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des Stromes und die ganze Küste vom 8. bis 5%%
12° südl. Breite und schloß einen Vertrag mit
Großbritannien, das Portugals Forderungen an-
erkannte. Gegen diesen Vertrag, der den westafri-
kanischen Handel aller Nationen bedrohte, prote-
stierten die Handelskreise, und auf Einladung
Deutschlands im Einverständnis mit Frankreich
trat zur Prüfung der verschiedenen Ansprüche eine
internationale Konferenz in Berlin, die Kongo-
konferenz, zusammen (15. Nov. 1884 bis
26. Febr. 1885).
Die Konferenz führte, unter der wohlwollenden
Mitwirkung Deutschlands, zur Anerkennung der
Gesellschaft durch alle größeren Staaten und zum
Ausgleich mit Portugal und Frankreich. Die Lo-
angoküste und das rechte Kongo-User von Man-
janga aufwärts wurde Frankreich zugesprochen, der
Süden des Mündungsgebietes und die am rechten
Ufer gelegene Landschaft Kabinda fiel Portugal
zu, so daß der Gesellschaft nur ein 37 km langer
Küstenstreifen am rechten Kongo-Ufer verblieb. Die
Generalakte der Konferenz vom 26. Febr. 1885
sicherte vollständige Freiheit für den Handel aller
Nationen im Gebiete des Kongo und des Niger zu,
untersagte für eine Probezeit von 20 Jahren die
Erhebung von Einfuhr= und Durchfuhrzöllen,
verbot die Einräumung von Monopolen oder son-
stigen Privilegien auf dem Gebiete des Handels,
Kongostaat.
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es nicht, die Eroberungen am Schari aufrecht zu
erhalten, während im Vertrag mit England vom
12. Mai 1894 ein Teil des Bahrel-Ghasal-Gebiets
und das Gebiet von Lado an den Kongostaat ver-
pachtet wurden (durch Vereinbarung vom 9. Maie
1906 wurde diese Pacht aufgehoben, nur das
Ladogebiet verbleibt Leopold II. persönlich für die
Dauer seiner Regierung als Souverän des Kongo-
staates verpachtet). Diese Expeditionen und die
Bedürfnisse der Staatsverwaltungen erforderten
große Mittel, wofür die Einnahmen um so weniger
ausreichten, als die Erhebung von Einfuhr= und
Durchfuhrzöllen verboten war. Leopold mußte
aus seinem Privatvermögen dem Staate Zuschüsse
leisten (seit 1890 jährlich an 1 Mill. Franken)
und schließlich Belgien um Unterstützung angehen,
was zur oben genannten Konvention führte. Da
auch die Aufhebung des Verbots der Einfuhrzölle,
welche die kongolesische Regierung 1890 anläßlich
der Brüsseler Antisklavereikonferenz zu erreichen
wußte, keine ausreichende Besserung schuf, begann
Leopold II. seit 1891 eine zielbewußte Domanial=
politik, deren Durchführung die spätere Agitation
gegen die „Kongogreuel“ veranlaßte.
1892 wurde durch Dekrete (vom 30. Okt. und
5. Dez.) alles Land, das nicht mit Hütten oder
Pflanzungen bedeckt war, als herrenloses Land
und Staatseigentum erklärt und die Gewinnung
traf Bestimmungen gegen den Sklavenhandel, der Domanialprodukte, besonders Elfenbein und
über die Freiheit der religiösen Bekenntnisse usp. Kautschuk, dem Staate vorbehalten. Das Land
Unter Zustimmung der Signatarmächte und im zwischen der Nordgrenze und dem Aquator einer-
Einverständnis mit der Gesellschaft, der bisherigen seits, dem 20% östl. Länge und der Ostgrenze
Inhaberin der Regierungsgewalt, übernahm König anderseits wurde als unveräußerlicher Privatbesitz
Leopold am 1. Aug. 1885 unter dem Titel eines des Staates (d. h. des Königs) erklärt, der übrige
„Souveräns des unabhängigen Kongostaates“ die Teil (außer dem Süden) der privaten Unterneh-
Regierung, nachdem das belgische Parlament seine mung geöffnet. Nur der Staat und die von ihm
Ermächtigung erteilt hatte. Die Verbindung des konzessionierten Gesellschaften hatten das Handels-
neuen, absoluten, für ständig neutral erklärten monopol, womit die garantierte Handelsfreiheit
Staates mit Belgien bestand zunächst nur in der faktisch abgeschafft war. Die Eingebornen wurden
Identität des Herrschers. Am 2. Aug. 1889 ver= nach den Grundsätzen des (ursprünglichen) nieder-
machte der König testamentarisch seine souveränen
Rechte dem belgischen Staate. Eine Konvention
zwischen beiden Staaten vom 1. Juli 1890 sicherte
Belgien das Recht zu, den Kongostaat mit allen
Rechten, die mit der Souveränität verknüpft sind,
nach 10 Jahren zu annektieren. Nachdem ein Ko-
dizill zum Testament vom 21. Juli 1890 die
Unveräußerlichkeit des Gebietes des Kongostaates
festgesetzt hatte, genehmigte die belgische Kammer
am 25. Juli 1890 die Konvention.
Die wirtschaftliche Erschließung und Besiedlung
des neuen Staates machte anfangs nur geringe
Fortschritte, da man in Belgien selbst dem Unter-
nehmen nicht sehr freundlich gegenüberstand. Die
Maßnahmen gegen den Sklavenhandel der Araber
führten zu schweren Kämpfen (1891/94) mit den
Sklavenhändlern. Inzwischen wurden auch der
Süden und Südosten, besonders das erzreiche
Katanga, besetzt und Vorstöße nach Nordosten, in
die Interessensphären der Engländer und FranH#-
zosen, unternommen. Frankreich gegenüber gelang
ländisch-ostindischen Kultursystems und durch Ver-
mittlung ihrer Häuptlinge zum Sammeln von
Elfenbein und Kautschuk, zur Anlage von staat-
lichen Kaffee= und Kakaoplantagen gezwungen.
Da die Staatsbeamten ausdrücklich angewiesen
waren, die Gewinnung dieser Domanialprodukte
möglichst zu erweitern und ebenso wie die Häupt-
linge durch Prämien persönlich am finanziellen
Ertrag interessiert wurden, so begann, neben der
Politik der Monopole und Privilegien für den
Staat und die Gesellschaften, die teils mit dem
Geiste teils auch mit dem Wortlaut der Berliner
Akte unvereinbar war, eine Raubwirtschaft bezüg-
lich der wertvollsten Landeserzeugnisse und eine
Bedrückung der Eingebornen, die zu unleugbaren
Mißständen und Grausamkeiten führte und in
Europa allmählich große Entrüstung hervorrief.
1897 wurde im englischen Unterhause zum ersten-
mal der Vorschlag gemacht, die Signatarmächte
der Berliner Generalakte zu einer neuen Konferenz
zu berufen, aber von der Mehrheit abgelehnt. In