit aus. — Ferner
wurde nicht aller Besitz veräußert: die Apostelge-
schichte erzählt nur, daß die Besitzer von Ackern
und Häusern diese ihre liegenden Güter verkauft
haben. Der Zweck dieser Besitzentäußerung war
auch nicht, wie in einer kommunistischen Gesell-
schaft, der Unterhalt der Gesamtheit schlechthin,
Hinweis darauf, daß hierdurch eine gewisse Aus-
gleichung unter den Christen herbeigeführt werde.
Ihre diesbezüglichen Mahnungen nehmen infolge-
dessen zuweilen kommunistischklingende Wendungen
an (z. B. bei Basilius, Chrysostomus, Hierony-
mue), insbesondere wenn sie sich in rhetorisch-
schwunghafter Form auf das Vorbild der Besitz-
ausgleichung in der jungen Christengemeinde zu
Jerusalem berufen. Solche Darstellungen verfolgen
indes erwiesenermaßen immer nur den Zweck, nicht
den Kommunismus einzuführen, sondern in den
Christen das Pflichtbewußtsein, den Armen zu
helfen, recht lebendig zu erhalten. Die beständige
Mahnung der Bäter zum Almosengeben setzt zu-
dem Bestand und Berechtigung des Privateigen-
tums notwendig voraus.
Mißverständnis und Verdrehung gewisser christ-
licher Lehren war für verschiedene Sekten des
Mittelalters Anlaß zur Aufstellung kommunisti-
scher Forderungen. Eine übertriebene Aszese, welche
die Armut Christi und der Apostel ganz unter-
sondern die Linderung der Notlage einzelner schiedslos allen Menschen zur Pflicht machen wollte,
Christen. Als Norm für die Verteilung galt: führte zum Kommunismus bei den Katharern in
K1qO Tig Npela ese“, „soweit jemand Be= Oberitalien und Südfrankreich, bei den Aposto-
darf hatte". Als Erfolg der Verteilung wird ge= likern in der Lombardei. Eine falsche Mystik, die
rühmt, daß „auch nicht ein Notleidender unter das vorgebliche Versunkensein in Gott für un-
den Christen zu finden war“. Offenbar handelt vereinbar hielt mit irdischem Besitz, gelangte zu
es sich also um eine organisierte Armenpflege, die derselben Konsequenz bei verschiedenen, durch chi-
auf Grund freiwilliger Gutsentäußerungen der liastische Ideen verworrenen Irrlehren, so nament-
Reichen möglich war. Daß bei den Verteilungen lich bei den Wiedertäufern, die zu Münster (1535)
nur die Armen berücksichtigt wurden, ergibt sich vorübergehend „ein neues Reich Zion“ errichteten,
ferner aus der Erwähnung eines täglich statt-= worin Gemeineigentum und Vielweibereiherrschten.