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vom 31. Jan. 1850 sicherte den Fortbestand, in-
dem sie in Art. 96 bestimmte:
„Über Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungs-
und Gerichtsbehörden entscheidet ein durch das Ge-
setz bezeichneter Gerichtshof.“
Damit war ein anderer als der Kompetenz-
konfliktgerichtshof von 1847 gemeint, und zwar
ein Gerichtshof mit unabsetzbaren Richtern und
einem Verfahren, welches dieselbe Gewähr wie
das der ordentlichen Gerichte bot. Jenes Gesetz
erschien jedoch nicht. Gemäß Art. 110 der Verf.=
Urk. ergab sich daraus, daß die bisher zur Ent-
scheidung von Kompetenzkonflikten zuständige Be-
hörde zunächst bestehen blieb.
5 Entsprechende, aber im einzelnen vielfach ab-
weichende Bestimmungen enthielt das Gesetz für
Sachsen vom 13. Juni 1840, Bayern vom
28. Mai 1850, Braunschweig vom 19. Mai
1851 usw.
b) Geltendes Recht. a) Reichsrecht.
Erst die völlige Umgestaltung des bisher in Deutsch-
land geltenden Gerichtsverfassungs= und Prozeß-
rechts durch die Justizgesetzgebung des neuen Deut-
schen Reiches brachte eine weitere Besserung der
Kompetenzkonfliktsfrage. Das Gerichtsverfassungs-
gesetz vom 27. Jan. 1877 bestimmt in 817, Abs. 1:
„Die Gerichte entscheiden über die Zulässigkeit des
Rechtsweges.“ Unter derselben ist die Kompetenz
der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit zu ver-
stehen, welche nach § 12 des G.V.G. durch Amts-
Land= und Oberlandesgerichte sowie das Reichs-
gericht ausgeübt wird. Vor diese ordentlichen Ge-
richte gehören gemäß § 13 des G.V.G alle bürger-
lichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für
welche nicht unter anderem die Kompetenz von
Verwaltungsbehörden oder von Verwaltungsge-
richten reichs= bzw. landesgesetzlich begründet ist.
Der Grund für die bis heute nicht durchgehends
scharfe Grenzziehung zwischen Streitigkeiten des
bürgerlichen Rechts und Verwaltungssachen bzw.
Streitigkeiten des öffentlichen Rechts liegt in dem
wesentlichen Zusammenhang dieser Frage mit der
Verfassung der einzelnen deutschen Staaten. Manche
Verwaltungssachen und Streitigkeiten des öffent-
lichen Rechts waren und sind noch der Entschei-
dung der Gerichte, und umgekehrt gewisse Straf-
sachen und Streitigkeiten des bürgerlichen Rechts
der Erledigung durch Verwaltungsbehörden unter-
worfen, vor allem solche, bei welchen man die
Berücksichtigung eines besondern politischen oder
administrativen Interesses für erforderlich hielt.
Auch ist der Begriff der bürgerlichen Rechts-
streitigkeit nirgendwo allgemein bestimmt. Er
umfaßt vielmehr nur die einzelnen Gattungen von
Streitigkeiten, welche durch besondere gesetzliche
Vorschriften der ordentlichen streitigen Gerichts-
barkeit zur Entscheidung überwiesen sind. Ent-
sprechendes gilt hinsichtlich derjenigen Angelegen-
heiten, welche zur Zuständigkeit von Verwaltungs-
behörden oder von Verwaltungsgerichten gehören.
Ein auf diesem Gebiet für ganz Deutschland ein-
Kompetenz usw.
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heitliches öffentliches Recht fehlt, wenn auch die
verschiedenen Partikularrechte im wesentlichen von
gleichmäßigen Grundlagen ausgehen. Unbeschadet
des rechtlichen Charakters der fraglichen Streit-
sache hat also grundsätzlich die Landesgesetzgebung
zu befinden, ob für dieselbe der Rechtsweg zu-
lässig sein soll, oder ob sie von den Verwaltungs-
behörden oder den Verwaltungsgerichten zu er-
ledigen ist. Den Regierungen aber ist damit die
Möglichkeit geboten, durch Erhebung des Kom-
petenzkonflikts gewisse Rechtsstreitigkeiten, an
denen sie ein besonderes Interesse haben, den
ordentlichen Gerichten zu entziehen und den Ver-
waltungsbehörden zuzuweisen. In dieser Ver-
schränkung des gerichtlichen Rechtsweges sah man
eine Verweigerung des Rechts, und der Kompetenz-
konflikt wurde deshalb als ein Mittel zur Unter-
drückung der bürgerlichen Freiheit heftig ange-
feindet. Das ÜMbel lag in der Organisation der
Verwaltungsbehörden. Diese hatten nicht nur dem
Gesetz zu gehorchen wie die Richter, sondern auch
den Weisungen ihrer Vorgesetzten. Ihrer Natur
nach behandelten sie die Streitigkeiten des öffent-
lichen Rechts, welche nach feststehenden Rechts-
sätzen zu entscheiden sind, in derselben Weise wie
die Verwaltungssachen, bei denen die größere oder
geringere Zweckmäßigkeit, dann eine humane
Billigkeit zur Geltung kommen darf und in denen
die Forderungen des gerade herrschenden Systems
so recht ihr Feld haben. Diese Mißstände wurden
um so übler empfunden, als den Gerichten keines-
wegs das Recht zustand, den Kompetenzkonflikt zu
erheben, wenn die Verwaltungsbehörden Sachen
vor ihr Forum zogen, welche zur Zuständigkeit
der Gerichte gehörten. Während man den Rechts-
schutz auf dem Gebiet des Privatrechts sorgfältig
ausgebildet hatte, war er auf dem Gebiet des
öffentlichen und besonders des Verwaltungsrechts
noch kaum vorhanden. Es herrschte daher das
Bestreben, möglichst auch die Streitigkeiten des
öffentlichen Rechts vor die Gerichte zu bringen.
Dementsprechend waren Kompetenzkonflikte häufig.
Überall aber, wo die Verwaltungsbehörde sie er-
hob, kam sie in den Verdacht, den Rechtsweg des-
halb zu verschränken, weil eine unparteiische Ent-
scheidung der Sache durch die Gerichte ihr un-
erwünscht wäre.
Der Grundsatz des § 17, Abs. 1 des G.V.G.
gilt unbedingt nur für Kompetenzkonflikte zwischen
den Gerichten und den Reichsverwaltungsbehörden.
Für Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten
und den einzelstaatlichen Verwaltungsbehörden be-
stimmt jedoch § 17, Abs. 2 folgendes:
Die Landesgesetzgebung kann die Entscheidung
von Streitigkeiten zwischen den Gerichten und den
Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten
über die Zulässigkeit des Rechtsweges besondern
Behörden unter Beachtung einer Reihe von Nor-
mativbestimmungen übertragen.
Damit sind Kompetenzkonfliktgerichtshöfe für
die Einzelstaaten zugelassen. Für solche Staaten,