Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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vom 28. Mai 1838 hat einige Lücken des be- 
stehenden Konkursrechts ergänzt und eine weitere 
Vereinfachung des Verfahrens herbeigeführt, das 
hiernach nur in zwei Stadien, das der provi- 
sorischen und das der definitiven Reglung des 
Falliments, zerfiel. 
Die preußische Konkursordnung vom 
8. Mai 1855 statuiert nur wenige Unterschiede 
zwischen dem kaufmännischen und dem gemeinen 
Konkurs (insbesondere erfolgte die Konkurser- 
öffnung durch das Konkursgericht im ersteren 
Falle bei Zahlungseinstellung, im letzteren Falle 
bei Vermögensunzulänglichkeit des Gemeinschuld- 
ners). Die Verhandlungen werden durch den 
Kommissar des Konkursgerichts geleitet, welches 
jedoch selbst alle richterlichen Funktionen ausübt. 
Das Verfahren zerfällt in zwei Hauptstadien, das 
der einstweiligen Verwaltung (zu dem Zwecke, um 
die Masse sowie die Ansprüche an dieselbe festzu- 
stellen und für die Sicherung der Masse zu sorgen) 
und das der definitiven Verwaltung (behufs Liqui- 
dation und Verteilung der Masse). Das Gericht 
ernennt von Amts wegen den einstweiligen, auf 
Vorschlag der Gläubiger den definitiven Verwalter 
und beschließt nach seinem Ermessen über die Be- 
stellung eines Verwaltungsrats. Auf der Grund- 
lage der preußischen Konkursordnung beruhen im 
wesentlichen die konkursrechtlichen Bestimmungen 
der bayrischen Prozeßordnung vom 29. April 
1869, die Konkursordnung für Osterreich-Ungarn 
vom 9. Jan. 1869 (ogl. die Werke von Kisfling 
und Riehl) und das dänische Konkursgesetz vom 
25. März 1872. 
Von ausländischen Konkursgesetzgebungen 
verdienen besondere Erwähnung: für England die 
Act to consolidate and amend the law of 
bankruptey vom 9. Aug. 1869, an deren Stelle 
die Bankruptey act vom 25. Aug. 1883 ge- 
treten ist, und für die Vereinigten Staaten von 
Nordamerika die Act to establish a uniform 
system of bankruptey throughout the United 
States vom 2. März 1867. (Bezüglich der ein- 
zelnen, zum Teil ganz eigenartigen Bestimmungen 
dieser Konkursgesetzgebungen ist auf die ausführ- 
liche Darstellung in Anlage II und III zu den 
Motiven des Entwurfs der deutschen Reichskon- 
kursordnung bzw. Zeitschrift für Handelsrecht 
XXX 557 ff zu verweisen.) 
IV. Zetziges Recht. Als nach Errichtung des 
Norddeutschen Bundes das Bedürfnis einer ein- 
heitlichen deutschen Konkursgesetzgebung unab- 
weisbar hervortrat, wurde aus Anregung des 
Bundesrats im preußischen Justizministerium unter 
Zugrundelegung der preußischen Konkursordnung 
von 1855 der Entwurf einer deutschen Ge- 
meinschuldordnung ausgearbeitet und mit den 
durch eine besondere Kommission von Juristen 
und Vertretern des Handelsstandes sowie durch 
den Bundesrat selbst in einigen Punkten ge- 
troffenen Abänderungen 1875 dem Reichstag vor- 
gelegt. Der Entwurf wurde von dem Reichstag 
Konkursrecht. 
  
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einstimmig angenommen und zugleich mit dem 
Einführungsgesetz nach Zustimmung des Bundes- 
rats als Konkursordnung vom 10. Febr. 1877 
publiziert. Beide Gesetze sind am 1. Okt. 1879 in 
Kraft getreten. Durch Reichsgesetz vom 17. Maie 
1898, in Kraft vom 1. Jan. 1900, wurden ver- 
schiedene Anderungen der Konkursordnung mit 
Rücksicht auf die Bestimmungen des B.G.B. vor- 
genommen. Mit der neuen Konkursgesetzgebung ist 
durch Aufhebung der Unterscheidung zwischen dem 
kaufmännischen und dem gemeinen Konkurs, durch 
Beseitigung der gemeinrechtlichen Universalität des 
Konkurses, durch Schaffung einer einheitlichen 
Grundlage für das Konkursrecht und wesentliche 
Abkürzung des Verfahrens, ferner durch Ermög- 
lichung einer freieren Selbstverwaltung seitens der 
Beteiligten und Beschränkung der gerichtlichen 
Mitwirkung hierbei unstreitig eine bedeutende 
Vereinfachung des früheren Rechtszustandes her- 
beigeführt worden. Die deutsche Konkursordnung 
regelt im ersten Teil (§§ 1/70) das sog. materielle 
Konkursrecht, im zweiten Teil (88 71/238) das 
eigentliche Konkursverfahren und enthält im dritten 
Teil (§8§ 239/244) die auf den Konkurs bezüg- 
lichen Strafbestimmungen. 
Als Grundlage für das materielle Konkursrecht 
wird der sog. Konkursanspruch statuiert, 
wonach die Konkursgläubiger berechtigt sind, aus 
der Konkursmasse ausschließliche und gemeinschaft- 
liche Befriedigung zu erhalten. Dieser Konkurs- 
anspruch, welcher durch die Zahlungseinstellung 
des Schuldners und die Kollision der Forderungen 
der Gläubiger begründet, durch die Konkurs- 
eröffnung festgestellt und durch das Konkursver- 
fahren verwirklicht wird, bildet übrigens kein neues 
materielles Rechtsverhältnis der Gläubiger unter- 
einander oder gegenüber dem Gemeinschuldner, 
sondern resultiert aus dem ursprünglich zwischen 
Gläubigern und Schuldnern bestehenden obligato- 
rischen Verhältnis. Die Konkurseröffnung schafft 
an sich nur formelle Rechtsverhältnisse prozessua- 
lischer Natur, welche allerdings in vielfachen Be- 
ziehungen auf die davon betroffenen vermögens- 
rechtlichen Verhältnisse des Gemeinschuldners und 
der Konkursgläubiger wesentlichen Einfluß aus- 
üben. Das Konkursverfahren selbst ist nach der 
— übrigens vielfach bestrittenen — Definition 
der Motive nicht ein Prozeß, sondern „eine unter 
richterlicher Autorität sich vollziehende Ausein- 
andersetzung des seine Leistungen einstellenden 
Schuldners mit allen Gläubigern desselben“, ein 
Rechtsverhältnis, welches eine gewisse Ahnlichkeit 
mit der Liquidation einer kaufmännischen Firma 
hat. Eine Scheidung des Verfahrens in den ge- 
meinen und den kaufmännischen Konkurs findet 
nicht statt. 
1. Was das materielle Konkursrecht 
anbelangt, so bildet den Gegenstand des Konkurs- 
verfahrens die Konkursmasse, d. h. das ge- 
samte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende 
Vermögen des Gemeinschuldners, welches ihm zur
	        
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