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grifflich ist der Konflikt vom Kompetenzkonflikt
(ogl. d. Art.) scharf zu trennen. Bei dem letzteren by
handelt es sich um die Unzulässigkeit des Rechts-
weges. Im Falle des Konflikts steht dagegen die
gerichtliche Zuständigkeit als solche fest, nicht aber,
ob der Beamte sich einer Übertretung seiner amt-
lichen Befugnisse oder einer Unterlassung der ihm
obliegenden amtlichen Handlungen schuldig ge-
macht habe. Es herrscht Streit über die Vorfrage,
ob der Beamte innerhalb seiner Amtsbefugnisse
gehandelt habe; wird diese Frage verneint, so
bleibt die Kompetenz des Gerichts außer Frage.
In Anlehnung an die französische Gesetzgebung
hat in Preußen das Institut des Konflikis seinen
Rechtsgrund in Art. 97 der Verfassungsurkunde
vom .31. Jan. 1850. Er lautet:
Die Bedingungen, unter welchen öffentliche
Zivil= und Militärbeamten wegen durch über-
schreitung ihrer Amtsbefugnisse verübter Rechts-
verletzungen gerichtlich in Anspruch genommen
werden können, bestimmt das Gesetz. Eine vor-
gängige Genehmigung der vorgesetzten Dienstbe-
hörde darf jedoch nicht verlangt werden.
Dieses Gesetz betr. die Konflikte bei gericht-
lichen Verfolgungen wegen Amts= und Dienst-
handlungen ist unterm 13. Febr. 1854 ergangen
und enthält folgende Vorschrift:
Wenn gegen einen Zivil= oder Militärbeamten
wegen einer in Ausübung oder in Veranlassung der
Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlung
eine gerichtliche Verfolgung im Wege des Zivil-
oder Strafprozesses eingeleitet worden ist, so steht
der vorgesetzten Provinzial= oder Zentralbehörde
des Beamten die Befugnis zu, den Konflikt zu er-
heben, falls sie glaubt, daß dem Beamten eine zur
gerichtlichen Verfolgung geeignete Überschreitung
seiner Amtsbefugnisse oder Unterlassung einer ihm
obliegenden Amtshandlung nicht zur Last fällt.
Doe die Entscheidung hierüber allein dem Kom-
petenzkonfliktgerichtshof zustand, war die Regie-
rung stets in der Lage, Gesetzwidrigkeiten der
Beamten decken zu können, und nicht selten waren
solche Klagen, sofern die Beamten auf höheren
Befehl und im Geiste des herrschenden Systems
gehandelt hatten. Durch die Verordnung vom
16. Sept. 1867 wurde der Konflikt in den neu
erworbenen Landesteilen der preußischen Mon-
archie eingeführt. Auf die Bestimmung des Ge-
setzes von 1854 hat § 11 des Einf.Ges. zum
G.V. G. (vgl. auch L.V.G. vom 30. Juli 1883,
§ 114) in der Weise eingewirkt, daß nicht mehr
dem Kompetenzkonfliktgerichtshof, sondern dem
obersten Verwaltungsgerichtshof bzw. dem Reichs-
gericht die Vorentscheidung zusteht. Sie beschränkt
sich lediglich auf die Feststellung, ob der Beamte
seine Amtsbefugnisse überschritten oder seine Amts-
pflichten nicht erfüllt habe. Das Geeignetsein oder
Ungeeignetsein der Überschreitung bzw. Unter-
lassung auch zur gerichtlichen Verfolgung kommt
also nicht mehr in Betracht.
Literatur. Prazak, Die prinzipielle Abgrenzung
der Kompetenz der Gerichte u. Verwaltungsbehör-
Kongostaat.
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den, im Archiv für öffentl. Recht IV (1889); Nad-
I, Art. „K.“ in v. Stengels Wörterbuch des
deutschen Verwaltungsrechts 1 (21890); Loening,
Gerichte u. Verwaltungsbehörden in Brandenburg-
Preußen, in Schulzensteins Verwaltungsarchiv II
(1894) u. III (1895); Jastrow, über die Zustän-
digkeit des preuß. Militär-Justiz-Departements u.
des Oberverwaltungsgerichts für die K.e in Sol-
datenprozessen, ebd. IV (1896); Müller, Justiz-
verwaltung (1901); Hagens, Die Verwaltungs-
gerichtsbarkeit in Frankreich u. der Conseil d’Etat.
im Archiv für öffentl. Recht XVII (1902); Art.
Conflit in Block-Maguséros Dictionnaire de Pad-
ministration française (1905); Jastrow, K.erhe-
bung bei Prozessen gegen Staatsminister, in
Schulzensteins Verwaltungsarchiv XIV (1900);
Art. „K.e u. K.erhebung" in v. Bitters Hand-
wörterbuch der preuß. Verwaltung 1 (1906); Gra-
venhorst, Der sog. K. bei gerichtl. Verfolgung von
Beamten (1908); vgl. auch die Literatur zu Art.
Kompetenz, Kompetenzkonflikt. [Karl Bachem.)
Kongostaat, Etat du Congo, belgische
Kolonie in Afrika.
I. Geschichte. Der Kongostaat ist im wesent-
lichen eine Schöpfung des Königs der Belgier,
Leopolds II., der schon 1855 auf die Notwendig-
keit kolonialer Expansion für Belgien hingewiesen
hatte. Auf seine Anregung trat am 12. Sept. 1876
in Brüssel eine Versammlung der angesehensten
Reisenden und Geographen zur Beratung einer
planmäßigen Erforschung und Zivilisierung Afri-
kas zusammen. Ihr Ergebnis war die Gründung
der „Internationalen Afrikanischen Gesellschaft“.
Zur Lösung der gestellten Aufgabe sollten Unter-
nehmungen von seiten einzelner nationalen Ko-
mitees ausgesandt werden; doch nur das belgische
entfaltete eine regere Tätigkeit. Leopold gewann
Stanley, der eben seine berühmte Kongofahrt voll-
endet hatte, für den Dienst des Comité d'Etudes
du Haut-Congo, das unter dem Vorsitz des
Königs am 25. Nov. 1878 in Brüssel gebildet
worden war. In dessen Auftrag gründete Stanley
vom Aug. 1879 ab eine Reihe von Stationen am
Kongo (Vivi, Isangila, Manjanga; im Nov.
1881 Léopoldville am Stanley Pool, dessen rechtes
Ufer inzwischen eine französische Unternehmung
unter Savorgnan de Brazza für Frankreich in
Besitz genommen hatte) und schloß bis 1884 über
500 Verträge mit einheimischen Häuptlingen;
außerdem erwarb er die Küste von Loango bis
Sette Kama (2½/0° südl. Breite). Damit waren
die Grundlagen des Kongostaates geschaffen, dessen
Anerkennung die Asscciation internationale
du Congo, in die sich das Comité verwandelt
hatte, betrieb. Die Flagge der Gesellschaft wurde
zuerst von den Vereinigten Staaten am 22. April
1884 als die eines „befreundeten Staates“ an-
erkannt, am 8. Nov. auch von Deutschland. Frank-
reich jedoch erhob Ansprüche auf einen Teil des
linken Kongo-Ufers, Portugal auf den Unterlauf
1 Die Kolonie muß eine eigne Darstellung erhalten,
weil fie zur Zeit der Drucklegung des Art. Belgien noch
selbständiger Staat war.