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Zeit, selbst auch das Vorhandensein anderer Re-
ligionsbekenntnisse sind zu beachten“ (Walter,
Lehrb. des Kirchenrechts (/ 18711120, 8 48 a. T.
Wer auch unter diesen Voraussetzungen den Nutzen
von Konkordaten bestreitet, der kann dies nur tun,
wenn er Aufgabe und Zweck der Konkordate über-
spannt. Die Konkordate können und sollen nicht
jeden Konflikt zwischen Kirche und Staat ver-
hindern, aber sie sollen doch die Reibungsfläche
durch Einschränkung der persönlichen Willkür auf
beiden Seiten vermindern. Die Konkordate haben
auch nicht die Bestimmung, einen im buchstäblichen
Sinne des Wortes ewigen Frieden zwischen Staat
und Kirche zu verbürgen, aber sie sind wohl im-
stande, eine lange Friedensdauer zu begründen und
Friedensinseln im Strome der kirchenpolitischen
Veränderung zu schaffen. Wenn freilich in einem
Volke die religiöse Gleichgültigkeit und Kirchen-
feindschaft weithin eingerissen ist und niemand für
die Wahrung der kirchlichen Rechte wirksam ein-
tritt, dann hat auch ein mit größter Selbstbe-
scheidung seitens der Kirche abgeschlossenes Kon-
kordat keine Garantie seines Bestandes mehr. Das
hochmütige ignorer le pape wird dann unter
gleichzeitiger Mißachtung kirchlicher Rechte an die
Stelle des Prinzips gegenseitiger Vereinbarung
gesetzt werden, eines Prinzips, auf welches die
Kirche niemals verzichten wird, wenn auch diese
Vereinbarung nicht gerade immer die feierliche
Form von Konkordaten zu haben braucht.
Literatur. a) Sammelpublikationen
von Konkordaten: E. Münch, Vollständige (7)
Sammlung aller älteren u. neueren K. (2 Bde,
1830/31); V. Nuffi, Conventiones de reb. eccles.
inter S. Sedem et civil. potest. (Rom 1869;
Mainz 1870). Die für die Gebiete des heutigen
Deutschen Reiches im 19. Jahrh. abgeschlossenen
K. (das französische von 1801 wegen Elsaß-Loth-
ringen) sowie das österreichische finden sich auch bei
Schneider, Die partikulären Kirchenrechtsquellen in
Deutschl. u. Osterreich (1898); die unter Leo XIII.
abgeschlossenen K.: Conventiones de rebus eccle-
siasticis inter S. Sedem et civil. potest. initae
sub pontif. Leonis XIII. (Rom 1893).
b) Reiche Literaturangaben zur Frage über Natur
u. Verpflichtung der K. bringen die Lehr= u. Hand-
bücher des Kirchenrechts; vgl. bes. Vering, Lehrbuch
des Kirchenrechts (71893) § 62; Richter-Dove,
Lehrbuch des Kirchenrechts (5„1886) § 88; Säg-
müller, Lehrbuch des Kirchenrechts (21909) § 29;
Heiner, Kath. Kirchenrecht 1 (11904) 47; vor allem
Hübler, Kirchenrechtsquellen (11902) §§ 4 u. 5;
vgl. neuestens noch F. E. Schneider, Die rechtliche
Natur der Vereinbarungen zwischen Staat u. Kirche
(Münster 1908, Dissert.). — Eine sehr detaillierte
Behandlung der einschlägigen Fragen hat Schulte,
Die Lehre von den Quellen des katholischen Kirchen-
rechts (1860) 435/518; ebenso Wernz, 1us decre-
talium 1 (Rom 1905) 213/256.
) Eine Geschichte der K. bietet Ph. Hergen-
röther in Wetzer u. Weltes Kirchenlexikon, Art.
„K.“ III2 825/829 u. noch ausführlicher Mejer
(Mirbt) in der Realenzyklopädie für protestan-
tische Theologie u. Kirche, Art. „K.“ X8 704 bis
Konkursrecht.
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730. Zur kirchengeschichtlichen und kirchenpoli-
tischen Würdigung der K. sei, abgesehen von all-
gemeingeschichtlichen Werken, auf die Spezialwerke
über das Verhältnis von Staat u. Kirche verwiesen.
Wegen des scharfen Hervorhebens des juristischen
Momentes u. des Strebens nach Objektivität ver-
dienen vor allem zwei Werke genannt zu werden,
die zugleich nach der Verschiedenheit des Stand-
punktes in manchem sich ergänzen: Martens, Die
Beziehungen der Überordnung, Nebenordnung u.
Unterordnung zwischen Kirche u. Staat (1877;
selbständige, teilweise eigenartige Auffassung auf
grundsätzlich katholischem Boden), u. Geffken, Staat
u. Kirche in ihrem Verhältnis geschichtlich entwickelt
(1875). Die kirchenpolitische Stellung weiter pro-
testantischer Kreise bestimmt u. gibt programmatisch
wieder Hinschius, Allg. Darstellung der Verhält-
nisse von Staat u. Kirche, in Marquardsens Hand-
buch des öffentlichen Rechts I, 1 (1883). Eine
Fülle von Stoff bietet Hergenröther, Kath. Kirche
u. christl. Staat in ihrer geschichtl. Entwicklung u.
in Beziehung auf die Fragen der Gegenwart (1872),
freilich neigt er da u. dort zu rasch nach der apolo-
getischen Seite. Ebenfalls reiches Material, aber
in einseitig antikirchlicher Stellungnahme, bringt
Friedberg, Die Grenzen zwischen Staat u. Kirche
u. die Garantien gegen deren Verletzung (1872).
— Eine systematische Aufzählung der einschlägigen
wichtigsten rechtsgeschichtlichen u. kirchenpolitischen
Literatur findet sich bei Stutz in den betreffenden
Partien seines Kirchenrechts (v. Holtzendorff-Kohler,
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft II (1904.).
Reiche Literatur ferner bei Sägmüller, Lehrbuch
des kath. Kirchenrechts (21909y). IAd. Ott.)
Konkursrecht. Bei eintretendem Ver-
mögensverfall eines Schuldnerserheischt die Rechts-
ordnung unter bestimmten Voraussetzungen eine
Wahrung des Interesses der Gläubiger durch ge-
setzliche Bestimmungen in der Richtung, daß einer-
seits der Schuldner gehindert werde, sein Ver-
mögen zu verschleudern, neue Schulden einzugehen
oder einzelne Gläubiger vorzugsweise zu befrie-
digen, und daß anderseits für sämtliche Gläubiger
der Anspruch gesichert werde, ausschließliche und
gemeinschaftliche Befriedigung aus dem vorhan-
denen Aktivvermögen des Schuldners nach gesetz-
licher Ordnung zu erhalten. Die hier zur Anwen-
dung kommenden Bestimmungen bilden den Inhalt
der Konkursordnung. Diese umfaßt sowohl das
Konkursverfahren, d. h. die Formen, in welchen
sich unter Leitung des Gerichts die Auseinander-
setzung des zahlungsunfähigen Schuldners, des
Gemeinschuldners, mit seinen Gläubigern zu voll-
ziehen hat, als auch das Konkursrecht, d. h. die
Rechtsgrundsätze, welche sich auf die Voraus-
setzungen des Konkurszustandes und dessen Wir-
kungen hinsichtlich der Privatrechtsverhältnisse
sowie auf die durch das Konkursverfahren er-
zeugten Rechtsveränderungen beziehen. Die Vor-
aussetzung des Konkurszustandes (Bankrott, Crida,
Gant) bildete nach früherem gemeinen Recht die
Überschuldung, infolge deren der Schuldner zur
Befriedigung seiner Gläubiger außer stande war,
während nach heutigem deutschen Reichsrecht an