Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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grifflich ist der Konflikt vom Kompetenzkonflikt 
(ogl. d. Art.) scharf zu trennen. Bei dem letzteren by 
handelt es sich um die Unzulässigkeit des Rechts- 
weges. Im Falle des Konflikts steht dagegen die 
gerichtliche Zuständigkeit als solche fest, nicht aber, 
ob der Beamte sich einer Übertretung seiner amt- 
lichen Befugnisse oder einer Unterlassung der ihm 
obliegenden amtlichen Handlungen schuldig ge- 
macht habe. Es herrscht Streit über die Vorfrage, 
ob der Beamte innerhalb seiner Amtsbefugnisse 
gehandelt habe; wird diese Frage verneint, so 
bleibt die Kompetenz des Gerichts außer Frage. 
In Anlehnung an die französische Gesetzgebung 
hat in Preußen das Institut des Konflikis seinen 
Rechtsgrund in Art. 97 der Verfassungsurkunde 
vom .31. Jan. 1850. Er lautet: 
Die Bedingungen, unter welchen öffentliche 
Zivil= und Militärbeamten wegen durch über- 
schreitung ihrer Amtsbefugnisse verübter Rechts- 
verletzungen gerichtlich in Anspruch genommen 
werden können, bestimmt das Gesetz. Eine vor- 
gängige Genehmigung der vorgesetzten Dienstbe- 
hörde darf jedoch nicht verlangt werden. 
Dieses Gesetz betr. die Konflikte bei gericht- 
lichen Verfolgungen wegen Amts= und Dienst- 
handlungen ist unterm 13. Febr. 1854 ergangen 
und enthält folgende Vorschrift: 
Wenn gegen einen Zivil= oder Militärbeamten 
wegen einer in Ausübung oder in Veranlassung der 
Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlung 
eine gerichtliche Verfolgung im Wege des Zivil- 
oder Strafprozesses eingeleitet worden ist, so steht 
der vorgesetzten Provinzial= oder Zentralbehörde 
des Beamten die Befugnis zu, den Konflikt zu er- 
heben, falls sie glaubt, daß dem Beamten eine zur 
gerichtlichen Verfolgung geeignete Überschreitung 
seiner Amtsbefugnisse oder Unterlassung einer ihm 
obliegenden Amtshandlung nicht zur Last fällt. 
Doe die Entscheidung hierüber allein dem Kom- 
petenzkonfliktgerichtshof zustand, war die Regie- 
rung stets in der Lage, Gesetzwidrigkeiten der 
Beamten decken zu können, und nicht selten waren 
solche Klagen, sofern die Beamten auf höheren 
Befehl und im Geiste des herrschenden Systems 
gehandelt hatten. Durch die Verordnung vom 
16. Sept. 1867 wurde der Konflikt in den neu 
erworbenen Landesteilen der preußischen Mon- 
archie eingeführt. Auf die Bestimmung des Ge- 
setzes von 1854 hat § 11 des Einf.Ges. zum 
G.V. G. (vgl. auch L.V.G. vom 30. Juli 1883, 
§ 114) in der Weise eingewirkt, daß nicht mehr 
dem Kompetenzkonfliktgerichtshof, sondern dem 
obersten Verwaltungsgerichtshof bzw. dem Reichs- 
gericht die Vorentscheidung zusteht. Sie beschränkt 
sich lediglich auf die Feststellung, ob der Beamte 
seine Amtsbefugnisse überschritten oder seine Amts- 
pflichten nicht erfüllt habe. Das Geeignetsein oder 
Ungeeignetsein der Überschreitung bzw. Unter- 
lassung auch zur gerichtlichen Verfolgung kommt 
also nicht mehr in Betracht. 
Literatur. Prazak, Die prinzipielle Abgrenzung 
der Kompetenz der Gerichte u. Verwaltungsbehör- 
  
Kongostaat. 
  
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den, im Archiv für öffentl. Recht IV (1889); Nad- 
I, Art. „K.“ in v. Stengels Wörterbuch des 
deutschen Verwaltungsrechts 1 (21890); Loening, 
Gerichte u. Verwaltungsbehörden in Brandenburg- 
Preußen, in Schulzensteins Verwaltungsarchiv II 
(1894) u. III (1895); Jastrow, über die Zustän- 
digkeit des preuß. Militär-Justiz-Departements u. 
des Oberverwaltungsgerichts für die K.e in Sol- 
datenprozessen, ebd. IV (1896); Müller, Justiz- 
verwaltung (1901); Hagens, Die Verwaltungs- 
gerichtsbarkeit in Frankreich u. der Conseil d’Etat. 
im Archiv für öffentl. Recht XVII (1902); Art. 
Conflit in Block-Maguséros Dictionnaire de Pad- 
ministration française (1905); Jastrow, K.erhe- 
bung bei Prozessen gegen Staatsminister, in 
Schulzensteins Verwaltungsarchiv XIV (1900); 
Art. „K.e u. K.erhebung" in v. Bitters Hand- 
wörterbuch der preuß. Verwaltung 1 (1906); Gra- 
venhorst, Der sog. K. bei gerichtl. Verfolgung von 
Beamten (1908); vgl. auch die Literatur zu Art. 
Kompetenz, Kompetenzkonflikt. [Karl Bachem.) 
Kongostaat, Etat du Congo, belgische 
Kolonie in Afrika. 
I. Geschichte. Der Kongostaat ist im wesent- 
lichen eine Schöpfung des Königs der Belgier, 
Leopolds II., der schon 1855 auf die Notwendig- 
keit kolonialer Expansion für Belgien hingewiesen 
hatte. Auf seine Anregung trat am 12. Sept. 1876 
in Brüssel eine Versammlung der angesehensten 
Reisenden und Geographen zur Beratung einer 
planmäßigen Erforschung und Zivilisierung Afri- 
kas zusammen. Ihr Ergebnis war die Gründung 
der „Internationalen Afrikanischen Gesellschaft“. 
Zur Lösung der gestellten Aufgabe sollten Unter- 
nehmungen von seiten einzelner nationalen Ko- 
mitees ausgesandt werden; doch nur das belgische 
entfaltete eine regere Tätigkeit. Leopold gewann 
Stanley, der eben seine berühmte Kongofahrt voll- 
endet hatte, für den Dienst des Comité d'Etudes 
du Haut-Congo, das unter dem Vorsitz des 
Königs am 25. Nov. 1878 in Brüssel gebildet 
worden war. In dessen Auftrag gründete Stanley 
vom Aug. 1879 ab eine Reihe von Stationen am 
Kongo (Vivi, Isangila, Manjanga; im Nov. 
1881 Léopoldville am Stanley Pool, dessen rechtes 
Ufer inzwischen eine französische Unternehmung 
unter Savorgnan de Brazza für Frankreich in 
Besitz genommen hatte) und schloß bis 1884 über 
500 Verträge mit einheimischen Häuptlingen; 
außerdem erwarb er die Küste von Loango bis 
Sette Kama (2½/0° südl. Breite). Damit waren 
die Grundlagen des Kongostaates geschaffen, dessen 
Anerkennung die Asscciation internationale 
du Congo, in die sich das Comité verwandelt 
hatte, betrieb. Die Flagge der Gesellschaft wurde 
zuerst von den Vereinigten Staaten am 22. April 
1884 als die eines „befreundeten Staates“ an- 
erkannt, am 8. Nov. auch von Deutschland. Frank- 
reich jedoch erhob Ansprüche auf einen Teil des 
linken Kongo-Ufers, Portugal auf den Unterlauf 
1 Die Kolonie muß eine eigne Darstellung erhalten, 
weil fie zur Zeit der Drucklegung des Art. Belgien noch 
selbständiger Staat war.
	        
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